DER BETRIEB 25 - page 66

Die Verwaltung eines fremdgenutzten Mietshauses kann einen
Betrieb darstellen – Der Begriff der wirtschaftlichen Ta¨tigkeit
ist weit zu verstehen
18 . . . 24
I
1
. . .
2 a)
Die Annahme eines Betriebsu¨bergangs schei-
tert allerdings noch nicht daran, dass bei der A KG keine u¨berg-
angsfa¨hige selbststa¨ndige wirtschaftliche Einheit vorgelegen hat.
Die A KG unterhielt mit der Verwaltung der Liegenschaft in
der J in M einen Betrieb.
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I
Unter einem Betrieb versteht die Rechtsprechung eine orga-
nisatorische Einheit, innerhalb derer der Inhaber allein oder mit
seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller
Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt
1
.
Diese Voraussetzungen lagen bei der Verwaltung des Anwesens
vor. Auch die Verwaltung eines fremdgenutzten Mietshauses
mit mehreren Wohnanlagen kann einen Betrieb darstellen. Der
Begriff der wirtschaftlichen Ta¨tigkeit ist grundsa¨tzlich weit zu
verstehen. Der arbeitstechnische Zweck besteht hier darin, ein
fremdgenutztes Mietshaus in einem sachgema¨ßen Zustand zu
erhalten, um die Substanz des Vermo¨gensgutes zu bewahren
und die aus der Vermietung fließenden Einku¨nfte sicherzustel-
len
2
. Zu diesem Zweck setzte die A KG den Kla¨ger als Leiter
der Hausverwaltung und einen Hausmeister ein.
Bei einer Hausverwaltung ist das Grundstu¨ck nicht Betriebs-
mittel, sondern Objekt der Verwaltung – An dieser Rechtspre-
chung ha¨lt das BAG fest
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b)
Der von der A KG unterhaltene Betrieb, d. h. die Haus-
verwaltung, ist nicht auf die Beklagte u¨bergegangen.
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aa)
Bei der Verwaltung der vera¨ußerten Immobilie handelte
es sich um einen betriebsmittelarmen Betrieb.
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Bei einer Hausverwaltung stellt bei wertender Betrachtungs-
weise das Grundstu¨ck nicht den eigentlichen Kern des zur
Wertscho¨pfung erforderlichen Funktionszusammenhangs dar.
Es ist kein Betriebsmittel der Hausverwaltung, sondern Objekt
der Verwaltung
3
. Betriebsmittel sind vielmehr die fu¨r die kauf-
ma¨nnische Sachbearbeiterta¨tigkeit notwendigen Mittel wie Bu¨-
ro, EDV – Ausstattung sowie die im Rahmen der technischen
Sachbearbeitung erforderlichen Arbeitsgera¨te. In a¨hnlicher Wei-
se hat der Senat fu¨r andere Arten von Dienstleistungen bereits
entschieden. So hat er bspw. hinsichtlich der Betreuung von
technischen Anlagen durch ein Facility – Management ange-
nommen, die Anlagen stellten auch bei wertender Betrachtung
keine sachlichen Betriebsmittel fu¨r die erbrachten Ta¨tigkeiten
dar
4
. Gleiches hat er letztlich auch fu¨r einen Wechsel eines Be-
wachungsauftrags bei einem Truppenu¨bungsplatz entschieden
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Es ist auch nicht entscheidend, dass die Hausverwaltung al-
lein dem einzigen Grundstu¨ck der A KG dienen sollte und die-
ses fu¨r die Verwaltungsta¨tigkeit deshalb unverzichtbar war. Die
Ta¨tigkeit eines Hausverwalters als solche ist nicht notwendiger-
weise nur auf ein bestimmtes Grundstu¨ck festgelegt. Es kommt
auch nicht darauf an, ob der Arbeitsaufwand im Verha¨ltnis zum
Wert des Anlageobjekts, also der Immobilie, wirtschaftlich be-
deutend oder unbedeutend ist. Vielmehr ist allein der Betrieb
der Hausverwaltung zu betrachten. Einen anderen Betrieb hat
die A KG nicht unterhalten.
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Die Ta¨tigkeit der Hausverwaltung stellt eine Dienstleistung
dar, bei der es vor allem auf die menschliche Arbeitskraft an-
kommt
6
. Die Beklagte hat aber keine Arbeitnehmer u¨bernom-
men. Dem vormals bei der A KG neben dem Kla¨ger angestellten
Hausmeister wurde ebenso wie dem Kla¨ger kein neuer Arbeits-
vertrag angeboten.
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bb)
Gegen das Vorliegen eines Betriebsu¨bergangs spricht des
Weiteren, dass der Betriebszweck nicht gleich geblieben ist. Die
Beklagte nutzt die Immobilie weit u¨berwiegend als Eigentu¨me-
rin selbst . . . (wird ausgefu¨hrt).
Entscheidend fu¨r einen Betriebsu¨bergang ist die tatsa¨chliche
Weiterfu¨hrung der Gescha¨ftsta¨tigkeit, die bloße Mo¨glichkeit
hierzu reicht nicht
32 . . . 35
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Entgegen der Ansicht des LAG ist eine andere Sicht-
weise nicht aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 12. 2.
