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12 / 2013
KURS
MARKT & MAKLER
Zurückhaltung geboten
Mit welchen Folgen oder Konsequenzen sollten oder müssen Vermittler rechnen, die ihren Kunden Produkte
des in die Schlagszeilen geratenen Dresdner Finanzdienstleisters
Infinus
empfohlen haben? Mit dieser
Frage beschäftigt sich Rechtsanwalt NormanWirth von der auf das Vermittler- sowie das Versicherungs- und
Kapitalanlagerecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Wirth-Rechtsanwälte.
D
abei verweist der Rechtsanwalt darauf, dass es sich
um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, eine
Schuld der – zum Teil verhafteten – Infinus-Verant-
wortlichen also noch keineswegs nachgewiesen worden ist.
Angesichts der Ereignisse sei diese Frage allerdings auch für
Vermittler wie für deren betroffene Kunden von nachrangi-
ger Relevanz, denn schon heute seien einige Insolvenzanträge
gestellt, Konten eingefroren und die Geschäfte zum Erliegen
gekommen.Von daher sei es auch schwer vorstellbar, dass die
Geschäfte von Infinus künftig wieder normal aufgenommen
werden könnten.
Wenig Hoffnungen macht Wirth den betroffenen Kunden
hinsichtlich eines Schadensersatzes aus der Vermögensscha-
denshaftpflichtversicherung (VSH) des Infinus-Haftungsda-
ches. Richtig sei zwar, dass die Infinus AG Finanzdienstleis-
tungsinstitut (blaue Infinus) – also das Haftungsdach – nach
eigenen Angaben überobligatorisch eine VSH habe. Da der
Gesetzgeber ein derartiges Haftungsdach jedoch nicht vor-
gesehen habe, stelle diese VSH keine Pflichtversicherung dar,
aus der Kunden – anders als bei der Kfz-Haftpflichtversiche-
rung – einen direkten Anspruch ableiten könnten.
Für die tied agents, also die dem Haftungsdach angeschlos-
senen Vermittler, bestehe ebenfalls eine überobligatorische
VSH, wie Infinus selber immer erklärt habe. Nach derzei-
tiger Kenntnis sei Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut
selber Versicherungsnehmer. Ob diese Versicherungen für
einen evtl. Schaden der Kunden einzustehen hätten, sei aller-
dings noch völlig offen, so Wirth. Nach seiner Einschätzung
hängt das davon ab, ob der Leistungsfall im Sinne der Ver-
sicherungsbedingungen vorliegt. Dies müsse eine jeweilige
Einzelfallprüfung ergeben.
Ob dies abgeschlossenen Versicherungssummen allerdings
ausreichten, um die Anleger vollständig zu entschädigen,
bezweifelt Wirth. Anleger sollten sich bei Schadenersatzfor-
derungen direkt an das Haftungsdach wenden, im Falle einer
Insolvenz von Infinus sei allerdings der Insolvenzverwalter
der richtige Ansprechpartner.Wenig Sinn mache es dagegen,
sich direkt an die Versicherung oder den zuständigenMakler
zu wenden.
Für gebundene Vermittler von Infinus sieht Wirth keine
allzu großen Probleme. Wer die Vorgaben des Infinus-
Haftungsdachs in Bezug auf Visitenkarten, Dokumentation
und sonstigen Außenauftritts korrekt befolgt habe, für den
dürfte die Gefahr sehr gering sein, so der Rechtsanwalt. Das
schließe allerdings nicht aus, dass gelegentlich Kunden bzw.
deren Anwälte versuchen könnten, auch Vermittler in die
Haftung zu nehmen. Solchen Versuchen könnten Vermittler
jedoch in der Regel gelassen entgegen sehen. Erfahrungen
der Rechtsanwaltkanzlei zeigten, dass in solchen Fällen bei
entsprechend fachkundiger Prozessführung in der Regel der
Vermittler das Ganze unbeschadet überstehe.
Von Einzelanfragen absehen
Wirth verweist darauf, dass eine gesetzliche Verpflichtung
des Vermittlers zur Information betroffener Kunden nicht
besteht.Mit der Beratung vor Abschluss und der Vermittlung
des jeweiligen Finanzanlageproduktes endeten die gesetzli-
chen Pflichten zur Information, Beratung Dokumentation.
Eine Beratung in der jetzigen Si-
tuation ziehe – auch ohne Vor-
liegen schriftlicher Unterlagen
– einen neuen Beratungsvertrag
nach sich. Damit könnte sich
der Vermittler auf das Feld
einer unerlaubten Rechtsbera-
tung begeben. Zudem sei die
Situation derzeit noch viel zu
verworren, um dem Kunden
überhaupt einen fundierten Rat
geben zu können.
Auch die Antwort auf die Frage
des Kunden, ob er einenAnwalt
einschalten sollte, müssten sich
die Vermittler laut Wirth ver-
kneifen. Denn je nach Fortgang
der Ereignisse könnten sie dann
von den so beratenen Kunden
in die – zumindest moralische
– Pflicht genommen werden.
Wirth verweist in diesem Zu-
sammenhang auf die veröf-
fentlichten Aussagen des Insolvenzverwalters Dr. Bruno M.
Kübler, der potenziellen Gläubigern versichert habe, es werde
rechtzeitig und über verschiedene Kanäle Informationen zu
möglichen Fristensetzungen geben. Für die Anleger will Küb-
ler eine Online-Informationsplattform einrichten, sie sollten
jedoch so lange von Einzelanfragen absehen.
Gegen Infinus wird wegen des Verdachts ermittelt, rund
25.000 Anleger bei einem Anlagevermögen von rund 400
Millionen Euro betrogen zu haben. Die Staatsanwaltschaft
Dresden wirft dem Unternehmen vor, bei der Ausgabe von
Orderschuldverschreibungen falsche Angaben zur Vermö-
gens- und Ertragslage von Emittenten gemacht zu haben.
Zudem soll das Unternehmen seine Bilanzen mithilfe eines
Provisionskarussells geschönt haben. Infinus selber weist die
Anschuldigungen zurück.
Rechtsanwalt NormanWirth