KURS MAGAZIN 12/2013 - page 21

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12 / 2013
KURS
2014 IM FOKUS
von rund 43 Prozent betroffen, wobei diese Szenarien noch
nicht einmal die Folgen des Übergangs zu Solvency II be-
rücksichtigen.
Für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirt-
schaft sind die Mahnungen der Bundesbank hinsichtlich der
zunehmenden Belastungen der deutschen Lebensversicherer
Wasser auf die Mühlen. Die von der Deutschen Bundesbank
geforderte Neuregelung der Bewertungsreserven-Beteiligung
von Lebensversicherungskunden sei vor dem Hintergrund
der erneut abgesenkten Leitzinsen notwendig“, erklärte
GDV-Präsident Dr. Alexander Erdland in einer ersten Stel-
lungnahme.
Dr. Alexander Erdland
Erdland geißelte die derzeitige Rechtslage zur Beteilung der
Versicherungskunden an den Bewertungsreserven als „öko-
nomisch unsinnig“. Sie zwinge die Versicherer ausgerechnet
in Zeiten historisch niedriger Leitzinsen von nur noch 0,25
Prozent zu Sonderausschüttungen in bisher nie gekannter
Höhe.Allein in diesem Jahr haben die Lebensversicherer laut
Erdland Monat für Monat geschätzt knapp 300 Millionen
Euro an Bewertungsreserven an die Kunden ausgeschüt-
tet. Das seien rund 80 Prozent mehr als noch in 2011. Der
dadurch verursachte Substanzverlust führe dazu, dass die
Versicherer kaum noch in der Lage seien, ihre Kunden gut
durch die Niedrigzinsphase zu bringen. Ziel einer Korrek-
tur müsse sein, einen gerechteren Ausgleich zwischen den
Kunden, deren Verträge aktuell auslaufen, und den Kunden,
deren Verträge weiterhin bestehen, herbeizuführen, so der
Appell des GDV-Chefs an die Politik.
Sabine Lautenschläger
Auch für die Banken in Deutschland wird ein bedenkliches
Szenario gezeichnet. Da deren Erträge traditionell stark am
Zinseinkommen hingen, würden die Folgen des Niedrigzin-
ses immer spürbarer, so Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine
Lautenschläger. Mehr und mehr gerieten die Geschäftsmo-
delle vieler Geldhäuser unter Druck, warnte sie. „Der harte
Wettbewerb um Kunden hat in den vergangenen 15 Jahren
die Zinsspannen der Banken von 200 auf 100 Basispunkte
halbiert. Und die Niedrigzinsphase bedeutet nun eine weitere
Belastung für die Banken.“ Laut Lautenschläger sieht die
Bundesbank die Schuldenkrise noch nicht als überwunden
an. Nach wie vor gingen von den hohen öffentlichen und
privaten Schulden in einigen Ländern des Euro-Raums hohe
Risiken aus. Die durch die Maßnahmen der Notenbanken
gekaufte Zeit müsse genutzt werden, um die Krisenursachen
mit strukturellen und institutionellen Reformen anzugehen“
mahnte sie.
Georg Fahrenschon
Auch bei Repräsentanten der Kreditwirtschaft war die jüngs-
te Zinssenkung der EZB auf harsche Kritik gestoßen. So
nannte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giro-
verbandes (DSGV), Georg Fahrenschon, die Rücknahme des
Leitzinses auf 0,25 Prozent als ein falsches Signal in Richtung
Sparer, während er positive realwirtschaftliche Auswirkun-
gen darin nicht erkennen kann. „Niedrigzinsen führen zu
dauerhaftenVerlusten der Sparer, die quasi einer Enteignung
gleichkommen, weil sie bei ihren Anlagen negative Realzin-
sen hinnehmen müssen“, so der DSGV-Präsident. Das führe
zu erheblichen Lücken in der Altersvorsorge – und das bei
einer dramatisch alternden Gesellschaft.“ Für Fahrenschon
war der Zinsschritt der EZB zum jetzigen Zeitpunkt nicht
nötig, weil akute Gefahren deflationärer Entwicklungen aus
seiner Sicht nicht bestehen. Vielmehr lasse sich die „Delle in
den Preisen“ auch mit den Energiepreisen und vorüberge-
henden Auswirkungen des Wechselkurses erklären.
Auch der boomende deutsche Immobilienmarkt wird vom
Niedrigzinsumfeld maßgeblich beeinflusst, stellt die Bun-
desbank zudem fest. Vor allem in Großstädten hätten sich
die Preise für Wohnimmobilien in den vergangenen Jahren
erheblich verteuert. Nachdem sie dort von 2009 bis 2012
bereits um fast ein Viertel zugelegt haben, rechnet die Bun-
desbank für 2013 mit einem weiteren Preisanstieg von rund
neun Prozent. Eine akute Gefahr für die Finanzstabilität
sieht die Bundesbank jedoch noch nicht. „Dank einer so-
liden Schuldentragfähigkeit der privaten Haushalte und
eines moderaten Kreditwachstums bergen die steigenden
Immobilienpreise derzeit keine übermäßigen Risiken für
die Finanzstabilität“, meinte Dombret. Allerdings will er
nicht ausschließen, dass Immobilienbesitzer durch mögliche
Preiskorrekturen Vermögensverluste erleiden könnten. „Er-
fahrungen in anderen Ländern haben gezeigt, dass in einer
lang anhaltenden Phase niedriger Zinsen durchaus Preisbla-
sen entstehen können.“ Deshalb werde die Bundesbank die
Situation am deutschen Immobilienmarkt weiterhin genau
beobachten.
George Clegg
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