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KURS
10 / 2013
SPEC IAL DKM
die inhaltliche als auch die zeitliche Dimension der jeweiligen
Entscheidungen.
Die Strategien und Agenden der Versicherer werden zu-
nehmend heterogener und von unterschiedlichen Sach-
zwängen getrieben. Dies führt zu einer zunehmenden
Fragmentierung und differenziertem Verhalten im Mark-
tumfeld und einer daraus resultierenden wachsenden Un-
berechenbarkeit. Permanente Reorganisationsaktivitäten
gehen zu Lasten von Kontinuität und Prozesssicherheit.
Bereinigung und Portefeuille-Arrondierungen führen zu
partiell schrumpfender Kapazität in spezifischen Sparten.
Zudem manifestiert sich wachsender Kostendruck, der
sich oft in abnehmender Dienstleistungsqualität nieder-
schlägt.
Die Niedrigzinsphase hat eine massive Auswirkung auf das
Ergebnis der Kapitalanlage und erzwingt die Überarbeitung
der Kostenstruktur, vor allem in der Lebensversicherung.
Stagnierende bzw. sinkende Prämieneinnahmen erfordern
die Entwicklung von neuen/anderenWachstumsfeldern. Stei-
gende Schadenzahlen und Kosten in der Sachversicherung
bedrohen die Profitabilität. Hinzu kommt ein steigender
Mangel an hoch qualifizierten Fachkräften und Talenten
sowohl im Vertrieb als auch in der Technik.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich für Qualitätsmakler
grundsätzlich dann Chancen, wenn es gelingt, den steigen-
den Beratungs- und Informationsbedarf auf Kundenseite in
geeigneter und profitabler Weise zu bedienen und zu ka-
nalisieren. Voraussetzung hierfür ist eine klare strategische
Positionierung im Marktumfeld, die Fokussierung auf defi-
nierte Marktsegmente, ein starker und nachhaltiger Vertrieb
– allein oder mit anderen – sowie die Schaffung von ope-
rativer Exzellenz. Eine kontinuierliche Prozesskosten- und
Effizienzoptimierung ist ein unverzichtbarer Bestandteil für
ein erfolgreiches Bestehen im Wettbewerb. Der Aufbau und
die Entwicklung von qualifiziertenMitarbeitern ist einer der
Schlüsselfaktoren zum Erfolg. In einem sich weiter konsoli-
dierendenMarkt können sich zudemChancen für denjenigen
ergeben, der darin eine aktive übernehmende Rolle spielen
möchte und kann.
Risiken liegen vor allem in den schwer planbaren Auswir-
kungen der Regulierung, dem Erreichen einer „kritischen
Unternehmensgröße“ und damit dem Aufbringen eines aus-
reichenden Marktgewichts sowie der Nichtbesetzung von
wesentlichen für den Erfolg notwendigen Schlüsselpositi-
onen.
Bei steigendemKostendruck wird es zudem entscheidend da-
rauf ankommen, alle Prozesse und Abläufe im Unternehmen
so schlank wie möglich zu gestalten. Derjenige Makler, der
auf die kommenden Herausforderungen gut vorbereitet ist,
und sein Geschäftsmodell professionell umsetzt, wird trotz
oder – in einigen Fällen – sogar wegen der regulatorischen
Einflüsse eine viel versprechende Zukunft haben.
Versicherer
Diskussion offensiv führen
D
ie Versicherungswirtschaft steht
vor großen und umwälzenden
Herausforderungen, die sich
nicht nur aber auch dadurch ergeben
haben, dass uns die Medien ins Visier
genommen haben. Unsere Geschäfts-
modelle in nahezu allen relevantenTeil-
disziplinen werden einer öffentlichen
Überprüfung unterzogen. Insbesondere
Vertriebsthemen scheinen eine große
Rolle zu spielen. Die Nähe unseres
Geschäfts zur Politik tut ein Übriges,
die Protagonisten aus den Parteien und
dem Verbraucherschutz machen durch
Versicherer-Bashing Punkte. Unser Bei-
trag daran ist nicht gering, Steilvorlagen scheinen unsere
Spezialität zu sein.
So ist die Diskussion über Vergütungssysteme in vollem
Gange, im GDV wird über eine gesetzliche Deckelung der
Abschlussprovisionen in der Lebensversicherung diskutiert,
Verbraucherschützer fordern das totale Verbot von Provi-
sionen und singen das hohe Lied der Honorarberatung, die
Niedrigzinsphase führt zu Schwierigkeiten in der Kapitalan-
lage, die Neuregelung der Bewertungsreserven ist im Partei-
enkleinkrieg untergegangen, Solvency II wird immer wieder
verschoben, Garantieprodukte werden in Frage gestellt oder
teilweise im Neugeschäft eingestellt, die Schadenregulie-
rungspraxis der SHUK-Versicherer gerät in das Fadenkreuz
der Bundesjustizministerin – die Themen scheinen endlos zu
sein, Lösungen nicht in Sicht.
Die neue Bundesregierung muss, auch um der volkswirt-
schaftlichen und sozialen Bedeutung willen, die Dinge wieder
vom Kopf auf die Füße stellen. Dazu müssen zuallererst
die Kapitalanlagevorschriften modernisiert werden, um den
Versicherern ohne Angst vor dem nächsten Bilanzstichtag
die Möglichkeit zu geben, in Papiere mit höheren Rendite-
möglichkeiten zu investieren. Insbesondere im Aktien- und
Immobilienbereich ist hier nachzubessern, was die Eigenka-
pitalunterlegung und die Bilanzierung belangt. Die Zinszu-
satzreserve und die Mindestzuführungsverordnung müssen
schnellstens modifiziert werden, weil sie im Krisenfall bei
sinkenden Zinsen brandbeschleunigend wirken.
Die Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Bewer-
tungsreserven muss ohne ideologische Scheuklappen ange-
gangen werden, will man sich nicht an dem verbleibenden
Versichertenkollektiv versündigen. Die zufällige Auskehrung
je nach Zinslage hat etwas von einer Lotterie und ist damit
schlicht unanständig.
Wir müssen vieles besser als bisher erklären, bisweilen
aber auch deutlicher werden. Die öffentliche Meinung darf
nicht den so genannten Verbraucherschützern überlassen
werden.
Rainer M. Jacobus,
Vorstandsvorsitzen-
der der IDEAL Lebens-
versicherung a.G.