DER BETRIEB 25 - page 60

bisherigen Sach- und Streitstand kann eine deliktische Haftung
der Beklagten zu 1 nicht ausgeschlossen werden. Da sie aller-
dings als bloße Mittelverwendungskontrolleurin nicht prospekt-
verantwortlich ist und auch nicht ersichtlich oder dargetan ist,
dass sie (potenziellen) Anlegern gegenu¨ber falsche Angaben ge-
macht hat, kommt nur in Betracht, dass Mitarbeiter der Beklag-
ten zu 1 als Teilnehmer an den deliktischen Handlungen des
Beklagten zu 2 mitgewirkt haben (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. mit
§§ 264a, 27 StGB und §§ 826, 830 BGB), fu¨r deren Handlun-
gen die Beklagte zu 1 gem. § 31 oder § 831 BGB haftbar ist
(siehe hierzu auch nachfolgend 2 und 3).
Zum Schadensersatzanspruch gegen den Initiator auf Ausgleich
des Zeichnungsschadens
33
I
2.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Klageabweisung
gegenu¨ber dem Beklagten zu 2 besta¨tigt. Nach dem derzeitigen
Sach- und Streitstand ist ein auf Ausgleich des Zeichnungsscha-
dens gerichteter Schadensersatzanspruch der Kla¨gerin gegen den
Beklagten zu 2 nicht auszuschließen.
Kein Schadensersatz wegen Prospekthaftung
34
I
a)
Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon aus-
gegangen, dass die Kla¨gerin vom Beklagten zu 2 Schadensersatz
– wegen eingetretener Verja¨hrung
18
– nicht nach den Grundsa¨t-
zen der Prospekthaftung im engeren Sinn verlangen kann. Auch
eine Prospekthaftung im weiteren Sinn scheidet aus. Durch die
Pra¨sentation des Beklagten zu 2 und die Darstellung seiner film-
spezifischen Erfahrungen in dem Prospekt wird kein u¨ber das
hierdurch hergerufene typisierte Vertrauen hinausgehendes be-
sonderes perso¨nliches Vertrauen in Anspruch genommen
19
. Die
Revision erhebt insoweit auch keine Ru¨gen.
Zu den Voraussetzungen eines deliktischen Schadensersatz-
anspruchs gegen den Initiator
35
I
b)
Jedoch hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen ei-
nes Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten zu 2 auf de-
liktsrechtlicher Grundlage mit unzutreffenden Erwa¨gungen ver-
neint.
Zum Anspruch wegen Kapitalanlagebetrugs gem. § 823 Abs. 2
BGB i. V. mit § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie § 826 BGB
36
I
aa)
Es kommt nach Maßgabe nachzuholender tatsa¨chlicher
Feststellungen ein Anspruch der Kla¨gerin gegen den Beklagten
zu 2 gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 264a Abs. 1 Nr. 1
StGB sowie § 826 BGB in Betracht.
37
I
Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB setzt die schuldhafte
Verletzung eines Schutzgesetzes voraus. § 264a StGB ist ein sol-
ches Gesetz
20
. Der Kapitalanlagebetrug gem. § 264a Abs. 1
Nr. 1 StGB erfordert in der hier allein in Betracht kommenden
Variante, dass der Ta¨ter im Zusammenhang mit dem Vertrieb
von Beteiligungen an dem Ergebnis eines Unternehmens in Pro-
spekten hinsichtlich der fu¨r die Entscheidung u¨ber den Erwerb
erheblichen Umsta¨nde gegenu¨ber einem gro¨ßeren Kreis von Per-
sonen nachteilige Tatsachen verschweigt. Dies umfasst auch Fa¨l-
le, in denen er die Unrichtigkeit erst zu einem spa¨teren Zeit-
punkt erkennt. Dementsprechend wird eine Aktualisierungs-
pflicht angenommen, also eine Verpflichtung zum Nachreichen
richtigstellender Informationen, wenn sich eine Unrichtigkeit
oder Unvollsta¨ndigkeit der urspru¨nglichen Angaben erst spa¨ter
infolge gea¨nderter Umsta¨nde einstellt
21
.
Zur Wirksamkeit der in den Prospekten wiedergegebenen Mit-
telverwendungskontrolle
38
I
Zu den fu¨r den Erwerbsentschluss der Anleger erheblichen
Umsta¨nden geho¨rte bei den in Rede stehenden Fonds auch die
Wirksamkeit der in den Prospekten wiedergegebenen Mittelver-
wendungskontrolle. Dementsprechend stellte es einen offen-
barungspflichtigen Umstand dar, wenn diese Kontrolle aufgrund
einer den praktischen Bedu¨rfnissen oder den Gescha¨ftsgebra¨u-
chen der Filmbranche nicht hinreichend Rechnung tragenden
vertraglichen Ausgestaltung ohne „großfla¨chigen“ Ru¨ckgriff auf
die Ermessensklauseln u¨berhaupt nicht funktionieren konnte.
