lichen Vorschriften der Zustimmung des Betriebs- oder Per-
sonalrats. Der Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung
bedarf sie nicht.
19
I
aa)
Schon nach dem Wortlaut von § 96 Abs. 3 Satz 1
SGB IX ist dieses Versta¨ndnis das na¨her liegende. Die Regelung
bestimmt, dass die Vertrauenspersonen die „gleiche perso¨nliche
Rechtsstellung“ wie Mitglieder des Betriebs- oder Personalrats
besitzen. Sie entha¨lt damit eine Rechtsfolgenverweisung. Es
wird der Anwendungsbereich von § 15 KSchG und § 103
BetrVG bzw. den entsprechenden personalvertretungsrecht-
lichen Regelungen auf die Vertrauenspersonen der schwerbehin-
derten Menschen erstreckt. Die Bestimmung des § 96 Abs. 3
Satz 1 SGB IX ordnet dagegen nicht etwa eine „entsprechende
Anwendung“ der Regelungen u¨ber den Sonderku¨ndigungsschutz
fu¨r Betriebs- oder Personalratsmitglieder an. Zwar wa¨re vom
Wortsinn wohl auch diese Auslegung noch umfasst: Eine „glei-
che“ muss nicht eine „identische“ Rechtsstellung bedeuten. Den-
noch legt die Anordnung der „gleichen perso¨nlichen Rechtsstel-
lung“ eine Gleichbehandlung auch in Verfahrensfragen nahe.
20
I
bb)
Der Entstehungsgeschichte des Ku¨ndigungsschutzes fu¨r die Ver-
trauenspersonen der schwerbehinderten Menschen lassen sich ebenfalls
keine eindeutigen Hinweise fu¨r die Auslegung entnehmen. Auch sie
spricht aber eher fu¨r das hier vertretene Versta¨ndnis . . . (wird ausgefu¨hrt).
21 . . . 24
I
(1)
. . .
cc)
Sinn und Zweck des besonderen Ku¨ndigungs-
schutzes stehen dem Versta¨ndnis der Rechtsprechung nicht entgegen
. . . (wird ausgefu¨hrt).
25 . . . 31
I
(1)
. . .
dd)
Entscheidend fu¨r die zutreffende Auslegung
von § 96 Abs. 3 Satz 1 SGB IX sind systematische Erwa¨gungen.
Den Regelungen der §§ 94 ff. SGB IX insgesamt la¨sst sich an
keiner Stelle ein Hinweis darauf entnehmen, auf die außer-
ordentliche Ku¨ndigung des Arbeitsverha¨ltnisses einer Vertrau-
ensperson der Schwerbehinderten seien § 103 BetrVG bzw. die
entsprechenden personalvertretungsrechtlichen Vorschriften le-
diglich sinngema¨ß anzuwenden, sodass ihr nicht der Betriebs-
oder Personalrat, sondern die Schwerbehindertenvertretung,
d. h. praktisch deren – ggf. erstes – stellvertretendes Mitglied,
zustimmen mu¨sse. Es gibt schlechthin keinen Anhaltspunkt fu¨r
die Annahme, § 96 Abs. 3 Satz 1 SGB IX wolle die Vertrauens-
personen der schwerbehinderten Menschen mit der Anordnung
der „gleichen perso¨nlichen Rechtsstellung“ nicht nur gleichsam
in die Aufza¨hlung der geschu¨tzten Personen in § 15 Abs. 1,
Abs. 2 KSchG aufnehmen, sondern ku¨ndigungsrechtlich – gera-
de ungleich diesen – einem eigensta¨ndigen Gremium unterstel-
len. Hinweise gibt es fu¨r das Gegenteil . . . (wird ausgefu¨hrt).
32 . . . 37
I
(1)
. . .
3.
Rechtsfehlerfrei hat das LAG entschieden,
die außerordentliche Ku¨ndigung vom 19. 4. 2010 beruhe auf
einem wichtigen Grund i. S. von § 15 Abs. 2 KSchG, § 626
Abs. 1 BGB . . . (wird ausgefu¨hrt).
Die außerordentliche Ku¨ndigung eines Betriebsratsmitglieds
muss sich auf eine Verletzung aus dem Arbeitsverha¨ltnis stu¨t-
zen – Andernfalls kommt bei einer Amtspflichtverletzung § 23
BetrVG in Betracht
38 . . . 39
I
a)
. . .
b)
Stu¨tzt der Arbeitgeber den wichtigen Grund i. S.
von § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB bei einem Betriebs-
ratsmitglied auf dessen Verhalten, muss dieses sich als Verletzung
von Pflichten aus dem Arbeitsverha¨ltnis darstellen. Ist einem Be-
triebsratsmitglied dagegen ausschließlich eine Verletzung seiner
Amtspflichten vorzuwerfen, ist nur ein Ausschlussverfahren nach
§ 23Abs. 1 BetrVGmo¨glich. EinVerhalten verletzt ausschließlich
Amtspflichten, wenn das Betriebsratsmitglied lediglich „kollektiv-
rechtliche“ Pflichten verletzt hat. Versto¨ßt es sowohl gegen solche
als auch gegen eine fu¨r alle Arbeitnehmer gleichermaßen geltende
vertragliche Pflicht, liegt – jedenfalls auch – eine Vertragspflicht-
verletzung vor
9
. Diese Grundsa¨tze gelten gem. § 96 Abs. 3
SGB IX entsprechend fu¨r eine auf Gru¨nde im Verhalten einer
Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gestu¨tzte au-
ßerordentliche Ku¨ndigung.
