DER BETRIEB 25 - page 62

Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH) Jens Hartmann, Vo¨lklingen
Personalgespra¨che – Grenzen der Beteiligung
Dritter
u
DB0596826
I. Einleitung
In der betrieblichen Praxis kommt es immer wieder vor, dass der
Arbeitgeber einen Bescha¨ftigten zum Personalgespra¨ch einla¨dt.
Die Anla¨sse fu¨r die Einladung zum Dialog ko¨nnen vielfa¨ltig
sein. Teilweise wird seitens des Mitarbeiters mit einem solchen
Termin eher etwas Negatives verbunden. Vor diesem Hinter-
grund stellt sich die Frage, ob er einen solchen Termin perso¨n-
lich wahrnehmen muss, ob er sich aktiv beteiligen muss, sich be-
gleiten oder sogar vertreten lassen kann.
II. Pflicht zur Teilnahme des Arbeitnehmers
Die Pflicht zur Teilnahme des Bescha¨ftigten an einem Gespra¨ch
ergibt sich aus dem Direktionsrecht des § 106 GewO
1
. Dem-
nach hat der Mitarbeiter wa¨hrend der Arbeitszeit am u¨blichen
Arbeitsort zum Personalgespra¨ch zu erscheinen, in dem z. B.
Ma¨ngel in der Qualita¨t oder Quantita¨t der Arbeit des Arbeit-
nehmers thematisiert werden. Die Pflicht ist beschra¨nkt auf die
in der genannten Norm aufgefu¨hrten Inhalte.
Es besteht nach dem Urteil des BAG vom 23. 6. 2009
2
sei-
tens des Mitarbeiters jedoch keine Verpflichtung, mit seinem
Arbeitgeber Gespra¨che u¨ber eine A¨ nderung des Arbeitsvertrags
zu fu¨hren. Im konkreten Fall ging es darum, dass ein in wirt-
schaftlichen Schwierigkeiten befindliches Unternehmen eine
Verminderung des 13. Gehalts anstrebte. Mit denjenigen Be-
scha¨ftigten, die sich nicht damit einverstanden erkla¨rt hatten,
wollte der Arbeitgeber Einzelgespra¨che fu¨hren. Nach Auffas-
sung des BAG war diese Konstellation nicht durch § 106 GewO
gedeckt, sodass keine Verpflichtung zur Teilnahme an dem Ge-
spra¨ch bestand und damit die wegen des Nichterscheinens aus-
gesprochene Abmahnung unzula¨ssig gewesen ist.
Der Arbeitnehmer muss auch nicht zu jedem durch den Ar-
beitgeber festgelegten Termin zum Personalgespra¨ch erscheinen.
Eine solche Verpflichtung ist z. B. zu negieren, wenn der Ter-
min außerhalb der vertraglichen Arbeitszeit oder zu Zeiten statt-
finden soll, in denen der Bescha¨ftigte die Erbringung der Ar-
beitsleistung nicht schuldet (z. B. Urlaub, Arbeitsunfa¨higkeit,
Ruhen des Arbeitsverha¨ltnisses wegen Elternzeit).
