DER BETRIEB 25 - page 67

Ku¨ndigungs-/Verfahrensrecht/Betriebsu¨bergang
Anho¨rung des Betriebsrats zur beabsich-
tigten Ku¨ndigung: Keine Zuru¨ckweisung
nach § 174 Satz 1 BGB bei fehlendem Voll-
machtsnachweis
I. Unzula¨ssigkeit einer bedingten subjektiven Kla-
geha¨ufung bei außerprozessualer Bedingung
(hier: Ausgang des Rechtsstreits gegen anderen
Beklagten) – Sonderliquidationsverfahren nach
griechischem Recht – Betriebsu¨bergang
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 u¨ber
die gerichtliche Zusta¨ndigkeit und die Anerkennung und Voll-
streckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(EuGVVO) Art. 1 Abs. 2 Buchst. b, Art. 19 Nr. 2 Buchst. a,
Art. 24; Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. 5.
2000 u¨ber Insolvenzverfahren (EulnsVO) Art. 1 Abs. 1, Abs. 2,
Art. 2 Buchst. a, Art. 4, 10, 16, 17, 18, Anhang A, Anhang C;
Art. 14 A des griechischen Gesetzes 3429/2005 i. d. F. von
Art. 40 des Gesetzes 3710/2008; InsO § 113 Satz 2, §§ 335,
337, 343; EGBGB Art. 27, 30, 34; BetrVG §§ 1, 2 Abs. 1, §§ 4,
102 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1; KSchG § 1, § 4 Satz 1, § 17 Abs. 1
Satz 1; BGB §§ 133, 174 Satz 1, §§ 180, 613a Abs. 1 Satz 1,
Abs. 4 Satz 1; RL 2001/23/EG vom 12. 3. 2001 zur Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten u¨ber die Wahrung
von Anspru¨chen der Arbeitnehmer beim U¨ bergang von Unter-
nehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen
Art. 3 Abs. 1
1.
Der Betriebsrat kann die Anho¨rung zu einer beabsichtigten
Ku¨ndigung durch einen Boten oder Vertreter des Arbeitgebers
nicht analog § 174 Satz 1 BGB zuru¨ckweisen, wenn der Anho¨-
rung kein Vollmachtsnachweis beigefu¨gt ist.
2.
Nach den Regeln des deutschen Internationalen Prozessrechts
richtet sich das Verfahren auch in Fa¨llen mit Auslandsberu¨hrung
nach der lex fori, d. h. dem Recht des angerufenen Gerichts und
damit nach den inla¨ndischen Prozessvorschriften.
3.
Fu¨r das Rechtsmittel der klagenden Partei ist eine formelle
Beschwer erforderlich. Sie ist zu bejahen, wenn die angefochtene
Entscheidung von dem gestellten Antrag nachteilig abweicht.
Ausreichend ist bereits die (
teilweise
) Abweisung der Klage, auch
wenn die Abweisung nicht materiell rechtskra¨ftig wird und „ins
Leere geht“, weil nach der angefochtenen Entscheidung kein
Raum fu¨r eine Teilabweisung war. Bereits der Anschein einer
Beschwer ero¨ffnet der mit dem unrichtigen Urteil belasteten kla-
genden Partei den Zugang zur Rechtsmittelinstanz.
4.
Fu¨r die materielle Beschwer des Beklagten genu¨gt jeder nach-
teilige, der Rechtskraft fa¨hige Inhalt der angefochtenen Ent-
scheidung.
5.
Eine unbedingte subjektive Klageha¨ufung ist z. B. in Fa¨llen
zula¨ssig, in denen unklar ist, ob es zu einem Betriebsu¨bergang
gekommen ist. Dagegen ist eine bedingte subjektive Klageha¨u-
fung, die die Einbeziehung eines oder mehrerer weiterer Beklag-
ter davon abha¨ngig macht, dass eine außerprozessuale Bedin-
gung eintritt, unzula¨ssig. Unzula¨ssig ist es demnach, die Klage
gegen einen Beklagten von dem Ausgang des Rechtsstreits ge-
gen einen anderen Beklagten abha¨ngig zu machen. Es darf nicht
von einer Bedingung abha¨ngen, ob zu einer Partei ein Prozess-
rechtsverha¨ltnis begru¨ndet wird oder nicht.
6.
