Entscheidungen
Einkommensteuer
Einku¨nfteerzielungsabsicht bei langja¨hrigem
Leerstand von Wohnungen
Leerstehendes Wohngrundstu¨ck – Vorab entstandene Wer-
bungskosten – Einku¨nfteerzielungsabsicht – Vermietungs-
bemu¨hungen
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 2, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
1. Aufwendungen fu¨r eine nach Herstellung leerstehende Woh-
nung ko¨nnen als vorab entstandene Werbungskosten abzieh-
bar sein, wenn der Stpfl. die Einku¨nfteerzielungsabsicht hin-
sichtlich dieses Objekts erkennbar aufgenommen und sie
spa¨ter nicht aufgegeben hat.
2. Grds. steht es dem Stpfl. frei, die im Einzelfall geeignete Art
und Weise der Platzierung des von ihm angebotenen Miet-
objekts am Wohnungsmarkt und ihrer Bewerbung selbst zu
bestimmen. Die Frage, welche Vermarktungsschritte als er-
folgversprechend anzusehen sind, bestimmt sich nach den
Umsta¨nden des Einzelfalls; dem Stpfl. steht insoweit ein in-
haltlich angemessener, zeitlich begrenzter Beurteilungs-
spielraum zu.
3. Auch die Reaktion auf „Mietgesuche“ – d. h. die Kontaktauf-
nahme seitens des Stpfl. mit etwaigen Mietinteressenten –
kann als ernsthafte Vermietungsbemu¨hung anzusehen sein;
in diesem Fall sind jedoch an die Nachhaltigkeit solcher Be-
mu¨hungen erho¨hte Anforderungen zu stellen.
BFH-Urteil vom 11. 12. 2012 – IX R 68/10
u
DB0585184
Die Kla¨ger, in den Streitjahren (2002–2006) zusammen zur ESt ver-
anlagte Eheleute, errichteten in den Jahren 2000 und 2001 im rd. 400
Einwohner umfassenden Ortsteil H der im strukturschwachen Land-
kreis M gelegenen Gemeinde E ein Zweifamilienhaus mit insgesamt ca.
240 qm Wohnfla¨che. Die ca. 170 qm große Wohnung im Erd- und
Obergeschoss des Hauses nutzten die Kla¨ger nach Fertigstellung ab
Mitte 2001 zu eigenen Wohnzwecken. Die seit dem 1. 12. 2003 be-
zugsfertige Wohnung im Untergeschoss mit ca. 70 qm Wohnfla¨che
stand zwischen Dezember 2003 und Mai 2007 leer und ist seit dem
1. 6. 2007 zu einem Mietzins i. H. von 250 € pro Monat zzgl. Neben-
kosten fremdvermietet.
In ihren ESt-Erkla¨rungen fu¨r die Streitjahre machten die Kla¨ger einen
Werbungskostenu¨berschuss bei den Einku¨nften aus Vermietung und
Verpachtung geltend, der sich aus anteilig auf die leerstehende Unterge-
schosswohnung entfallenden Aufwendungen fu¨r Schuldzinsen, GrSt,
Versicherungen und sonstigen Kosten sowie den nach § 7 Abs. 5 EStG
gesetzlich vorgesehenen AfA fu¨r das Gesamtgeba¨ude zusammensetzte.
Im Nachgang zu ihrer ESt-Erkla¨rung fu¨r 2005 erkla¨rten die Kla¨ger auf
Anfrage des FA, sie ha¨tten trotz ihrer bisherigen Vermietungsbemu¨-
hungen noch keinen Mieter gefunden. Aus den von den Kla¨gern in die-
sem Zusammenhang vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass sie seit
Anfang 2004 laufend die Anzeigen in einer regionalen Wochenzeitung
auf einschla¨gige „Mietgesuche“ hin durchgegangen sind. Im Jahr 2004
nahmen sie in fu¨nf Fa¨llen, im Jahr 2005 in 13 Fa¨llen und im Jahr 2006
in 21 Fa¨llen mit Mietinteressenten Kontakt auf. Ausweislich der im fi-
nanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten detaillierten Unterlagen haben
die Kla¨ger auf diese Weise mit nahezu allen Interessenten, die in der re-
gionalen Wochenzeitung eine Wohnung im la¨ndlichen Raum um M
gesucht haben und mithin fu¨r eine Anmietung des Objekts infrage ka-
men, auch tatsa¨chlich Kontakt aufgenommen. U¨ berdies haben die Kla¨-
ger im Jahr 2007 selbst eine Vermietungsanzeige in der regionalen Wo-
chenzeitung geschaltet. Sa¨mtliche Kontaktaufnahmen seitens der Kla¨ger
sowie die Vermietungsanzeige im Jahr 2007 blieben im Ergebnis ohne
Erfolg. Erga¨nzend haben die Kla¨ger u¨ber den gesamten Zeitraum die
Wohnung in ihrer unmittelbaren ra¨umlichen („do¨rflichen“) Umgebung
perso¨nlich angeboten; der derzeitige Mieter der Untergeschosswoh-
nung, der das Objekt zum 1. 6. 2007 angemietet hat, konnte letztlich
u¨ber diese „Mundpropaganda“ gefunden werden.
