Betriebliche Altersversorgung
Hinterbliebenenversorgung des Lebenspartners
eines Dienstordnungsangestellten
Anspruch auf Versorgung entsprechend der eines verheirateten
Ehepartners – Anderenfalls unmittelbare Diskriminierung we-
gen des Geschlechts – Verstoß gegen die RL 2000/78/EG –
U¨ bereinstimmung mit der Regelung im Grundgesetz – Besta¨ti-
gung der Rechtsprechung des BAG und des BVerwG
GG Art. 6 Abs. 1; BeamtVG §§ 18 ff., § 28; LPartG §§ 5, 9, 20;
AEUV Art. 157 Abs. 2, Art. 288 Abs. 3; RL 2000/78/EG vom
27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens fu¨r die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Bescha¨ftigung und Be-
ruf (ABlEG L 303 vom 2. 12. 2000 S. 16) Art. 1, 2 Abs. 2
Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16, 18 Satz 1
1. Sieht die Dienstordnung einer Berufsgenossenschaft fu¨r die
Hinterbliebenenversorgung die entsprechende Geltung der
Vorschriften u¨ber die Versorgung fu¨r Beamte des Bundes vor,
so hat der hinterbliebene eingetragene Lebenspartner des
Dienstordnungsangestellten seit dem 1. 1. 2005 einen An-
spruch auf Hinterbliebenenversorgung wie Hinterbliebene
verheirateter Dienstordnungsangestellter.
2. Der Ausschluss des eingetragenen Lebenspartners von der
Gewa¨hrung der Hinterbliebenenversorgung gegenu¨ber der
Gewa¨hrung einer solchen an hinterbliebene Ehepartner stellt
eine nicht gerechtfertigte unmittelbare Diskriminierung we-
gen der sexuellen Ausrichtung dar und versto¨ßt gegen die
RL 2000/78/EG des Rates vom 27. 11. 2000 zur Festlegung
eines allgemeinen Rahmens fu¨r die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Bescha¨ftigung und Beruf (ABlEG L 303
vom 2. 12. 2000 S. 16).
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Urteil vom 11. 12. 2012 – 3 AZR 684/10
u
DB0590476
Die Parteien streiten daru¨ber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den
Kla¨ger eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.
Der Kla¨ger begru¨ndete mit dem bei der Beklagten als Dienstordnungs-
angestellter bescha¨ftigten B am 13. 11. 2003 eine Lebenspartnerschaft.
B verstarb am 12. 9. 2007.
Nach § 6 der Dienstordnung der Beklagten gelten fu¨r die Versorgung
die Vorschriften fu¨r die Beamten des Bundes entsprechend.
Der Kla¨ger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Hinterbliebe-
nenversorgung. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG (Nie-
dersachsen – 3 Sa 540/10 B) hat die Berufung der Beklagten zuru¨ck-
gewiesen. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 11
I
I.
. . .
II.
Der Kla¨ger kann von der Beklagten verlangen,
dass sie an ihn fu¨r die Zeit vom 1. 10. 2007 bis 31. 12. 2008 eine
Hinterbliebenenversorgung in demselben Umfang leistet, wie
dies die Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes fu¨r ei-
nen hinterbliebenen Ehepartner vorsehen.
Der Anspruch ergibt sich nach der fu¨r die Parteien maßgeb-
lichen Dienstordnung
12 . . . 13
I
1.
§ 6 Abs. 1 der auf das Arbeitsverha¨ltnis des verstor-
benen Dienstordnungsangestellten B und der Beklagten an-
wendbaren Dienstordnung sicherte dem verstorbenen B eine
Versorgung entsprechend den „Vorschriften fu¨r Beamte des
Bundes“ zu. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auch
noch zum Zeitpunkt des Todes von B im September 2007 galt
§ 85 BBG
1
, der auf das Beamtenversorgungsgesetz verwies. Die-
ses Gesetz ist deshalb fu¨r die Versorgung des Kla¨gers als hinter-
bliebenem eingetragenen Lebenspartner von B im hier streit-
gegensta¨ndlichen Zeitraum maßgeblich. § 19 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 und Nr. 2 BeamtVG sah in seiner bis zum 31. 12. 2008
geltenden Fassung eine Hinterbliebenenversorgung nur fu¨r Ehe-
partner, nicht aber fu¨r eingetragene Lebenspartner vor.