Fu¨r die Bewertung der Pflichtverletzung ist auch bei einer Ver-
letzung der Vertraulichkeit des Wortes nicht die strafrechtliche
Wu¨rdigung entscheidend
40
I
c)
Danach hat das LAG zu Recht angenommen, das Verhalten
des Kla¨gers rechtfertige „an sich“ eine außerordentliche Ku¨ndi-
gung. Der Kla¨ger hat am 16. 8. 2006 heimlich ein zwischen ihm
und Herrn B gefu¨hrtes Personalgespra¨ch aufgezeichnet. Dabei
kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Wu¨rdigung
an (vgl. § 201 StGB). Maßgeblich ist die mit diesem Verhalten
verbundene Verletzung der dem Kla¨ger nach § 241 Abs. 2 BGB
obliegenden Pflicht zur Ru¨cksichtnahme auf die berechtigten In-
teressen des Beklagten. Dieser hat seine Mitarbeiter bei der Aus-
u¨bung ihrer Ta¨tigkeit auch imHinblick auf die Vertraulichkeit des
Wortes zu schu¨tzen. Das nicht o¨ffentlich gesprochene Wort eines
anderen darf – auch im Betrieb – nicht heimlich mitgeschnitten
werden. Die Amtspflichten des Kla¨gers als Vertrauensperson der
schwerbehinderten Menschen waren insoweit ohne Bedeutung.
Der Kla¨ger war an dem Gespra¨ch nicht in seiner Eigenschaft als
Vertrauensperson beteiligt. Soweit er am 16. 8. 2006 zwei weitere
Personalgespra¨che aufgezeichnet hat, an denen er nach dem Vor-
bringen des Beklagten nunmehr in dieser Eigenschaft beteiligt
war, hat er damit jedenfalls auch eine alle Arbeitnehmer treffende
Pflicht und erneut nicht ausschließlich seine Amtspflichten ver-
letzt. Dies gilt gleichermaßen, soweit er nach der Wu¨rdigung
des LAG im Mai 2008 an Aufzeichnungen von Personalgespra¨-
chen durch seinen Kollegen beteiligt war.
41
I
d)
Die Wu¨rdigung des LAG, die außerordentliche Ku¨ndi-
gung sei unter Beru¨cksichtigung der Umsta¨nde des Einzelfalls
und unter Abwa¨gung der beiderseitigen Interessen gerechtfer-
tigt, ha¨lt einer revisionsrechtlichen U¨ berpru¨fung stand . . . (wird
ausgefu¨hrt).
42 . . . 47
I
aa)
. . .
ee) (1)
Das LAG hat angenommen, der Kla¨ger habe
seine Pflichten vorsa¨tzlich und schwerwiegend verletzt. Rechtfer-
tigungs- oder Entschuldigungsgru¨nde seien nicht ersichtlich. Die be-
haupteten gesundheitlichen Beeintra¨chtigungen, die es ihm nicht er-
laubt ha¨tten, sich la¨nger als 15 Minuten zu konzentrieren, ha¨tten allen-
falls dazu fu¨hren ko¨nnen, die Gespra¨chsteilnehmer um ihr Einversta¨nd-
nis mit einer Aufzeichnung der Gespra¨che zu bitten oder sich hand-
schriftliche Aufzeichnungen zu machen. Dass der Kla¨ger stattdessen die
Gespra¨che heimlich mitgeschnitten habe, lasse nur den Schluss zu, dass
er sie ggf. fu¨r eigene Zwecke gegen Mitarbeiter des Beklagten oder ge-
gen diesen selbst habe verwenden wollen. Die Schwere des Vertragsver-
stoßes mache eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich. Der Kla¨ger
habe erkennen mu¨ssen, dass sein Verhalten fu¨r den Beklagten schon
erstmalig nicht hinnehmbar sei. Das Vertrauen in seine Gutwilligkeit,
Loyalita¨t und Redlichkeit sei ernsthaft und unwiederbringlich gesto¨rt.
Dem Kla¨ger sei nicht nur eine einmalige Vertragsverletzung vorzuwer-
fen. Er habe am 16. 8. 2006 drei verschiedene Personalgespra¨che auf-
gezeichnet und außerdem das Aufzeichnungsgera¨t mit den Aufnahmen
seinem Kollegen ausgeha¨ndigt. Daru¨ber hinaus habe er zumindest von
zwei heimlichen Aufnahmen, die der Kollege im Mai 2008 gefertigt ha-
be, noch wa¨hrend der Mitschnitte Kenntnis erlangt. Er sei dadurch
auch an diesen beteiligt gewesen. Wegen der Schwere der Pflichtverlet-
9 BAG 12. 5. 2010 – 2 AZR 587/08, Rdn. 15 f., DB 2011 S. 478; vom 5. 11.
2009 – 2 AZR 487/08, Rdn. 30 f., DB 2010 S. 790.
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Arbeitsrecht
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