Entscheidungen
Arbeitsvertrags-/Wettbewerbs-/Verfahrensrecht
Konkurrenzta¨tigkeit des Arbeitnehmers: Darle-
gungs- und Beweislast fu¨r eine Einwilligung des
Arbeitgebers liegt beim Arbeitnehmer
Konkurrenzta¨tigkeit wa¨hrend des Arbeitsverha¨ltnisses – Ab-
grenzung zu Vorbereitungshandlungen
BGB § 249 ff.; HGB §§ 60, 61; ZPO §§ 287, 539
1. Der Arbeitnehmer darf auch dann keine Konkurrenzgescha¨f-
te ta¨tigen, wenn sicher ist, dass der Arbeitgeber den vom Ar-
beitnehmer betreuten Bereich oder die betreffenden Kunden
nicht erreichen wird. Die Darlegungs- und Beweislast fu¨r
eine Einwilligung des Arbeitgebers tra¨gt der Arbeitnehmer.
2. Zur Schlu¨ssigkeit der Darlegung eines Verstoßes gegen das
Konkurrenzverbot ist es ausreichend, wenn der Arbeitgeber
vortra¨gt, der Arbeitnehmer habe vor Beendigung des Ar-
beitsverha¨ltnisses Vertra¨ge mit Kunden des Arbeitgebers ab-
geschlossen. Der Arbeitgeber muss weder vortragen, unter
welchen na¨heren Umsta¨nden die betreffenden Vertrags-
schlu¨sse zustande kamen, noch, dass er Aussichten hatte,
die vom Arbeitnehmer an sich gezogenen Vertra¨ge selbst ab-
zuschließen, noch, dass er mit der Konkurrenzta¨tigkeit nicht
einverstanden war.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Versa¨umnisurteil vom 16. 1. 2013 – 10 AZR 560/11
u
DB0588162
Der Kla¨ger, Insolvenzverwalter u¨ber das Vermo¨gen der Insolvenz-
schuldnerin Frau N (
vormals handelnd unter „Ha¨usliche Krankenpflege A“,
im Folgenden: Pflegedienst A
), nimmt den Ehemann und langja¨hrigen
Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin, Herrn D, auf Schadensersatz
wegen Wettbewerbsverletzungen in Anspruch. Nachdem am 2. 4. 2008
das Insolvenzverfahren u¨ber das Vermo¨gen der Insolvenzschuldnerin
ero¨ffnet worden war, erstrebte der Kla¨ger als Insolvenzverwalter wieder-
holt die Stilllegung des Betriebs. Dazu kam es jedoch zuna¨chst nicht.
Der Kla¨ger stellte Zeitarbeitskra¨fte und den – zuvor schon bei der Insol-
venzschuldnerin bescha¨ftigten – Beklagten ein und fu¨hrte mit Hilfe der
Insolvenzschuldnerin den Gescha¨ftsbetrieb weiter. Versuche des Kla¨-
gers, u¨ber Stellenanzeigen neue Mitarbeiter zu gewinnen, schlugen fehl.
Mit Schreiben vom 23. 12. 2009 teilte die Insolvenzschuldnerin dem
Kla¨ger mit, sie werde den Betrieb zum 31. 12. 2009 einstellen, da sie
u¨ber zu wenig Personal verfu¨ge. Daraufhin ku¨ndigte der Kla¨ger sa¨mt-
liche Pflegevertra¨ge zum 31. 12. 2009. Unter dem 23. 12. 2009 ku¨ndig-
te der Beklagte sein Arbeitsverha¨ltnis mit dem Kla¨ger zum 31. 1. 2010.
Mit „U¨ bernahmevertrag“ vom 29. 12. 2009 vera¨ußerte der Kla¨ger den
Pflegedienst A an Herrn H. In dem Vertrag heißt es u. a.: „Der Erwer-
ber u¨bernimmt die derzeitigen Betreuungsvertra¨ge per 1. 1. 2010 und
zahlt hierfu¨r als Entgelt einen durchschnittlichen Monatsumsatz, aus-
gehend von der Vergu¨tung der letzten Monate mithin der Monate Juli
bis Dezember 2009.“
Die Insolvenzschuldnerin erzielte in den Monaten Juli 2009 bis Okto-
ber 2009 einen Umsatz von insges. 123.838,55 €. Aus dem U¨ bernah-
mevertrag realisierte der Kla¨ger lediglich 471,35 Euro. Beginnend mit
dem 1. 1. 2010 gru¨ndete der Beklagte unter dem Namen „P“ einen eige-
nen Pflegedienst, stellte zu diesem Zweck zwei Mitarbeiter ein und
schloss vor dem 1. 1. 2010 neun Pflegevertra¨ge mit Patienten ab, die zu-
vor Kunden des Pflegediensts A waren.
Der Kla¨ger hat im Wesentlichen vorgetragen, es ha¨tten sich zwei Per-
sonen auf seine Ende 2009 aufgegebenen Stellenanzeigen gemeldet.