Unterscheidung zwischen Ehe- und eigetragenen Lebenspart-
nern im Beamtenversorgungsgesetz steht dem nicht entgegen
14
I
2.
Diese im Arbeitsvertrag i. V. mit der Dienstordnung der
Beklagten und dem Beamtenversorgungsgesetz angelegte Unter-
scheidung zwischen Ehepartnern und eingetragenen Lebens-
partnern ha¨lt jedoch einer Pru¨fung anhand der RL 2000/78/EG
nicht stand mit der Folge, dass der Kla¨ger so zu behandeln ist,
als wa¨re er mit dem verstorbenen Dienstordnungsangestellten B
verheiratet gewesen.
Nach der RL 2000/78/EG ist der Kla¨ger im Ergebnis so zu be-
handeln, als wa¨re er verheiratet gewesen
15
I
a)
Der Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG ist ero¨ffnet. Der
streitgegensta¨ndliche Anspruch fa¨llt in den Geltungsbereich dieser RL,
weil die Hinterbliebenenversorgung ein Bestandteil des Arbeitsentgelts
nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der RL 2000/78/EG ist. Unter Arbeitsent-
gelt i. S. dieser Regelung sind nach Art. 157 Abs. 2 AEUV u. a. Geha¨l-
ter und alle sonstigen Vergu¨tungen zu verstehen, die der Arbeitgeber
aufgrund des Dienstverha¨ltnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder
mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.
16
I
Die Geltung der RL 2000/78/EG fu¨r den vorliegenden Fall wird
auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Gewa¨hrung der Hinterblie-
benenversorgung u. a. davon abha¨ngt, in welchem Familienstand der
Dienstordnungsangestellte lebt. Zwar la¨sst die RL 2000/78/EG nach
ihrem Erwa¨gungsgrund 22 einzelstaatliche Rechtsvorschriften u¨ber den
Familienstand und davon abha¨ngige Leistungen unberu¨hrt. Gleichwohl
fa¨llt die Hinterbliebenenversorgung aufgrund ihres Entgeltcharakters in
den Geltungsbereich der RL 2000/78/EG
2
.
Ausschluss von Lebenspartnern ist eine unmittelbare Diskrimi-
nierung
17
I
b)
Der Ausschluss der Lebenspartner i. S. des Gesetzes
u¨ber die eingetragene Lebenspartnerschaft von der Gewa¨hrung
der Hinterbliebenenversorgung gegenu¨ber der Gewa¨hrung die-
ser Versorgungsleistung an hinterbliebene Ehepartner eines
Dienstordnungsangestellten stellt jedenfalls ab dem 1. 1. 2005
eine unmittelbare Diskriminierung i. S. des RL 2000/78/EG
dar
3
.
18
I
aa)
Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der RL 2000/78/EG liegt
eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen
eines der in Art. 1 genannten Gru¨nde in einer vergleichbaren Si-
tuation eine weniger gu¨nstige Behandlung als eine andere Person
erfa¨hrt. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu entscheiden, ob
eine vergleichbare Situation gegeben ist
4
.
1 Aufgehoben mit Wirkung zum 12. 2. 2009 durch Art. 17 Abs. 11 des Dienst-
rechtsneuordnungsgesetzes vom 5. 2. 2009, BGBl. I S. 160.
2 EuGH vom 1. 4. 2008 – Rs. C-267/06, Maruko, Rdn. 58 f., EuGHE 2008
S. I-1757 = DB0308304; BVerwG vom 28. 10. 2010 – 2 C 47.09, Rdn. 13, ZTR
2011 S. 192.
3 Vgl. zur Beamtenversorgung ab dem 1. 7. 2009: BVerwG vom 28. 10. 2010,
a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 14.
4 EuGH vom 1. 4. 2008, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 72 f.; BVerwG vom 28. 10. 2010,
a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 15.
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Arbeitsrecht
1063