Ist eine Parteibezeichnung nicht eindeutig, ist die Partei durch
Auslegung zu ermitteln. Selbst bei a¨ußerlich eindeutiger, aber
offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsa¨tzlich diejenige
Person als Partei angesprochen, die durch die Parteibezeichnung
erkennbar betroffen werden soll. Ergibt sich aus den objektiven
Umsta¨nden, wer als beklagte Partei gemeint ist, kann das Ru-
brum unbedenklich „berichtigt“ werden. Entscheidend ist, dass
die rechtliche Identita¨t gewahrt bleibt. Bleibt die Partei dagegen
nicht dieselbe, handelt es sich um eine Parteia¨nderung.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Urteil vom 13. 12. 2012 – 6 AZR 348/11
u
DB0593564
Hinweise des Senats:
Zu OS 1: Fortentw. z. B. von BAG vom 23. 6. 2009 – 2 AZR 474/07,
BAGE 131 S. 155 = DB 2010 S. 315.
Zu OS 2: Ankn. an BGH vom 14. 10. 1981 – IVb ZB 718/80, BGHZ
82 S. 34; vom 21. 12. 1976 – III ZR 83/74, WM 1977 S. 332.
Zu OS 3: Vgl. BGH vom 20. 12. 2005 – XI ZR 66/05, DB0131000 =
NJW-RR 2007 S. 138; vom 10. 3. 1993 – VIII ZR 85/92, DB 1993
S. 1564 = NJW 1993 S. 2052.
Zu OS 4: Ankn. an BGH vom 18. 1. 2007 – IX ZB 170/06,
DB0207925 = NJW-RR 2007 S. 765; vom 15. 11. 2001 – I ZR 76/99,
NJW-RR 2002 S. 932.
Zu OS 5: Vgl. BAG vom 24. 6. 2004 – 2 AZR 215/03, DB0078649 =
AP BGB § 613a Nr. 278 = EzA BGB 2002 § 626 Unku¨ndbarkeit
Nr. 5; vom 25. 4. 1996 – 5 AS 1/96, AP ZPO § 59 Nr. 1; von 31. 3.
1993 – 2 AZR 467/92, BAGE 73 S. 30 = DB 1994 S. 435; vom 11. 9.
1980 – 3 AZR 544/79, BAGE 34 S. 146 = DB 1981 S. 645.
Zu OS 6: St. Rspr., vgl. z. B. BVerfG vom 9. 8. 1991 – 1 BvR 630/91,
NJW 1991 S. 3140; BAG vom 18. 10. 2012 – 6 AZR 41/11, DB 2013
S. 586; vom 27. 11. 2003 – 2 AZR 692/02, BAGE 109 S. 47 = DB 2004
S. 1160; BGH vom 28. 3. 1995 – X ARZ 255/95, AP ZPO § 50 Nr. 8.
Redaktionelle Hinweise:
Fu¨hrende Entscheidung zu den (
teilweisen
) Parallelsachen 6 AZR
350/11 und 6 AZR 498/11.
Volltexte online unter DB0585318.
II. Betriebs(-teil)u¨bergang betrifft nur tatsa¨ch-
lich in u¨bergegangenen Betrieb(steil) eingeglie-
derte Arbeitnehmer – Vollmachtstatut bestimmt
sich grundsa¨tzlich nach dem Wirkungsort
KSchG § 1, § 4 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1; BetrVG §§ 1,2 Abs. 1,
§§ 4, 102 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1; BGB § 121 Abs. 1 Satz 1,
§§ 133, 174 Satz 1, § 177 Abs. 1, § 180 Satz 1, Satz 2, § 613a
Abs. 1 Satz 1; ZPO §§ 293, 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b,
§ 557 Abs. 3 Satz 2 (ansonsten wie in der vorstehend abge-
druckten Entscheidung – 6 AZR 348/11, DB0593564)
1.
Ein Betriebs(-teil)u¨bergang i. S. von § 613a Abs. 1 Satz 1
BGB betrifft nur Arbeitnehmer, die in den u¨bergegangenen Be-
trieb oder Betriebsteil tatsa¨chlich eingegliedert waren. Es genu¨gt
nicht, dass sie Ta¨tigkeiten fu¨r den u¨bertragenen Teil verrichte-
ten, ohne in dessen Struktur eingebunden gewesen zu sein.
2.
Welches Recht auf die Probleme einer rechtsgescha¨ftlichen
Vollmacht bei grenzu¨berschreitenden Sachverhalten anzuwen-
den ist (Vollmachtsstatut), ist gesetzlich nicht geregelt. Das
Vollmachtsstatut bestimmt sich grundsa¨tzlich nach dem Recht
des Staats, in dem von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird
oder werden soll, also nach dem Recht des Wirkungsorts.
3.
Der Senat la¨sst offen, ob die Genehmigung eines vollmachtlos
vorgenommenen Rechtsgescha¨fts dem Vollmachtsstatut oder
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
Arbeitsrecht
1421
1...,57,58,59,60,61,62,63,64,65,66 68,69,70,71,72,73,74,75,76,77,...84
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