2009 – Rs. C – 466/07
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geboten. In dieser hat der EuGH klar-
gestellt, dass es fu¨r die Annahme eines U¨ bergangs i. S. des RL
2001/23/EG des Rates vom 12. 3. 2001 nicht scha¨dlich ist,
wenn die Organisation der wirtschaftlichen Einheit nicht beibe-
halten wird. Vielmehr komme die Annahme eines Betriebsu¨b-
ergangs auch dann in Frage, wenn die funktionelle Verknu¨pfung
der u¨bertragenen Produktionsfaktoren es dem U¨ bernehmer er-
laube, diese auch nach Eingliederung in eine neue, andere Orga-
nisationsstruktur weiter zu nutzen, um derselben oder einer
gleichartigen wirtschaftlichen Ta¨tigkeit nachzugehen.
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Dies ist nicht dahin gehend zu verstehen, dass ein Betrieb-
su¨bergang stets dann zu bejahen ist, wenn nach einer U¨ bertra-
gung materieller und immaterieller Produktionsfaktoren auf ei-
nen Erwerber dieser die Mo¨glichkeit besitzt, den Betrieb unve-
ra¨ndert fortzufu¨hren, dies aber nicht tut. Denn entscheidendes
Kriterium fu¨r den Betriebsu¨bergang ist die tatsa¨chliche Weiter-
fu¨hrung der Gescha¨ftsta¨tigkeit, die bloße Mo¨glichkeit allein,
den Betrieb unvera¨ndert fortfu¨hren zu ko¨nnen, reicht fu¨r die
Annahme eines Betriebsu¨bergangs nicht aus
8
. Dies entspricht
auch der Rechtsprechung des EuGH, die auf die tatsa¨chliche
Fortfu¨hrung des Betriebs und nicht nur auf die Mo¨glichkeit
hierzu abstellt
9
. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf
an, dass die Beklagte die Mo¨glichkeit gehabt ha¨tte, die Immobi-
lie u¨berwiegend fu¨r eine Vermietung und damit zur Gewinn-
erzielung zu nutzen. Maßgeblich ist vielmehr, dass sie in tatsa¨ch-
licher Hinsicht die Art der Nutzung ga¨nzlich vera¨ndert hat.
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cc)
Gegen die Annahme eines Betriebsu¨bergangs spricht
auch, dass sich die Organisationsstruktur, innerhalb derer die
Hausmeisterdienste erbracht werden, gea¨ndert hat. Die tech-
nische Instandhaltung wird bei der Beklagten durch den Eigen-
betrieb Kommunales Geba¨udemanagement wahrgenommen.
Diesem Eigenbetrieb obliegt die Betreuung sa¨mtlicher von der
Beklagten idR selbst genutzter Immobilien. Damit hat sich die
Organisation des Hausmeisterdiensts hinsichtlich der u¨bernom-
menen Immobilie wesentlich gea¨ndert . . . (wird ausgefu¨hrt).
Hinweise des Senats:
Besta¨t. und Fortf. von BAG vom 18. 3. 1999 – 8
AZR 196/98, DB 1999 S. 1455 = AP BGB § 613a Nr. 190; vom 22. 1.
2009 – 8 AZR 158/07, DB 2009 S. 1878.
Redaktioneller Hinweis:
Volltext unter DB0583645.
1 BAG vom 10. 11. 2011 – 8 AZR 546/10, Rdn. 26, DB 2012 S. 1276.
2 Vgl. BAG vom 18. 3. 1999 – 8 AZR 196/98, DB 1999 S. 1455; vom 16. 10.
1987 – 7 AZR 519/86, DB 1988 S. 712 = EzA BGB § 613a Nr. 66.
3 BAG vom 18. 3. 1999, a.a.O. (Fn. 2).
4 BAG vom 22. 1. 2009 – 8 AZR 158/07, Rdn. 25, DB 2009 S. 1878.
5 BAG vom 25. 9. 2008 – 8 AZR 607/07, Rdn. 49, DB0319357 = AP BGB § 613a
Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98.
6 Vgl. BAG vom 18. 3. 1999, a.a.O. (Fn. 2); vom 23. 9. 1999 – 8 AZR 750/98:
U¨ bergang des Grundstu¨cks eines Jugendwohnheims.
7 EuGH-Urteil vom 12. 2. 2009 – Rs. C-466/07, Klarenberg, EuGHE 2009
S. 1-803 = DB 2010 S. 113 = AP RL 2001/23/EG Nr. 4.
8 St. Rspr., vgl. BAG vom 17.12. 2009 – 8 AZR 1019/08, Rdn. 20, DB0348962
= AP BGB § 613a Nr. 383 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 117.
9 Vgl. EuGH vom 20. 11. 2003 – Rs. C-340/01, Carlito Abler, Rdn. 29, EuGHE
2003 S. 1-14023 = DB0032107 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13.
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
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