28
I
a)
Das Zustimmungserfordernis ergibt sich nicht schon aus
der Betriebsratsta¨tigkeit des Kla¨gers am 14. 4. 2011. Der Ver-
hinderungsfall, der dieser Ta¨tigkeit zugrunde lag, na¨mlich die
Ortsabwesenheit des ordentlichen Betriebsratsmitglieds Herrn
H, endete mit diesem Tag. Am 15. 4. 2011 arbeitete Herr H
wieder. Der Kla¨ger konnte sich aufgrund seiner Betriebsratsta¨-
tigkeit am 14. 4. 2011 demzufolge nur auf den nachwirkenden
Ku¨ndigungsschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG berufen,
ohne dass es auch der Zustimmung des Betriebsrats bedurft
ha¨tte
7
.
29
I
b)
Der Kla¨ger war am 16. 4. 2011 noch nicht erneut in den
Betriebsrat nachgeru¨ckt.
30
I
aa)
Das LAG hat keine Umsta¨nde festgestellt, aufgrund derer am
16. 4. 2011 eine Verhinderung des ordentlichen Betriebsratsmitglieds
Herrn H vorgelegen ha¨tte. Herr H hatte Erholungsurlaub erst ab dem
18. 4. 2011. . . .
31
I
bb)
Herr H war am 16. 4. 2011 nicht deshalb i. S. von § 25
Abs. 1 Satz 2 BetrVG zeitweilig verhindert, weil er arbeitsfrei
hatte. Anders als im Fall bewilligten Erholungsurlaubs ist einem
Betriebsratsmitglied die Wahrnehmung von Betriebsratsaufga-
ben außerhalb der perso¨nlichen Arbeitszeit nicht grundsa¨tzlich
unzumutbar
8
. Es muss vielmehr ein tatsa¨chlicher Verhin-
derungsgrund vorliegen und vom Ersatzmitglied, das sich auf
ein Nachru¨cken und das Eingreifen von Sonderku¨ndigungs-
schutz gem. § 103 BetrVG beruft, dargelegt werden. Daran fehlt
es im Streitfall.
Ein Verstoß gegen das betriebliche Rauchverbot kann eine
außerordentliche Ku¨ndigung rechtfertigen, . . .
32 . . . 33
I
II.
Die außerordentliche Ku¨ndigung vom 15. 4. 2011
erfolgte aus wichtigern Grund i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 2
KSchG, § 626 Abs. 1 BGB. Dies hat das LAG fehlerfrei er-
kannt.
34 . . . 35
I
1.
. . .
2.
Danach hat das LAG zu Recht angenom-
men, das Verhalten des Kla¨gers rechtfertige „an sich“ eine au-
ßerordentliche Ku¨ndigung. Der Kla¨ger hat gegen das Rauch-
verbot im Betrieb der Beklagten verstoßen und damit seine
Nebenpflichten aus dem Arbeitsverha¨ltnis erheblich verletzt.
Umsta¨nde, aus denen sich die Unwirksamkeit des Verbots er-
geben ko¨nnte, sind nicht dargetan. Sie sind auch objektiv
nicht erkennbar
9
. Es handelt sich um ein Rauchverbot aus Si-
cherheitsgru¨nden. Die Beklagte hat eine aufgrund der Brand-
gefahr in ihrem Betrieb bestehende besondere Gefahrensituati-
on zum Anlass genommen, unter Wahrung der Mitbestim-
mungsrechte des Betriebsrats das Rauchverbot zu erlassen. Die
dazu bestehenden Regelungen galten absolut. Danach war das
Rauchen ausschließlich in den markierten Raucherzonen ge-
stattet.
. . . dabei sind die Umsta¨nde des Einzelfalls zu beru¨cksichtigen
und die beiderseitigen Interessen abzuwa¨gen
36
I
3.
Die Ku¨ndigung ist auch unter Beru¨cksichtigung der Um-
sta¨nde des Einzelfalls und unter Abwa¨gung der beiderseitigen
Interessen gerechtfertigt.
37. . . 38
I
a)
. . .
b)
Die Umsta¨nde, anhand derer zu beurteilen ist, ob
dem Arbeitgeber die Weiterbescha¨ftigung zumutbar ist oder
nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu beru¨cksichtigen
sind aber regelma¨ßig das Gewicht und die Auswirkungen einer
Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeit-
nehmers, eine mo¨gliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer
des Arbeitsverha¨ltnisses und dessen sto¨rungsfreier Verlauf
10
. . . .
39 . . . 40
I
c)
. . .
d)
Danach la¨sst die Einzelfallpru¨fung und Inte-
ressenabwa¨gung des LAG, bei der ihm ein Beurteilungsspiel-
raum zukommt
11
, keinen Rechtsfehler erkennen.
