Der Abschluss der Vertra¨ge des Arbeitnehmers mit Kunden des
Arbeitgebers versto¨ßt gegen die vertraglichen Pflichten
18
I
b)
Die danach maßgeblichen Anforderungen an das tatsa¨ch-
liche Vorbringen fu¨r einen Wettbewerbsverstoß hat der Kla¨ger
erfu¨llt.
19
I
aa)
Nach den Feststellungen des LAG hat der Beklagte vor dem
1. 1. 2010 neun Vertra¨ge mit Kunden des Pflegedienstes A geschlossen
und nach den Behauptungen des Kla¨gers auch die u¨brigen Patienten der
Insolvenzschuldnerin in seinen eigenen Pflegedienst u¨bernommen. Da-
zu war der Beklagte nicht berechtigt. Er stand bis zum 31. 1. 2010 im
Arbeitsverha¨ltnis mit dem Kla¨ger und durfte deshalb mit dessen Kun-
den keine Pflegevertra¨ge schließen. Tat er es, wie im Streitfall, doch, so
verstieß er gegen seine vertraglichen Pflichten. Mit dem Abschluss der
Vertra¨ge hat der Beklagte den Bereich erlaubter Vorbereitungshandlun-
gen weit u¨berschritten.
Der Arbeitnehmer muss Tatsachen fu¨r das Vorliegen eines
(mutmaßlichen) Einversta¨ndnisses des Arbeitgebers vortragen
20
I
bb)
Zu einer weiter konkretisierten Darstellung der Ver-
tragsgespra¨che zwischen dem Beklagten und den Patienten war
der Kla¨ger nicht gehalten. Er musste nicht, wie vom LAG gefor-
dert, darlegen, wie, wann und wo der Beklagte unter welchen
Umsta¨nden die Pflegevertra¨ge mit den vormaligen Kunden des
Pflegediensts A geschlossen hat. Schon in der vom LAG fest-
gestellten Tatsache, dass er die Vereinbarungen noch wa¨hrend
seines Arbeitsverha¨ltnisses mit dem Kla¨ger getroffen hat, liegt
ein Verstoß gegen seine vertragliche Pflicht zur Unterlassung
von Wettbewerb. Deshalb musste der Kla¨ger nicht vortragen, es
habe festgestanden, dass Herr H zum 1. 1. 2010 alle 15 Pflege-
vertra¨ge, die zuvor mit der Insolvenzschuldnerin bestanden,
u¨bernehmen wu¨rde. Auch kann dem Kla¨ger nicht entgegen-
gehalten werden, der Beklagte habe angesichts der Ku¨ndigung
sa¨mtlicher Pflegevertra¨ge durch den Kla¨ger zum 31. 12. 2009
von der Absicht des Kla¨gers zur Gescha¨ftsaufgabe und „Freiga-
be“ der Kunden und damit von einem Einversta¨ndnis des Kla¨-
gers mit der Konkurrenzta¨tigkeit ausgehen du¨rfen. Der Arbeit-
geber muss weder darlegen, dass er die betreffenden Gescha¨fte
selbst ha¨tte abschließen ko¨nnen, noch geho¨rt es zur Schlu¨ssigkeit
seines Vorbringens, dass er darlegt, mit der Konkurrenzta¨tigkeit
nicht einverstanden gewesen zu sein. Vielmehr ist es Sache des
Arbeitnehmers, entsprechende Tatsachen fu¨r das Vorliegen
eines (
mutmaßlichen
) Einversta¨ndnisses vorzutragen
6
. Allein die
Ku¨ndigung der Vertra¨ge durch den Kla¨ger begru¨ndete kein Ein-
versta¨ndnis; vielmehr war die Vera¨ußerung des Pflegediensts
einschließlich des Abschlusses von Anschlussvertra¨gen durch
einen U¨ bernehmer eine bereits la¨ngere Zeit im Raum stehende
Option des Insolvenzverwalters.
21
I
cc)
Eine Wettbewerbsverletzung durch den Beklagten ist auch nicht
deshalb ausgeschlossen, weil der Kla¨ger mit Herrn H am 29. 12. 2009
einen U¨ bernahmevertrag geschlossen hat und darin ein Betriebsu¨b-
ergang liege. Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen der tatsa¨ch-
lichen Voraussetzungen eines Betriebsu¨bergangs
7
ergeben ko¨nnten, hat
das LAG nicht getroffen und sind dem Vorbringen des Kla¨gers auch
nicht zu entnehmen.
22
I
2.
Ob und in welchem Umfang der Kla¨ger vom Beklagten
Schadensersatz verlangen kann, steht noch nicht fest.