Gleiches wu¨rde gelten, wenn sich im Rahmen der Zusammen-
arbeit von Komplementa¨r-Gesellschaft und Mittelverwendungs-
kontrolleur eine tatsa¨chliche Handhabung dergestalt etabliert
ha¨tte, dass die formalen Voraussetzungen fu¨r die Mittelfreigaben
durch die Inanspruchnahme der Ermessensklauseln fortlaufend
und systematisch u¨berspielt worden wa¨ren. Hiervon ist auch das
Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgegangen. Seine
Wu¨rdigung, aus dem Vortrag der Kla¨gerin zur tatsa¨chlichen Ab-
wicklung der Mittelverwendungskontrolle ergebe sich aber nicht,
dass im Rahmen der Ta¨tigkeit der Fondsgesellschaften von den
Ermessensklauseln des § 4 Nr. 11.1 beziehungsweise § 4 Nr. 10
der Mittelverwendungskontrollvertra¨ge systematisch zweckwid-
rig Gebrauch gemacht wurde, beruht jedoch auf von der Revisi-
on zutreffend geru¨gten Rechtsfehlern. . . . (Wird ausgefu¨hrt.)
Ungerechtfertigte Qualifizierung des Vorbringens der Kla¨gerin
als unbeachtliche Behauptung „ins Blaue hinein“
39 . . . 42
I
(1)
. . .
(3)
Begru¨ndet ist die weitere Ru¨ge der Revision,
das Berufungsgericht habe das beweisbewehrte – und nicht gem.
§ 531 Abs. 2 ZPO unberu¨cksichtigt gebliebene – Vorbringen
der Kla¨gerin, die in § 4 Nr. 6a der Mittelverwendungskontroll-
vertra¨ge bestimmten regula¨ren Voraussetzungen fu¨r die Freigabe
der jeweiligen ersten Raten fu¨r die Filmproduktionen seien von
vornherein nicht einzuhalten gewesen, zu Unrecht als unbeacht-
liche Behauptung in Blaue hinein behandelt. Sollte dieser Vor-
trag zutreffen, la¨ge hierin ein aufkla¨rungspflichtiger Umstand,
weil in diesem Fall § 4 Nr. 6 der Mittelverwendungskontrollver-
tra¨ge leergelaufen wa¨re. (Wird ausgefu¨hrt.)
Anforderungen an die Pru¨fung der Voraussetzungen der Ermes-
sensklauseln
43 . . . 48
I
(4)
Schließlich ru¨gt die Revision mit Recht, dass das
Berufungsgericht dem Vortrag der Kla¨gerin nicht nachgegangen
ist, bei Anwendung der Ermessensklauseln habe sich die Beklag-
te zu 1 regelma¨ßig mit Pauschalbegru¨ndungen fu¨r die Eilbedu¨rf-
tigkeit zufrieden gegeben, habe die im Rahmen der Ermessens-
entscheidung gebotene Abwa¨gung nicht getroffen, und bei dem
Fonds MBP KG II ha¨tten die nach § 4 Nr. 11.2 des Mittelver-
wendungskontrollvertrags erforderlichen Stellungnahmen des
Co-Produzenten oder des unechten Auftragsproduzenten nicht
vorgelegen. Die Vorinstanz hat gemeint, die Pru¨fung der Vo-
raussetzungen der Ermessensklauseln betreffe nur das „Wie“ der
18 Vgl. nur BGH-Urteil vom 7. 12. 2009 – III ZR 15/08, NJW 2010 S. 1077, Rdn.
26, m. w. N.
19 Siehe nur BGH-Urteil vom 4. 5. 2004 – XI ZR 41/03, DB0066344 = NJW-RR
2005 S. 23 (25 f.), m. w. N.
20 BGH-Urteil vom 1. 3. 2010 – II ZR 213/08, DB 2010 S. 898 = NJW-RR 2010
S. 911, Rdn. 24; vom 29. 5. 2000 – II ZR 280/98, DB 2000 S. 1609 = NJW
2000 S. 3346, und vom 21. 10. 1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116 S. 7 (13 f.) =
DB 1992 S. 728.
21
Tiedemann
, in: Leipziger Komm-StGB, 12. Aufl., § 264a Rdn. 82;
Wohlers
, in:
Mu¨nchKomm-StGB, § 264a Rdn. 38;
Grotherr
, DB 1986 S. 2584 (2586 f.).
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
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