41
I
aa)
Das LAG hat angenommen, auch unter Beru¨cksichtigung der
Dauer der Betriebszugeho¨rigkeit des Kla¨gers, seines Alters und seiner Un-
terhaltspflichten u¨berwo¨gen die Interessen der Beklagten an einer soforti-
gen Beendigung des Arbeitsverha¨ltnisses. Der Kla¨ger habe selbst dann,
wenn er entsprechend seiner Behauptung nur vier bis fu¨nf Meter von
der Raucherzone entfernt geraucht habe, die Markierung nicht nur ver-
sehentlich oder geringfu¨gig u¨bertreten, sondern bewusst gegen das
Rauchverbot verstoßen. Auch wenn er dadurch konkret keine Brandge-
fahr ausgelo¨st habe, wiege der Verstoß schwer. Die Beklagte sei darauf an-
gewiesen, dass die Raucherzonen eingehalten wu¨rden. Bei einem Brand
drohten erhebliche Personen- und Sachscha¨den. Dennoch habe der Kla¨-
ger beharrlich außerhalb der Raucherzone geraucht. Er habe bewusst seine
eigene Einscha¨tzung der Sicherheitserfordernisse an die Stelle derjenigen
gesetzt, die von der Beklagten im Einvernehmen mit dem Sicherheits-
beauftragten und dem Betriebsrat gefunden worden sei. Im Ku¨ndigungs-
zeitpunkt sei davon auszugehen gewesen, dass er dieses Verhalten wieder-
holen werde. Das habe die Beklagte zum Schutz der u¨brigen Belegschaft
auch nur fu¨r den Lauf der fiktiven Ku¨ndigungsfrist nicht akzeptieren ko¨n-
nen. Der Kla¨ger sei mehrfach einschla¨gig abgemahnt worden. Unter kei-
nem Gesichtspunkt habe es einer weiteren Abmahnung bedurft, um ihm
die sich aus einer Wiederholung des Verhaltens ergebenden nachteiligen
Folgen fu¨r den Bestand des Arbeitsverha¨ltnisses aufzuzeigen.
42
I
bb)
Dies ha¨lt einer revisionsrechtlichen U¨ berpru¨fung stand. Das
LAG hat alle relevanten Umsta¨nde des Einzelfalls beru¨cksichtigt und
vertretbar gegeneinander abgewogen.
43
I
(1)
Ohne Rechtsfehler hat es eine Weiterbescha¨ftigung des
Kla¨gers auch nur bis zum Ablauf der fiktiven Ku¨ndigungsfrist
insbes. aufgrund der Beharrlichkeit seiner Pflichtverletzungen
und der nicht ausgera¨umten Wiederholungsgefahr fu¨r unzumut-
bar gehalten. . .
44
I
(2)
Das LAG hat den Abmahnungen wegen fru¨herer Ver-
sto¨ße des Kla¨gers gegen das Rauchverbot zu Recht eine hinrei-
chende Warnfunktion entnommen.
45
I
(a)
Der Arbeitgeber muss fu¨r den Wiederholungsfall nicht
ausdru¨cklich (
auch
) eine außerordentliche Ku¨ndigung androhen.
Es reicht aus, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, dass bei
einem erneuten Verstoß der Bestand des Arbeitsverha¨ltnisses ge-
fa¨hrdet ist
12
. . . . (wird ausgefu¨hrt)
48 . . . 50
I
(3)
Die Wu¨rdigung des LAG, der Kla¨ger habe beharrlich ge-
gen das betriebliche Rauchverbot verstoßen, steht nicht im Widerspruch
zu seiner Annahme, dem abgemahnten Verhalten vom 22. 9. 2009 ko¨n-
ne schlichte Nachla¨ssigkeit zugrunde gelegen haben. Der Kla¨ger hatte
das Rauchverbot außerdem schon drei weitere Male verletzt und dies
trotz der Abmahnungen wiederholt.
51
I
III.
Die Ku¨ndigung ist nicht wegen fehlerhafter Betriebs-
ratsanho¨rung gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. . . .
Hinweise des Senats:
Zu OS 1 und 2: Anschl. an BAG vom 8. 9. 2011
– 2 AZR 388/10, DB 2012 S. 582 = AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70.
Redaktioneller Hinweis:
Volltext unter DB0581523.
7 Vgl. BAG vom 8. 9. 2011, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 19; vom 18. 5. 2006 – 6 AZR
627/05, Rdn. 22 f., DB 2006 S. 2693 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5., m. w. N.
8 Vgl. fu¨r den Fall der einseitigen Freistellung von der Arbeit BAG vom 8. 9.
2011, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 46.
9 Zur Eignung eines Verstoßes gegen ein wirksames Rauchverbot als wichtiger
Grund vgl. ErfK/
Mu¨ller-Glo¨ge
, 12. Aufl. § 626, BGB Rdn. 127; KR-
Fischer-
meier
, 9. Aufl. § 626, Rdn. 440.
10 BAG vom 19. 7. 2012 – 2 AZR 989/11, DB0569872, Rdn. 43; vom 9. 6. 2011
– 2 AZR 323/10, Rdn. 27, DB 2011 S. 2609 = AP BGB § 626 Nr. 236.
11 Dazu BAG vom 19. 7. 2012, a.a.O. (Fn. 10), Rdn. 45; vom 9. 6. 2011, a.a.O.
(Fn. 10), Rdn. 29.
12 BAG vom 19. 4. 2012 – 2 AZR 258/11, DB 2012 S. 2404, Rdn. 23.
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013