DER BETRIEB 25 - page 64

Entscheidungen
Arbeitsvertragsrecht/Europarecht
Arbeitnehmerfreizu¨gigkeit: Verpflichtung zur Ab-
fassung eines grenzu¨berschreitenden Arbeitsver-
trags ausschließlich in der Amtssprache (hier:
Niederla¨ndisch) ist unzula¨ssig
Regelung zum Schutz der Arbeitnehmer, Arbeitnehmervertre-
tungen und Beho¨rden nicht unbedingt erforderlich
AEUV Art. 45, Art. 267
Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Regelung einer
fo¨deralen Einheit eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsver-
fahren fraglichen entgegensteht, die jeden Arbeitgeber mit Be-
triebssitz im Hoheitsgebiet dieser Einheit unter Androhung der
vom Gericht von Amts wegen festzustellenden Nichtigkeit dazu
verpflichtet, Arbeitsvertra¨ge mit grenzu¨berschreitendem Charak-
ter ausschließlich in der Amtssprache dieser fo¨deralen Einheit
abzufassen.
EuGH-Urteil vom 16. 4. 2013 – C – 202/11; Las
u
DB0591360
Redaktionelle Hinweise:
Der Entscheidung zugrunde liegt ein Vorabentscheidungsersuchen der
Arbeidsrechtbank te Antwerpen (Belgien). Nach Art 2 des Dekrets des
Parlaments der Fla¨mischen Gemeinschaft zur Regelung des Gebrauchs
der Sprachen fu¨r die sozialen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern und die durch Gesetz und Verordnung vorgeschriebe-
nen Maßnahmen und Bescheide der Unternehmen ist die fu¨r die sozia-
len Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und fu¨r
die gesetzlich vorgeschriebenen Handlungen und Dokumente der Un-
ternehmen zu gebrauchende Sprache . . . das Niederla¨ndische. Nach
Art. 10 des Dekrets sind Handlungen und Dokumente, die gegen die
Bestimmungen dieses Dekrets verstoßen, nichtig. Aufgrund eines in
englischer Sprache abgefassten „Letter of Employment“ wurde der Kla¨-
ger, ein niederla¨ndischer Staatsbu¨rger mit Wohnsitz in den Niederlan-
den, von PSA Antwerp unbefristet als „Chief Financial Officer“ einge-
stellt. In diesem Arbeitsvertrag war vorgesehen, dass der Kla¨ger seine
Arbeitsleistung in Belgien erbringt, auch wenn einige Arbeitsleistungen
von den Niederlanden aus erbracht wurden. Mit einem Schreiben in
englischer Sprache wurde dem Kla¨ger mit sofortiger Wirkung geku¨n-
digt. Gema¨ß Art. 8 des Arbeitsvertrags zahlte PSA Antwerp eine Ku¨n-
digungsabfindung i. H. von drei Monatsgeha¨ltern sowie eine erga¨nzen-
de Abfindung i. H. von sechs Monatsgeha¨ltern. Der Kla¨ger berief sich
auf Art. 10 des Dekrets und begehrte eine wesentlich ho¨here Abfin-
dung.
Volltext unter DB0588302.
Urlaubsrecht
Keine Urlaubsabgeltung nach Tod des Arbeitneh-
mers
Urlaubsanspruch geht unter – Keine Umwandlung in Urlaubs-
abgeltungsanspruch (auch bei Rechtsha¨ngigkeit des Urlaubs-
anspruchs im Todeszeitpunkt)
AEUV Art. 267; BGB § 1922 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 4
1. Ein Arbeitnehmer erwirbt zu Beginn eines jeden Kalender-
jahres ungeachtet einer langfristigen Arbeitsunfa¨higkeit
einen gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub. Fu¨r das
Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundes-
urlaubsgesetz grundsa¨tzlich allein das Bestehen eines Ar-
beitsverha¨ltnisses Voraussetzung.