III. Pflicht zur Beteiligung im Gespra¨ch
Wenn der Arbeitgeber z. B. mit der Leistung oder dem Ver-
halten des Arbeitnehmers nicht zufrieden ist und er mit dem
Bescha¨ftigten dies besprechen mo¨chte mit dem Ziel, fu¨r die
Zukunft eine Verbesserung herbei zu fu¨hren, erfolgt dies oft im
Rahmen eines Personalgespra¨chs. Der Arbeitgeber hat es in
seinem Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Charakteren
seiner Bescha¨ftigten zu tun, was sich auch in Personalgespra¨-
chen widerspiegelt. Einige bringen sich konstruktiv und sachlich
in den Dialog ein, andere verhalten sich eher zuru¨ckhaltend und
sagen (verbal) gar nichts, sondern ho¨ren einfach nur zu.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Ar-
beitgeber von seinem Mitarbeiter verlangen kann, dass dieser
sich aktiv in das Gespra¨ch einbringt, d. h. die Situation aus sei-
ner Perspektive schildert oder Vorschla¨ge zur Verbesserung un-
terbreitet. Der Arbeitgeber wird solche Aktivita¨ten i. d. R. be-
gru¨ßen, da dieser Austausch das gegenseitige Versta¨ndnis weckt
und auf diesem Weg eher zukunftstra¨chtige Lo¨sungen gefunden
werden ko¨nnen, als wenn der Mitarbeiter in dem Gespra¨ch
durchweg schweigt. Gleichwohl existiert wohl keine Verpflich-
tung des Bescha¨ftigten, sich durch Redebeitra¨ge aktiv in den
Dialog einzubringen
3
.
IV. Innerbetriebliche Dritte
Als innerbetriebliche Dritte kommen in erster Linie der Be-
triebsrat, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten, der Vor-
gesetzte sowie Arbeitskollegen in Betracht.
1. Betriebsratsmitglied
In Unternehmen mit einem
Betriebsratsgremium
besteht seitens
eines Mitarbeiters, der zum Personalgespra¨ch eingeladen worden
ist, vielfach der Wunsch, sich durch ein Mitglied des Betriebs-
rats begleiten zu lassen. Die Annahme, dass seitens des Bescha¨f-
tigten das Recht besteht, jede Art von Gespra¨ch mit dem Ar-
beitgeber nur in Anwesenheit eines Mitglieds des Betriebsrats
durchzufu¨hren, ist falsch. Eine juristische Grundlage hierfu¨r
bietet das Betriebsverfassungsgesetz nicht, vielmehr werden die
einzelnen Konstellationen explizit aufgefu¨hrt. Ein Anrecht des
Arbeitnehmers, ein Betriebsratsmitglied zu einem Personal-
gespra¨ch hinzuzuziehen besteht in folgenden Fa¨llen:
– § 81 Abs. 4 BetrVG: A¨ nderung der Ta¨tigkeit des Arbeitneh-
mers dergestalt, dass seine beruflichen Kenntnisse und Fa¨hig-
keiten zur Erfu¨llung seiner Aufgaben nicht ausreichen. Zu
dem Ero¨rterungsgespra¨ch zwischen den Arbeitsvertragspar-
teien kann der Bescha¨ftigte ein Mitglied des Betriebsrats hin-
zuziehen.
– § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG: Der Arbeitnehmer kann verlan-
gen, dass ihm die Berechnung und Zusammensetzung seines
Arbeitsentgelts erla¨utert und dass mit ihm die Beurteilung
seiner Leistungen sowie die Mo¨glichkeiten seiner beruflichen
Entwicklung im Betrieb ero¨rtert werden. Er kann ein Mit-
glied des Betriebsrats hinzuziehen.
– § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG: Der Arbeitnehmer kann Einsicht
in die u¨ber ihn gefu¨hrte Personalakte nehmen und hierzu ein
Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen
4
.
Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH)
Jens Hartmann
ist Personalleiter in den
SHG-Kliniken Vo¨lklingen.
1 § 106 GewO lautet: Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleis-
tung nach billigem Ermessen na¨her bestimmen, soweit diese Arbeitsbedin-
gungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsver-
einbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften
festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens
der Arbeitnehmer im Betrieb.
2 BAG vom 23. 6. 2009 – 2 AZR 606/08, DB 2009 S. 1991.
3 Mo¨glicherweise a. A.:
Schmitz,
ZMV 2010 S. 177: „Der Arbeitgeber kann er-
warten, dass sich der Arbeitnehmer einem Personalgespra¨ch perso¨nlich
stellt und aktiv mitwirkt.“
(Fn. 4 auf S. 1417)
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Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
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