zungen sei dem Beklagten eine Weiterbescha¨ftigung bis zum Ablauf der
fiktiven ordentlichen Ku¨ndigungsfrist nicht zumutbar gewesen. Weder
die Dauer des Arbeitsverha¨ltnisses noch das Lebensalter des Kla¨gers,
die von ihm aufgezeigten perso¨nlichen Schwierigkeiten auf dem Ar-
beitsmarkt und seine Unterhaltspflichten ko¨nnten ein anderes Ergebnis
rechtfertigen . . . (wird ausgefu¨hrt).
Die Beurteilung der Pflichtverletzung bei Sonderku¨ndigungs-
schutz unterliegt nur einem strengerem Maßstab, wenn die
Pflichtverletzung allein durch Ausu¨bung des Amts zustande kam
48 . . . 49
I
(2)
. . .
(3)
Das LAG hat den Pru¨fungsmaßstab fu¨r die
Annahme eines wichtigen Grundes nicht verkannt. Es hat mit
Blick auf den Ausschluss der ordentlichen Ku¨ndigung gem. § 96
Abs. 3 Satz 1 SGB IX, § 15 Abs. 1, Abs. 2 KSchG zu Recht auf
die Unzumutbarkeit einer Weiterbescha¨ftigung bis zum Ablauf
der fiktiven Ku¨ndigungsfrist abgestellt. Es ist nicht zu beanstan-
den, dass das LAG in die Wu¨rdigung Pflichtverletzungen des
Kla¨gers im Rahmen von Situationen einbezogen hat, in die die-
ser nur als Vertrauensperson der Schwerbehinderten geraten
konnte. In seinem Verhalten liegt zugleich eine Vertragspflicht-
verletzung. Soweit an den wichtigen Grund in diesem Fall ein
„strengerer“ Maßstab anzulegen ist
10
, durfte das LAG die Gren-
ze auch angesichts dessen als u¨berschritten ansehen. Der Kla¨ger
hat durch die Aufzeichnung des mit ihm selbst gefu¨hrten Per-
sonalgespra¨chs seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten ganz
ohne Amtsbezug verletzt. Er ist deshalb gerade nicht allein
durch die Ausu¨bung seines Amts als Vertrauensperson der
Schwerbehinderten in Konflikt mit seinen arbeitsvertraglichen
Pflichten geraten
11
. Der Kla¨ger hat die Personalgespra¨che zudem
zu eigenen Zwecken und damit nicht einmal im Hinblick auf
sein Amt mitgeschnitten.
50
I
(4)
Das LAG hat den Umstand, dass die vom Kla¨ger selbst geta¨tig-
ten Mitschnitte im Ku¨ndigungszeitpunkt schon einige Jahre zuru¨ck-
lagen, nicht entscheidend zu seinen Gunsten gewu¨rdigt. Dies ist ange-
sichts der Schwere und Ha¨ufigkeit der Pflichtverletzungen revisions-
rechtlich nicht zu beanstanden. In Bezug auf die Aufzeichnung von
Personalgespra¨chen durch einen Kollegen hat das LAG dem Kla¨ger
nicht nur die Verletzung mo¨glicher – nach dessen Auffassung nicht be-
stehender – Offenbarungspflicht vorgehalten. Es ist vielmehr mit dem
ArbG zutreffend davon ausgegangen, aus dem Inhalt der Aufzeichnun-
gen ergebe sich, dass der Kla¨ger diese bewusst habe geschehen lassen
und auch in der Folge nicht unterbunden habe. Das spreche fu¨r seine
Beteiligung und Komplizenschaft.
51
I
(5)
Dem vom Kla¨ger angefu¨hrten Arbeitsplatzkonflikt, der Anlass
fu¨r das Personalgespra¨ch am 16. 8. 2006 gewesen sei, hat das LAG zu
Recht ebenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Es hat
sich durch Bezugnahme auf die Ausfu¨hrungen des ArbG die Auffas-
sung zu eigen gemacht, der Kla¨ger habe eine Mitverursachung seines
Fehlverhaltens durch den Beklagten nicht nachvollziehbar dargelegt.
Dies la¨sst keinen Rechtsfehler erkennen. Ein mo¨glicher Konflikt im
Zusammenhang mit einer geplanten Versetzung vermag das Verhalten
des Kla¨gers nicht zu entschuldigen. Dass und in welcher Weise der Be-
klagte etwa in unziemlicher Weise gegen ihn vorgegangen wa¨re, hat er
nicht vorgetragen.
Hinweise des Senats:
Zu OS 1: Vgl. BAG vom 11. 5. 2000 – 2 AZR
276/99, BAGE 94 S. 313 = DB 2001 S. 205; vom 23. 6. 1993 – 2 ABR
58/92, DB 1993 S. 2390 = AP ArbGG 1979 § 83a Nr. 2.
