DER BETRIEB 25 - page 68

aber dem Gescha¨ftsstatut unterliegt. Ist auf die Ku¨ndigung – wie
hier – deutsches Recht anzuwenden, bestimmt sich die Geneh-
migung vollmachtlosen Handelns auch dann nach deutschem
Recht, wenn nicht auf das Vollmachtsstatut, sondern auf das
Gescha¨ftsstatut abgestellt wird.
4.
Die Ku¨ndigung ist nach deutschem Recht ein einseitiges
Rechtsgescha¨ft, bei dem eine Vertretung ohne Vertretungsmacht
unzula¨ssig ist (§ 180 Satz 1 BGB). Nach § 180 Satz 2 BGB fin-
det jedoch § 177 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung, wenn
der Erkla¨rungsempfa¨nger die vom Vertreter behauptete Vertre-
tungsmacht nicht „bei der Vornahme des Rechtsgescha¨fts“ bean-
standet. Die Vertretungsmacht ist unverzu¨glich i. S. von § 174
Satz 1, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ru¨gen. Geschieht das nicht,
ist die Ku¨ndigung dem Arbeitgeber mit Zugang der Genehmi-
gung beim Arbeitnehmer zuzurechnen. In diesem Zeitpunkt be-
ginnt die Klagefrist.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Urteil vom 13. 12. 2012 – 6 AZR 608/11
u
DB0596925
Hinweise des Senats:
Zu OS 1: St. Rspr., vgl. z. B. EuGH vom 12. 11. 1992 – Rs. C-209/91,
Watson Rask und Christensen, EuGH 1992 S. I-5755; BAG vom
21. 6. 2012 – 8 AZR 181/11, DB 2012 S. 2584 = BB 2012 S. 3144.
Zu OS 2: Vgl. BGH vom 17. 11. 1994 – III ZR 70/93, BGHZ 128
S. 41; vom 26. 4. 1990 – VII ZR 218/89, DB 1990 S. 2217.
Zu OS 4: Ankn. an BAG vom 6. 9. 2012 – 2 AZR 858/11, DB 2013
S. 520; vom 15. 12. 2010 – 2 AZR 485/08, DB 2011 S. 999; vom 26.
3. 2009 – 2 AZR 403/07, DB 2009 S. 2219 = AP KSchG 1969 § 4
Nr. 70; 11. 12. 1997 – 8 AZR 699/96, AuR 1998 S. 202.
Redaktionelle Hinweise:
Fu¨hrende Entscheidung zu der (
teilweisen
)
Parallelsache – 6 AZR 607/11. Volltext online unter DB0585319.
Ku¨ndigungsrecht
Ordentliche betriebsbedingte Ku¨ndigung: Verbot
einer Wiederholungsku¨ndigung bei identischem
Ku¨ndigungssachverhalt
Materielle Rechtskraft erfasst auch Wu¨rdigung des Lebenssach-
verhalts – Ausnahme bei Unwirksamkeit der Ku¨ndigung aus for-
mellen Gru¨nden
BGB §§ 133, 134, 157, 162, 242, 612a; KSchG § 1 Abs. 2 und
Abs. 3; BetrVG § 102 Abs. 1; TzBfG § 5; ZPO § 322
1.
Pra¨judizielle Rechtsverha¨ltnisse werden nur dann i. S. von
§ 322 ZPO rechtskra¨ftig festgestellt, wenn sie selbst Streit-
gegenstand waren. Es genu¨gt nicht, dass u¨ber sie als bloße Vor-
fragen zu entscheiden war. Einzelne Begru¨ndungselemente neh-
men grundsa¨tzlich nicht an der materiellen Rechtskraft teil.
2.
Das Verbot, eine Ku¨ndigung nach rechtskra¨ftiger Feststellung
der Unwirksamkeit einer vorhergegangenen Ku¨ndigung bei gleich
gebliebenem Ku¨ndigungssachverhalt und nach dessen materieller
Pru¨fung erneut auf denselben Sachverhalt zu stu¨tzen (Verbot der
Wiederholungsku¨ndigung), findet seine Grundlage in der Rechts-
kraft gerichtlicher Entscheidungen. Zwar ist Streitgegenstand ei-
ner Ku¨ndigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG lediglich, ob
ein Arbeitsverha¨ltnis durch eine bestimmte Ku¨ndigung aufgelo¨st
worden ist (sog. punktuelle Streitgegenstandslehre). Die Wu¨rdi-
gung, ein bestimmter Lebenssachverhalt ko¨nne eine Ku¨ndigung
materiell nicht begru¨nden, nimmt aber selbst an der Rechtskraft-
wirkung der Entscheidung teil. Der Grund liegt in der Gleichwer-
tigkeit einer solchen Feststellung mit einem (fiktiven) Gestal-
tungsurteil, in dem eine Beendigung des Arbeitsverha¨ltnisses we-
gen der fraglichen Gru¨nde abgelehnt wird.
