(Ta¨terschaft und Teilnahme). Teilnehmer sind der Anstifter
(§ 26 StGB) oder der Gehilfe (§ 27 StGB). Gehilfe ist, wer vor-
sa¨tzlich einem anderen zu dessen vorsa¨tzlich begangener rechts-
widriger Tat Hilfe geleistet hat.
Steuerschuldner muss objektive und subjektive Tatbestands-
merkmale einer Steuerhinterziehung verwirklichen
a)
Unter Beru¨cksichtigung der strafrechtlichen Anforderungen
setzt die Haftung als Gehilfe einer Steuerhinterziehung voraus,
dass der Steuerschuldner die objektiven und subjektiven Tat-
bestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ver-
wirklicht hat. Der Steuerschuldner muss eine der in § 370
Abs. 1 AO beschriebenen Tathandlungen mit Vorsatz begangen
und dadurch Steuern verku¨rzt haben. Der Gehilfe muss dazu
vorsa¨tzlich Hilfe geleistet haben. Das setzt eine von Vorsatz ge-
tragene Beihilfehandlung voraus. Der Vorsatz des Gehilfen muss
sich daru¨ber hinaus auch auf die Haupttat, also die Steuerhinter-
ziehung durch den Steuerschuldner erstrecken (sog. doppelter
Gehilfenvorsatz). Steuerrechtlich setzt die Haftung weiter vo-
raus, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverha¨ltnis noch
existiert (Akzessorieta¨t der Haftung).
Verfahrensrechtlich sind AO und FGO maßgebend, nicht aber
die StPO
b)
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von Normen des
materiellen Strafrechts – hier des § 370 AO – bei der Anwen-
dung steuerrechtlicher Vorschriften wie § 169 Abs. 2 Satz 2 AO
oder § 71 AO von den Finanzbeho¨rden und den Gerichten der
Finanzgerichtsbarkeit festzustellen, sind verfahrensrechtlich die
Vorschriften der AO und der FGO maßgebend und nicht die
StPO
3
. Danach hat das FG gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 FGO
aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens
gewonnenen U¨ berzeugung zu entscheiden, ob fu¨r den Erlass
eines Haftungsbescheids nach § 71 AO diejenigen Tatsachen
vorliegen, die den Tatbestand des Strafgesetzes ausfu¨llen. Aller-
dings darf es sich fu¨r die Feststellung einer Steuerhinterziehung
nicht auf die Anwendung eines reduzierten Beweismaßes oder
eine Scha¨tzung beschra¨nken; verbleibende Zweifel gehen nach
den Regeln der Feststellungslast zulasten des FA
4
.
Zu den Anforderungen an die richterliche U¨ berzeugungsbildung
c)
Welche Anforderungen gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 FGO
im Einzelfall an die richterliche U¨ berzeugungsbildung gestellt
werden mu¨ssen, entzieht sich weitgehend abstrakter Festlegung.
Grds. muss sich das Gericht die volle U¨ berzeugung vom Vorlie-
gen der entscheidungserheblichen Tatsachen bilden. Das bedeu-
tet, dass der Tatrichter ohne Bindung an gesetzliche Beweis-
regeln und nur seinem perso¨nlichen Gewissen unterworfen per-
so¨nliche Gewissheit in einem Maße erlangt, dass er an sich mo¨g-
liche Zweifel u¨berwindet und sich von einem bestimmten Sach-
verhalt als wahr u¨berzeugen kann, wobei der Richter nicht eine
von allen Zweifeln freie U¨ berzeugung anstreben darf, sich in tat-
sa¨chlich zweifelhaften Fa¨llen vielmehr mit einem fu¨r das prakti-
sche Leben brauchbaren Grad von Gewissheit u¨berzeugen
muss
5
.
BFH grds. an tatsa¨chliche Feststellungen des FG gebunden
d)
Nach § 118 Abs. 2 FGO ist der BFH an die im angefochte-
nen Urteil getroffenen tatsa¨chlichen Feststellungen gebunden, es
sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zula¨ssige und
begru¨ndete Revisionsgru¨nde vorgebracht sind. Die Feststellung
oder Nichtfeststellung von Tatsachen durch das FG ist danach
der revisionsrechtlichen Nachpru¨fung weitgehend entzogen. Sie
ist grds. nur insoweit revisibel, als Versto¨ße gegen die Verfah-
rensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungs-
sa¨tze vorgekommen sind. I. U¨ . binden die tatsa¨chlichen Feststel-
lungen das Revisionsgericht schon dann, wenn sie nicht zwin-
gend, sondern nur mo¨glich sind
6
. Ein revisionsrechtlich beacht-
licher Verstoß gegen die rechtlichen Anforderungen an die
U¨ berzeugungsbildung oder das erforderliche Maß von U¨ berzeu-
gung kann deshalb nur angenommen werden, wenn das FG die
in § 96 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 FGO angeordneten gesetzlichen
Maßsta¨be fu¨r die U¨ berzeugungsbildung in grundlegender Weise
verkannt hat.