Zu OS 3: Besta¨t. und Fortentw. von BAG vom 12. 5. 2010 – 2 AZR
587/08, DB 2011 S. 478; vom 5. 11. 2009 – 2 AZR 487/08, DB 2010
S. 790.
Zu OS 4: Besta¨t. von BAG vom 12. 5. 2010, a.a.O. (OS 3).
Zu OS 5: Besta¨t. von BAG vom 25. 5. 1982 – 7 AZR 155/80; Klarst. zu
BAG vom 12. 5. 2010, a.a.O. (OS 3); vom 5. 11. 2009, a.a.O. (OS 3).
Redaktioneller Hinweis
: Volltext unter DB0569872.
Ku¨ndigungsrecht/Betriebsverfassungsrecht
Ersatzmitglied des Betriebsrats: Nach Beendigung
des Vertretungsfalls besteht nur nachwirkender
Ku¨ndigungsschutz – Zeitweilige Verhinderung
eines Betriebsratsmitglieds
Außerordentliche Ku¨ndigung wegen Verstoßes gegen betriebli-
ches Rauchverbot – Sonderku¨ndigungsschutz eines Ersatzmit-
glieds des Betriebsrats
BGB § 626; KSchG § 15 Abs. 1; BetrVG § 25 Abs. 1, § 103 Abs. 1
1. Der besondere Ku¨ndigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 Satz 1
KSchG i. V. mit § 103 Abs. 1 BetrVG gilt fu¨r Ersatzmitglieder,
soweit und solange sie ein verhindertes ordentliches Be-
triebsratsmitglied vertreten. Hierbei ist auf den Zeitpunkt
des Zugangs der Ku¨ndigung i. S. von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB
abzustellen. Nach Beendigung des Vertretungsfalls besteht
nur der nachwirkende Ku¨ndigungsschutz gem. § 15 Abs. 1
Satz 2 KSchG.
2. Ein ordentliches Betriebsratsmitglied ist i. S. von § 25
Abs. 1 Satz 2 BetrVG zeitweilig verhindert, wenn es aus
rechtlichen oder tatsa¨chlichen Gru¨nden nicht in der Lage ist,
sein Amt auszuu¨ben. Diese Voraussetzung ist wa¨hrend sei-
nes Erholungsurlaubs jedenfalls dann erfu¨llt, wenn das Be-
triebsratsmitglied nicht zuvor seine Bereitschaft angezeigt
hat, trotz des Urlaubs fu¨r Betriebsratsta¨tigkeiten zur Ver-
fu¨gung zu stehen.
3. Ein Betriebsratsmitglied ist nicht allein deshalb i. S. von
§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zeitweilig verhindert, weil es ar-
beitsfrei hat. Anders als im Falle bewilligten Erholungs-
urlaubs ist ihm die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben
außerhalb der perso¨nlichen Arbeitszeit nicht grundsa¨tzlich
unzumutbar.
4. Der Verstoß gegen ein Rauchverbot in einem Betrieb mit ho-
her Brandgefahr kann einen wichtigen Grund i. S. von § 626
Abs. 1 BGB fu¨r eine außerordentliche Ku¨ndigung darstellen.
Hat der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten trotz mehrerer Ab-
mahnungen wiederholt, geht dies im Rahmen der Einzelfall-
beurteilung und Interessenabwa¨gung zu seinen Lasten.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Urteil vom 27. 9. 2012 – 2 AZR 955/11
u
DB0585322
Die Parteien streiten u¨ber die Wirksamkeit einer außerordentlichen
Ku¨ndigung. Der Kla¨ger war seit 1987 bei der Beklagten als Hilfskraft
im Tiefdruck bescha¨ftigt. Er war das erste Ersatzmitglied der „Alterna-
tiven Liste H“, deren ordentliches Mitglied in dem bei der Beklagten
gebildeten Betriebsrat Herr H war. Die Beklagte betreibt in M eine
Druckerei. Beim Druckvorgang werden leicht entzu¨ndliche Lo¨sungs-
mittel verwendet, die sich beim Trocknungsprozess mit Luft mischen.
Ferner stellen der Papierstaub sowie die Papierprodukte Brandlasten
dar. In der Vergangenheit kam es mehrfach zu Bra¨nden mit ungekla¨rter
Ursache. Im Betrieb der Beklagten bestand seit langem ein Rauchver-
bot, auf das durch entsprechende Ausha¨nge hingewiesen wird. Zuletzt
wurde es in der „Betriebsvereinbarung 1/2009 Rauchverbot und Rau-
10 Vgl. dazu BAG vom 12. 5. 2010 – 2 AZR 587/08 – Rdn. 15, DB 2011 S. 478;
vom 5. 11. 2009 – 2 AZR 487/08 – Rdn. 30, DB 2010 S. 790.
11 Lediglich die Beachtung dieses Gesichtspunkts im Rahmen der Interessen-
abwa¨gung ist gemeint, wenn fu¨r diese Fa¨lle auf einen „strengeren“ Maßstab
verwiesen wird; vgl. dazu BAG vom 25. 5. 1982 – 7 AZR 155/80.
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013