3.
Das Verbot der Wiederholungsku¨ndigung gilt nur bei identi-
schem Ku¨ndigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich gea¨n-
dert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal ku¨ndigen. Das gilt
auch bei einem sog. Dauertatbestand. Außerdem ist von der Fra-
ge, ob das in Anspruch genommene Gestaltungsrecht besteht,
die Frage zu unterscheiden, ob es rechtsgescha¨ftlich wirksam er-
kla¨rt wurde. Die Pra¨klusionswirkung tritt daher auch dann nicht
ein, wenn die fru¨here Ku¨ndigung bereits aus formellen Gru¨nden,
also etwa wegen einer nicht ordnungsgema¨ßen Beteiligung der
Mitarbeitervertretung fu¨r unwirksam erkla¨rt worden ist.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Urteil vom 20. 12. 2012 – 2 AZR 867/11
u
DB0596862
Hinweise des Senats:
Zu OS 1: Anschl. an BAG vom 25. 8. 2010 – 10 AZR 275/09, BAGE
135 S. 239 = DB 2010 S. 2564; BGH vom 21. 4. 2010 – VIII ZR 6/09,
DB0352421 = NJW 2010 S. 2208; vom 26. 6. 2003 – I ZR 269/00,
DB0052430 = NJW 2003 S. 3058; vom 7. 7. 1993 – VIII ZR 103/92,
BGHZ 123 S. 137.
Zu OS 2 und 3: Besta¨t. und Fortf. von BAG vom 22. 11. 2012 – 2 AZR
732/11, DB 2013 S. 1304; vom 6. 9. 2012 – 2 AZR 372/11, DB0581522;
vom 26. 11. 2009 – 2 AZR 272/08, BAGE 132 S. 299 = DB0350260;
vom 8. 11. 2007 – 2 AZR 528/06, DB 2009 S. 1024 = EzA BGB 2002
§ 626 Nr. 19; vom 25. 3. 2004 – 2 AZR 399/03, DB 2004 S. 2537;
vom 12. 2. 2004 – 2 AZR 307/03, DB0065561 = AP KSchG 1969 § 1
Nr. 75 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Ku¨ndigung Nr. 129; vom
26. 8. 1993 – 2 AZR 159/93, BAGE 74 S. 143 = DB 1994 S. 432.
Redaktionelle Hinweise:
Der Kla¨gerin war unter dem 30. 5. 2008 betriebsbedingt ordentlich zum
30. 9. 2008 geku¨ndigt worden. Begru¨ndet wurde die Ku¨ndigung mit
einer Auflo¨sung einer Abteilung kaufma¨nnische Dienste. Dort war die
Kla¨gerin als Leiterin ta¨tig, danach Gescha¨ftsfu¨hrerin, allerdings mit
einem Ru¨ckkehrrecht auf diese Abteilungsleiterstelle. Deshalb wurde
die Ku¨ndigung rechtskra¨ftig fu¨r unwirksam erkla¨rt. Unter dem 16. 10.
2008 ku¨ndigte die Beklagte erneut, mit gleichem Grund. Auch die hier-
gegen erhobene Ku¨ndigungsschutzklage war erfolgreich. Unter dem 28.
4. 2009 ku¨ndigte die Beklagte erneut, wiederum wegen Auflo¨sung der
Abteilung kaufma¨nnische Dienste. Die hiergegen erhobene Klage blieb
in allen drei Instanzen (LAG Mecklenburg-Vorpommern – 2 Sa
142/11) erfolglos. Insbes. wurde in der Ru¨ckkehrklausel kein Ku¨ndi-
gungsverbot gesehen. Der Vereinbarung lasse sich nicht entnehmen,
dass der rechtliche und soziale Besitzstand der Kla¨gerin sta¨rker als mit
ihrem bisherigen Arbeitsverha¨ltnis verbunden geschu¨tzt werden sollte.
Dementsprechend fehlte es an einer unzula¨ssigen Wiederholungsku¨ndi-
gung, weil das LAG nicht rechtskra¨ftig das in Anspruch genommene
materielle Ku¨ndigungsrecht als solches, sondern nur die Wirksamkeit
seiner rechtsgescha¨ftlichen Erkla¨rung verneint habe.
Betriebsverfassungsrecht
Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der
Vereinbarung der Vergu¨tungsho¨he
Betriebliche Lohngestaltung – Vereinbarte Arbeitsvergu¨tung
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; ZPO § 256 Abs. 1
Die Vereinbarung der Vergu¨tungsho¨he durch die Arbeitsver-
tragsparteien unterliegt nicht dem Mitbestimmungsrecht
aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG-Beschluss vom 30. 10. 2012 – 1 ABR 61/11
u
DB0577425
1422
Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
1...,58,59,60,61,62,63,64,65,66,67 69,70,71,72,73,74,75,76,77,78,...84
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