Diese ha¨tten aber bei dem Beklagten einen Vertrag unterzeichnet. Der
Beklagte habe sa¨mtliche Patienten der Insolvenzschuldnerin fu¨r seinen
neuen Pflegedienst u¨bernommen. Wa¨re dies nicht geschehen, ha¨tten
die Patienten sich zwangsla¨ufig mit dem Pflegedienst H fu¨r eine kurz-
fristige Fortfu¨hrung der Pflege in Verbindung setzen mu¨ssen, sodass
nach der U¨ bernahmevereinbarung ein ho¨heres Entgelt aus dem Verkauf
des Pflegedienstes A ha¨tte erzielt werden ko¨nnen. Mit Herrn H sei ver-
einbart gewesen, dass er – der Kla¨ger – die Patientenpflegevertra¨ge ku¨n-
dige und diese dann dem Pflegedienst H vermittle. Diese Vermittlung
habe der Beklagte durch seine U¨ bernahme der Patientenvertra¨ge un-
mo¨glich gemacht. Unter Beru¨cksichtigung der letzten aufgekla¨rten Um-
sa¨tze, wobei im November und Dezember 2009 von zumindest gleich-
bleibenden Umsa¨tzen auszugehen sei, ha¨tte er – der Kla¨ger – aus dem
U¨ bernahmevertrag 30.939,95 Euro erzielen ko¨nnen, sodass sich sein
Schaden auf insgesamt 30.468,24 Euro belaufe.
Die Vorinstanzen (zuletzt LAG Du¨sseldorf – 11 Sa 27/11) haben die
Klage abgewiesen. Auf die Revision hat das BAG die Sache zuru¨ckver-
wiesen.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 12
I
I.
Mit der von ihm gegebenen Begru¨ndung durfte das
LAG die auf Leistung von Schadensersatz gerichtete Klage nicht
abweisen. Der Beklagte hat seine Pflicht zur Unterlassung von
Konkurrenzta¨tigkeiten wa¨hrend des Arbeitsverha¨ltnisses verletzt
(§ 60 HGB). Ob und in welchem Umfang der Kla¨ger vom Be-
klagten Schadensersatz verlangen kann (§ 61 Abs. 1 HGB),
steht noch nicht fest. . . .
13
I
1.
Der Beklagte hat gegen das vertragliche Konkurrenzverbot ver-
stoßen. Die Auffassung des LAG, der Kla¨ger habe insoweit nicht aus-
reichend vorgetragen, trifft . . . nicht zu. . . . (wird ausgefu¨hrt)
Wa¨hrend des Arbeitsverha¨ltnisses ist einem Arbeitnehmer eine
Konkurrenzta¨tigkeit zum Nachteil des Arbeitgebers untersagt
14
I
a)
Wa¨hrend des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverha¨lt-
nisses ist einem Arbeitnehmer grundsa¨tzlich jede Konkurrenzta¨-
tigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt
1
. Durch
gleichwohl entfaltete Konkurrenzta¨tigkeiten – einschließlich des
Abwerbens von Arbeitnehmern und Kunden – versto¨ßt der Ar-
beitnehmer gegen seine vertraglichen Pflichten.
15 . . . 16
I
aa)
. . .
bb)
Der Arbeitnehmer darf auch dann keine Kon-
kurrenzgescha¨fte ta¨tigen, wenn sicher ist, dass der Arbeitgeber den
vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder die betreffenden Kun-
den nicht erreichen wird
2
. Die Darlegungs- und Beweislast fu¨r ei-
ne Einwilligung des Arbeitgebers tra¨gt der Arbeitnehmer
3
.
Ohne nachvertragliches Wettbewerbsverbot sind bloße Vor-
bereitungshandlungen erlaubt
17
I
cc)
Allerdings darf der Arbeitnehmer, wenn ein nachvertragli-
ches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist,
schon vor Beendigung des Arbeitsverha¨ltnisses fu¨r die Zeit nach
seinem Ausscheiden die Gru¨ndung eines eigenen Unternehmens
oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorberei-
ten
4
. Verboten ist aber die Aufnahme einer werbenden Ta¨tigkeit,
z. B. durch Vermittlung von Konkurrenzgescha¨ften oder aktives
Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern. Bloße Vorberei-
tungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht un-
mittelbar eingreifen, erfu¨llen diese Voraussetzungen nicht
5
.
1 St. Rspr., BAG vom 28. 1. 2010 – 2 AZR 1008/08, Rdn. 22, DB 2010 S. 1709;
vom 26. 6. 2008 – 2 AZR 190/07, Rdn. 15, DB 2008 S. 2544, m. w. N.
2 BAG vom 16. 6. 1976 – 3 AZR 73/75, DB 1977 S. 308 zu II. 1.
3 BAG vom 16. 6. 1976, a.a.O. (Fn. 2), zu II. 2. b).
4 Vgl. BAG vom 26. 6. 2008, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 15, m. w. N.
5 BAG vom 26. 6. 2008 , a.a.O. (Fn. 1).
1056
Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013