Das FA sah in dem Vorgehen der Kla¨ger keine ernsthaften und nach-
haltigen Vermietungsbemu¨hungen und setzte in Streitjahren die Ein-
ku¨nfte der Kla¨ger aus Vermietung und Verpachtung mit 0 € an. Die
hiergegen gerichteten Einspru¨che der Kla¨ger, die sie im Wesentlichen
damit begru¨ndeten, dass sie la¨ngere Zeit gebraucht ha¨tten, einen Mieter
zu finden, weil auf dem o¨rtlichen Wohnungsmarkt ein U¨ berangebot be-
standen habe und die Wohnung wegen ihrer Abgelegenheit sowie der
fehlenden Verkehrsanbindung schwer zu vermieten sei, hatten keinen
Erfolg. Das FG wies die dagegen erhobene Klage als unbegru¨ndet ab
1
.
Das FG vertrat die Auffassung, die Kla¨ger ha¨tten – zusa¨tzlich zu ihren
tatsa¨chlichen Bemu¨hungen – weitere Maßnahmen zur Vermietung un-
ternehmen und diese in den Streitjahren auch kontinuierlich steigern
mu¨ssen. Insbesondere ha¨tten die Kla¨ger erkennen ko¨nnen und mu¨ssen,
dass die von ihnen gewa¨hlten Maßnahmen, die nahezu ausschließlich in
der Reaktion auf sog. Mietgesuche bestanden hatten, offensichtlich er-
folglos seien. So ha¨tte es nahegelegen, einen Makler einzuschalten,
selbst Anzeigen in verschiedenen Tageszeitungen oder Anzeigenbla¨t-
tern aufzugeben, die Wohnung im Internet auf speziellen Immobilien-
seiten anzubieten oder den geforderten Mietzins an die schwierige Si-
tuation anzupassen. Gerade die schwere Vermietbarkeit der Wohnung
aufgrund ihrer ra¨umlichen Abgelegenheit ha¨tte es erfordert, gro¨ßere
Anstrengungen zur Vermietung zu unternehmen. Aus der Tatsache,
dass das Objekt seit dem 1. 6. 2007 dauerhaft vermietet sei, ko¨nne nicht
auf eine Vermietungsabsicht in der Vergangenheit geschlossen werden.
AUS DEN GRU¨ NDEN
Entscheidung
1 . . . 11
I
Die Revision ist begru¨ndet und fu¨hrt nach § 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Stattgabe der Klage. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen,
dass die Kla¨ger in den Streitjahren ohne Einku¨nfteerzielungs-
absicht gehandelt haben.
Verfahrensru¨ge greift nicht durch
12
I
1.
Die geltend gemachte Verfahrensru¨ge greift nicht durch.
Das FG war nicht deshalb i. S. des § 119 Nr. 1 FGO unvor-
schriftsma¨ßig besetzt, weil die an der Entscheidung beteiligten
Berufsrichter vom Bayerischen Staatsminister der Finanzen er-
nannt worden sind
2
. Der Senat sieht i. U¨ . nach § 126 Abs. 6
Satz 1 FGO von einer weiteren Begru¨ndung ab.
Aufwendungen fu¨r leerstehendes Wohngrundstu¨ck ko¨nnen vor-
ab entstandene Werbungskosten sein
13
I
2.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren
geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind
nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung
und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen, und
das heißt, durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit
der beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden) Wohn-
grundstu¨cks an, bevor mit dem Aufwand zusammenha¨ngende
Einnahmen erzielt werden, ko¨nnen sie als vorab entstandene
Werbungskosten beru¨cksichtigt werden, wenn ein ausreichend
1 FG Nu¨rnberg, Urteil vom 8. 7. 2010 – 7 K 292/2008, DStRE 2011 S. 1378.
2 Vgl. BFH-Urteil vom 20. 11. 1997 – VI R 70/97, BFH/NV 1998 S. 609,
m. w. N.
790
Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 15 | 12. 4. 2013
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