2. Endet das Arbeitsverha¨ltnis wegen des Todes des Arbeitneh-
mers, geht der Urlaubsanspruch unter und kann sich nicht in
einen Abgeltungsanspruch i. S. von § 7 Abs. 4 BUrlG umwan-
deln. Dies gilt unabha¨ngig davon, ob der Urlaubsanspruch
zum Zeitpunkt des Todes rechtsha¨ngig war.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Urteil vom 12. 3. 2013 – 9 AZR 532/11
u
DB0596800
Die Kla¨gerin zu 1. und die Kla¨gerin zu 2. (
Kla¨gerinnen
) begehren von
der Beklagten, Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2009 abzugelten.
Die Kla¨gerinnen sind Erbinnen ihrer am 20. 1.2010 verstorbenen Mut-
ter (
Erblasserin
). Die Beklagte bescha¨ftigte diese seit dem 4. 10. 2006
bis zu ihrem Tod. Gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom
11. 11. 2006 hatte die seit dem 14. 8. 2008 als schwerbehindert aner-
kannte Erblasserin einen Anspruch auf ja¨hrlich 28 Werktage Urlaub.
Vom 10. 2. 2007 bis zu ihrem Tod war sie durchgehend arbeitsunfa¨hig
krank.
Mit Schreiben vom 22. 10. 2009 erkla¨rte die Beklagte die ordentliche
Ku¨ndigung des Arbeitsverha¨ltnisses zum 31. 12. 2009. Die spa¨tere Erb-
lasserin erhob Ku¨ndigungsschutzklage und verlangte im Weiteren ohne
Erfolg von der Beklagten, ihr fu¨r das Jahr 2006 einen, fu¨r das Jahr 2007
28, fu¨r das Jahr 2008 33 und fu¨r das Jahr 2009 35 Arbeitstage Urlaub zu
gewa¨hren. Hilfweise beantragte sie, den Urlaub abzugelten.
Mit rechtskra¨ftigem Teilanerkenntnisurteil vom 2. 2. 2010 stellte das
ArbG fest, das Arbeitsverha¨ltnis zwischen der Erblasserin und der Be-
klagten sei nicht durch die Ku¨ndigung vom 22. 10. 2009 aufgelo¨st wor-
den, sondern habe erst mit dem Tod der Erblasserin am 20. 1. 2010 sein
Ende gefunden.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG (Thu¨ringen – 6 Sa
21/11) hat die Berufung der Kla¨gerinnen zuru¨ckgewiesen. Die Revision
blieb erfolglos.
AUS DEN GRU¨ NDEN
Das BAG bestta¨tigt seine Auffassung, wonach Urlaubsanspru¨che
nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres auch
bei ununterbrochener Arbeitsunfa¨higkeit verfallen
1 . . . 11
I
1.
Gem. § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub
abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsver-
ha¨ltnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewa¨hrt werden kann.
Vor ihrem Tod hatte die Erblasserin Anspruch auf 56 Werktage
Urlaub und zehn Werktage Zusatzurlaub fu¨r schwerbehinderte
Menschen (
Zusatzurlaub
) aus den Jahren 2008 und 2009. Der
Urlaubsanspruch aus den Jahren 2006 und 2007 verfiel 15 Mo-
nate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres gem. § 7 Abs. 3
BUrlG. Der Senat hat die unions-rechtskonforme Auslegung
des § 7 Abs. 3 BUrlG in seiner Entscheidung vom 7. 8. 2012
1
ausfu¨hrlich begru¨ndet.
Mit dem Tod des Arbeitnehmers geht ein Urlaubsanspruch unter
– Der Arbeitnehmer erwirbt nicht zu Lebzeiten ein Anwart-
schaftsrecht auf Urlaubsabgeltung . . .
12
I
2.
Die Kla¨gerinnen traten mit dem Erbfall im Weg der Uni-
versalsukzession in sa¨mtliche Rechtsverha¨ltnisse der Erblasserin
1 BAG vom 7. 8. 2012 – 9 AZR 353/10, Rdn. 23 ff., DB 2012 S. 2462; siehe fer-
ner BAG vom 18. 9. 2012 – 9 AZR 623/10, Rdn. 14.
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
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