23
I
a)
Gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 HGB kann der Arbeitgeber Zahlung
von Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitnehmer gegen die Pflicht
zur Unterlassung von Konkurrenz versto¨ßt. Da im Streitfall die Verlet-
zungshandlung feststeht, muss der Beklagte unter den Voraussetzungen
des § 249 ff. BGB Schadensersatz leisten. Insoweit mangelt es an Tat-
sachenfeststellungen im angefochtenen Urteil. Ferner ist die in Betracht
kommende Scha¨tzung des Schadens nach § 287 ZPO grundsa¨tzlich
dem Tatsachengericht vorbehalten. Deshalb musste der Rechtsstreit an
das LAG zuru¨ckverwiesen werden. Das LAG wird bei seiner erneuten
Beurteilung folgende Gesichtspunkte beru¨cksichtigen mu¨ssen.
24 . . . 26
I
aa)
Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Scha-
densersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen
wu¨rde, wenn der zumErsatz verpflichtende Umstand nicht einge-
treten wa¨re (
Naturalrestitution
). Ist die Herstellung nicht mo¨glich
oder zur Entscha¨digung des Gla¨ubigers nicht genu¨gend, hat der
Ersatzpflichtige den Gla¨ubiger in Geld zu entscha¨digen,§ 251
Abs. 1 BGB. Ob ein Vermo¨gensschaden vorliegt, ist nach der Dif-
ferenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegru¨n-
denden Ereignisses eingetretenen Vermo¨genslage mit derjenigen,
die sich ohne dieses Ereignis ergeben ha¨tte, zu beurteilen
8
. Nach
§ 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgan-
genen Gewinn, welcher nach dem gewo¨hnlichen Lauf der Dinge
oder nach den besonderen Umsta¨nden, insbesondere nach den ge-
troffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit
erwartet werden konnte
9
. . . (wird ausgefu¨hrt)
27
I
b)
Im Streitfall hat der Kla¨ger geltend gemacht, er habe fu¨r die Ver-
a¨ußerung des Pflegediensts A wegen der unerlaubten Konkurrenz durch
den Beklagten nur einen sehr geringen Preis erzielen ko¨nnen. Er ha¨tte
bei Abschluss von Anschlusspflegevertra¨gen mit allen Kunden einen
durchschnittlichen Monatsumsatz zugunsten der Masse erhalten. Das
ist im Grundsatz nachvollziehbar und legt die Schlussfolgerung nahe,
dass jedenfalls im Rahmen des § 287 ZPO vom Eintritt eines Schadens
auszugehen sein wird. . . . (wird ausgefu¨hrt)
Hinweise des Senats:
Besta¨tigung von BAG vom 16. 6. 1976 – 3 AZR
73/75, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treue-
pflicht Nr. 1
Redaktioneller Hinweis:
Volltext unter DB0583649.
6 BAG vom 16. 6. 1976, a.a.O (Fn. 2), zu II. 2. b).
7 Vgl. zuletzt BAG vom 21. 6. 2012 – 8 AZR 243/11, Rdn. 26 bis 29.
8 BAG vom 15. 9. 2011 – 8 AZR 846/09, Rdn. 47, DB0466205 = AP BGB § 280
Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4, m. w. N.; BGH vom 18.
1. 2011 – VI ZR 325/09, Rdn. 8, DB0403899, BGHZ 188 S. 78, m. w. N.
9 BAG vom 26. 9. 2012 – 10 AZR 370/10, DB 2013 S. 122, Rdn. 18 bis 20.
Ku¨ndigungsrecht
Sonderku¨ndigungsschutz einer Vertrauensperson
der schwerbehinderten Menschen
Erfordernis vorheriger Zustimmung des Betriebsrats – kein Er-
fordernis der Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung –
Heimlicher Mitschnitt eines Personalgespra¨chs „an sich“ geeig-
net, außerordentliche Ku¨ndigung zu rechtfertigen
KSchG § 15 Abs. 2; BGB § 241 Abs. 2, § 626; SGB IX § 96 Abs. 3
Satz 1
Die Ku¨ndigung des Arbeitsverha¨ltnisses einer Vertrauensper-
son der schwerbehinderten Menschen bedarf gem. § 96
Abs. 3 Satz 1 SGB IX i. V. mit § 103 BetrVG bzw. den maßgeb-
lichen personalvertretungsrechtlichen Vorschriften der Zu-
stimmung des Betriebs- bzw. Personalrats. Einer Zustim-
mung der Schwerbehindertenvertretung bedarf es nicht.
BAG-Urteil vom 19. 7. 2012 – 2 AZR 989/11
u
DB0572789
Die Parteien streiten u¨ber die Wirksamkeit einer außerordentlichen
Ku¨ndigung.
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Arbeitsrecht
1057
1...,55,56,57,58,59,60,61,62,63,64 66,67,68,69,70,71,72,73,74,75,...84