19
I
bb)
Vorliegend wird der Kla¨ger als vormals in einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft mit einem Dienstordnungsangestellten Lebender
im Hinblick auf die Voraussetzungen fu¨r die Hinterbliebenenversor-
gung nach den Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes in der
bis zum 31. 12. 2008 geltenden Fassung gegenu¨ber einem Hinterbliebe-
nen eines verheirateten Dienstordnungsangestellten benachteiligt, weil
ihm als hinterbliebenem Lebenspartner eine Hinterbliebenenversorgung
nicht gewa¨hrt wird, wa¨hrend hinterbliebene Ehepartner verheirateter
Dienstordnungsangestellter eine solche beanspruchen ko¨nnen.
Entscheidend ist insoweit, dass eine Benachteiligung wegen
der sexuellen Ausrichttung vorliegt
20
I
(1)
Die Benachteiligung erfolgt wegen der sexuellen Ausrichtung.
Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist Personen gleichen Ge-
schlechts vorbehalten, wa¨hrend die Ehe nur von Personen unterschiedli-
chen Geschlechts geschlossen werden kann; regelma¨ßig entspricht die
Wahl des Familienstands der sexuellen Orientierung der Partner. Durch
diese unterschiedliche Behandlung werden Dienstordnungsangestellte,
die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, gegenu¨ber verhei-
rateten Dienstordnungsangestellten unzula¨ssigerweise diskriminiert,
weil beide Gruppen sich im Hinblick auf die Hinterbliebenenversor-
gung seit dem 1. 1. 2005 in einer vergleichbaren Lage befinden
5
.
Art 6 GG steht der vorgenannten Rechtsfolge nicht entgegen
21
I
(2)
Dem Gesetzgeber ist er zwar verwehrt, andere Lebens-
formen gegenu¨ber der Ehe zu begu¨nstigen. Es besteht jedoch
keine Verpflichtung, i. S. eines „Abstandsgebots“ andere Le-
bensformen gegenu¨ber der Ehe zu benachteiligen
6
. Damit ist es
Sache des Gesetzgebers zu bestimmen, ob und inwieweit er zwi-
schen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine
vergleichbare Situation schafft
7
.
22 . . . 23
I
Die vergleichbare Rechtslage ist auch der maßgebliche An-
knu¨pfungspunkt fu¨r die Hinterbliebenenversorgung im Betriebsrenten-
recht. Abzustellen ist dabei auf das Versorgungsinteresse des Arbeitneh-
mers, der die der Versorgungszusage zugrunde liegende Betriebszuge-
ho¨rigkeit zuru¨ckgelegt und entsprechende Arbeitsleistungen erbracht
hat. Das knu¨pft an das Na¨heverha¨ltnis zwischen dem Arbeitnehmer
und der durch die Hinterbliebenenversorgung begu¨nstigten Personen
an. Dabei ko¨nnen sich zwar zu einer Differenzierung berechtigende Un-
terscheidungen auch aus einer unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestal-
tung dieses Na¨heverha¨ltnisses ergeben. Ist die gesetzliche Ausgestaltung
jedoch gerade nicht unterschiedlich sondern vergleichbar, rechtfertigt
sie keine unterschiedliche Behandlung im Arbeits- und im daran an-
knu¨pfenden Versorgungsverha¨ltnis
7
.
Maßgeblich ist, dass seit dem 1. 1. 2005 keine Unterschiede
zwischen Lebens- und Ehepartnern mehr zu machen sind
24
I
(3)
Hinsichtlich der gegenseitigen Unterhalts- und Bei-
standspflichten soll der Dienstordnungsangestellte in die Lage
versetzt werden, sich selbst und seine Familie angemessen zu un-
terhalten. . . . Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an,
dass Ehepartner ha¨ufig voru¨bergehend mit der Erziehung von
Kindern befasst sind und sie deshalb zum Teil zeitweise keiner
eigenen Erwerbsta¨tigkeit nachgehen. Es ist nicht ungewo¨hnlich,
dass in einer Ehe keine Kinder erzogen werden oder dies nicht
zu erheblichen Versorgungsnachteilen fu¨r einen Ehepartner
fu¨hrt.
Die RL 2000/78/EG besta¨tigt dieses Ergebnis
25
I
c)
Die RL 2000/78/EG ist unmittelbar anwendbar. Der
Kla¨ger kann sich auch auf diese berufen.