2.
Nach diesen Maßsta¨ben begegnet das angefochtene Urteil
keinen rechtlichen Bedenken. (. . .)
Bei verbleibenden tatsa¨chlichen Zweifeln an einer Steuerhin-
terziehung ist der Haftungstatbestand des § 71 AO zu vernei-
nen
aa)
Sie beruhen im rechtlichen Ausgangspunkt auf der st. Rspr.,
dass die Haftung nach § 71 AO die Verwirklichung des Tat-
bestands einer Steuerhinterziehung i. S. des § 370 Abs. 1 AO
voraussetzt und die entsprechenden Tatsachen durch das FG
hinsichtlich einer sicher bestimmbaren Zahl von Fa¨llen fest-
zustellen sind. Das setzt tatsa¨chliche Feststellungen dazu voraus,
dass der jeweilige Inhaber des in das Ausland transferierten Ka-
pitals daraus in der Folge Ertra¨ge erzielt hat, die der Besteuerung
im Inland unterlagen, dass er z. B. unrichtige Angaben in seiner
Steuererkla¨rung gemacht, dadurch Steuern hinterzogen und da-
bei vorsa¨tzlich gehandelt hat. Außerdem musste das FG feststel-
len, dass der jeweilige Steueranspruch noch existierte und nicht
z. B. durch Zahlung oder Verja¨hrung erloschen war.
Kann das FG verbleibende tatsa¨chliche Zweifel, ob und in wel-
chem Umfang Steuerhinterziehungen begangen wurden, nicht
ausra¨umen, muss es wegen der insoweit bestehenden Feststel-
lungslast des FA zu dessen Lasten den Haftungstatbestand i. S.
des § 71 AO verneinen (vgl. dazu unter 1. b)).
Gruppenbezogene Betrachtung fu¨r Steuerhinterziehung unzu-
la¨ssig, denn . . .
bb)
Die Auffassung des FA, zur Begru¨ndung der Haftung gem.
§ 71 AO reiche auch ohne entsprechende einzelfallbezogene tat-
sa¨chliche Feststellungen schon eine hinreichend sichere Annah-
me einer Steuerhinterziehung i. S. einer gruppenbezogenen Be-
trachtung aus (hier der nicht enttarnten Kunden), findet im Ge-
setz keine Stu¨tze.
. . . die strafrechtlichen Begriffe gebieten auf den Einzelfall ab-
stellende Betrachtung
(1)
Schon die strafrechtlichen Begriffe (Steuerhinterziehung,
Teilnahme) gebieten fu¨r die Anwendung des § 71 AO eine grds.
auf den Einzelfall abstellende Betrachtung. Der BFH ist stets
davon ausgegangen, dass die im Steuerrecht vorkommenden Be-
griffe des Strafrechts auch materiell-rechtlich wie im Strafrecht
zu beurteilen sind
3
. Auch die steuerrechtliche Akzessorieta¨t der
Haftung kann nur bezogen auf das einzelne Steuerrechtsverha¨lt-
nis gepru¨ft werden.
3 Vgl. nur BFH-Beschluss vom 5. 3. 1979 – GrS 5/77, BStBl. II 1979 S. 570
(573) = DB 1979 S. 1330.
4 Vgl. BFH-Urteil vom 14. 8. 1991 – X R 86/88, BStBl. II 1992 S. 128 = DB
1992 S. 191 (Ls.);
Boeker
, in: Hu¨bschmann/Hepp/Spitaler, § 71 AO Rdn. 19.
5 Vgl. BFH-Urteil vom 24. 3. 1987 – VII R 155/85, BFH/NV 1987 S. 560; vom
7. 11. 2006 – VIII R 81/04, BStBl. II 2007 S. 364 = DB 2007 S. 669;
Beschluss vom 9. 3. 2011 – X B 153/10, BFH/NV 2011 S. 965.
6 Vgl. nur
Gra¨ber/Ruban
, FGO, 7. Aufl., § 118 Rdn. 30, m. w. N.
DER BETRIEB | Nr. 15 | 12. 4. 2013
Steuerrecht
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