26 . . . 31
I
d)
Dies hat zur Folge, dass die §§ 18 ff. und
§ 28 BeamtVG i. V. mit dem Dienstvertrag des verstorbenen
eingetragenen Lebenspartners des Kla¨gers insoweit unanwend-
bar sind, als diese Regelungen mit Unionsrecht nicht in Ein-
klang stehen. Die Vorschriften u¨ber die Hinterbliebenenversor-
gung mu¨ssen daher so angewandt werden, dass sie nicht zu einer
Diskriminierung von Dienstordnungsangestellten fu¨hren, die in
einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben bzw. gelebt ha-
ben und sich im U¨ brigen in einer mit Eheleuten vergleichbaren
Situation befinden. Dies kann nur dadurch geschehen, dass in
einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende so behandelt
werden wie verheiratete Dienstordnungsangestellte. Dass dies
u¨ber die bloße Nichtanwendung eines Teils des Normtexts hi-
nausgeht und dadurch ein vom Normgeber geregelter Anspruch
einer von ihm bewusst nicht erfassten Gruppe von Begu¨nstigten
gewa¨hrt wird, ist nicht zu beanstanden, denn anders la¨sst sich
die volle Wirksamkeit der RL 2000/78/EG nicht herstellen
8
.
Hinweise des Senats:
Zu OS 1: Besta¨t. von BAG vom 14. 1. 2009 – 3
AZR 20/07, BAGE 129 S. 105 = DB 2009 S. 1545; vom 15. 9. 2009 –
3 AZR 294/09, DB0345388 = AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG
§ 2 Nr. 5.
Zu OS 2: Besta¨t. der Rspr. des BVerwG zum Beamtenversorgungsrecht
BVerwG vom 28. 10. 2010 – 2 C 47.09, ZTR 2011 S. 192.
Redaktioneller Hinweis:
Volltext unter DB0586230.
5 Vgl. fu¨r die Beamtenversorgung ab dem 1. 7. 2009: BVerwG vom 28. 10.
2010, a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 16.
6 BVerfG vom 17. 7. 2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, zu B. ii) 1. c) cc), BVerfGE
105 S. 313; vom 7. 7. 2009 – 1 BvR 1164/07, Rdn. 105, BVerfGE 124 S. 199 =
DB 2009 S. 2441.
7 BAG vom 15. 9. 2009 – 3 AZR 294/09, Rdn. 23, DB0345388 = AP GG Art. 3
Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5.
8 Vgl. zur Beamtenversorgung: BVerwG vom 25. 3. 2010 – 2 C 72.08, BVerwGE
136 S. 165.
Verfahrensrecht
Anforderung an Begru¨ndung einer Rechtsbe-
schwerde
Befassung mit Begru¨ndung der angefochtenen Entscheidung
erforderlich – Wiederholung von Ausfu¨hrungen aus den Vor-
instanzen nicht ausreichend
ArbGG § 89 Abs. 2 Satz 2
Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2
Nr. 2 ZPO ist Voraussetzung einer ordnungsgema¨ßen Be-
schwerdebegru¨ndung die Bezeichnung der Umsta¨nde, aus denen
sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit fu¨r die ange-
fochtene Entscheidung ergibt. Die Beschwerdebegru¨ndung
muss sich mit den rechtlichen oder tatsa¨chlichen Argumenten
des angefochtenen Beschlusses befassen. Allgemeine, formelhaf-
te Wendungen genu¨gen hierfu¨r nicht. Auch darf sich der Be-
schwerdefu¨hrer nicht darauf beschra¨nken, seine Rechtsausfu¨h-
rungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen. Dadurch soll si-
chergestellt werden, dass der Beschwerdefu¨hrer die angefochtene
Entscheidung im Hinblick auf das Rechtsmittel u¨berpru¨ft und
mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt.
Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG
BAG-Beschluss vom 30. 10. 2012 – 1 ABR 64/11
u
DB0580796
Hinweis des Senats:
Besta¨t. und Fortf. von BAG vom 27. 7. 2010 –
1 AZR 186/09, DB 2011 S. 484 = NZA 2010, 1446
Redaktioneller Hinweis:
Volltext unter DB0577649.
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013