auch noch unten IV. 3.). Die Solvenz der Restgesellschaft ist
durch das Eigentum an dem in Deutschland belegenen Gesell-
schaftsvermo¨gen in den Grenzen des Erreichbaren gewa¨hrleistet.
Schließlich ermo¨glicht die Konstruktion die Fortfu¨hrung des
Gescha¨ftsbetriebs, denn das (inla¨ndische) Vermo¨gen bleibt
in
einer Hand
erhalten
26
. Dieser Aspekt der Kontinuita¨t la¨sst die
Annahme einer Restgesellschaft gegenu¨ber einem Bruchteils-
eigentum der Gesellschafter vorzugswu¨rdig erscheinen
27
.
Rechtsdogmatisch ko¨nnte man zwar auch gegen die Restgesell-
schaft einwenden, sie widerspreche dem Prinzip der „Einheit der
juristischen Person“
28
. Immerhin erha¨lt die Restgesellschaft die
Einheit der juristischen Person aber insoweit, als dies in den
Grenzen, die das Territorialita¨tsprinzip setzt, mo¨glich ist
29
. Fu¨r
die Theorie der Restgesellschaft spricht schließlich, dass sie die
Aufgabe, u¨ber den Fortbetrieb zu entscheiden, den Gesellschaf-
tern und damit denjenigen auferlegt, die sie am besten erfu¨llen
ko¨nnen. Unter Effizienzgesichtspunkten erschiene es bedenk-
lich, wenn man den Gesellschaftern i. S. einer „obligationsrecht-
lichen Lo¨sung“
30
lediglich einen Abfindungsanspruch gegen das
inla¨ndische Gesellschaftsvermo¨gen zuerkennen und damit den
Fortbetrieb von vornherein verhindern wu¨rde.
4. Zwei Unternehmenstra¨ger?
Es kommt auch in Betracht, vomBestehen zweier Unternehmens-
tra¨ger auszugehen
31
. Dann bestu¨nde die fru¨here Limited in Form
der Restgesellschaft als Tra¨gerin des inla¨ndischen Vermo¨gens fort,
wa¨hrend man die Fortsetzung der Gescha¨ftsta¨tigkeit einem neuen
Unternehmenstra¨ger zuordnen wu¨rde. Gegebenenfalls ko¨nnte die
Restgesellschaft dem neuen Unternehmenstra¨ger ihr Vermo¨gen
u¨bertragen. Allerdings handelt es sich bei dieser U¨ berlegung um
eine praxisferne Fiktion, denn tatsa¨chlich gibt es nur ein Unter-
nehmen. Es du¨rften sich deswegen schwierige Abgrenzungsfragen
stellen (z. B.: Wem geho¨rt welcher Vermo¨gensgegenstand? Wer
ist Vertragspartner, wenn das Unternehmen rechtsgescha¨ftlich ta¨-
tig wird?), deren Kla¨rung im Einzelfall unmo¨glich sein ko¨nnte.
Außerdem unterla¨ge das Vermo¨gen der Restgesellschaft – auch
ohne eine U¨ bertragung – dem Zugriff des neuen Unternehmens-
tra¨gers. Faktisch ko¨nnte sich hieraus eine Benachteiligung der
Gla¨ubiger der Restgesellschaft ergeben, denn derenHaftungsmas-
se wu¨rde sukzessive kleiner, wenn der neue Unternehmenstra¨ger
die Vermo¨gensgegensta¨nde vera¨ußern und die Erlo¨se fu¨r sich be-
anspruchen wu¨rde. Mo¨gen hier auch Ausgleichsanspru¨che in Be-
tracht kommen, so du¨rfte zumindest deren Durchsetzung Schwie-
rigkeiten bereiten. Insgesamt erscheint es deswegen vorzugswu¨r-
dig, von der Restgesellschaft als einzigem Unternehmenstra¨ger
auszugehen.
IV. Anwendbares Recht
Erkennt man an, dass die aufgelo¨ste Limited im Inland als Rest-
gesellschaft fortbesteht, stellt sich die Frage des Gesellschaftssta-
tuts, also die Frage nach dem auf die Restgesellschaft anwend-
baren Recht (
lex causae
). Zum Teil wird argumentiert, es sei mit
der Niederlassungsfreiheit unvereinbar, wenn man die fru¨here
Limited nun als Personengesellschaft deutschen Rechts
„(um-)qualifiziere“. Auch nach der Lo¨schung sei englisches
Recht anzuwenden
32
. Dagegen wird wiederum eingewandt, dass
die Niederlassungsfreiheit des AEUV nach Lo¨schung der Limi-
ted die Anwendung der Gru¨ndungstheorie nicht mehr gebiete,
denn eine ausla¨ndische Gesellschaft gebe es nun nicht mehr.
Ginge man von einem Fortbestand der Limited in Bezug auf das
in Deutschland belegene Vermo¨gen aus – sei es auch als „Rest-
Limited“ –,
widerspreche
das der Niederlassungsfreiheit mo¨gli-
cherweise sogar, denn es wu¨rde missachtet, dass die Limited
nach englischem Recht gerade nicht mehr existiert. Deswegen
soll deutsches Recht maßgeblich sein
33
.
1. Drei Deutungsmo¨glichkeiten
Ein genaueres Hinsehen zeigt, dass es im Ergebnis gar nicht da-
rauf ankommt, ob man den vorliegenden Sachverhalt im Lichte
der Niederlassungsfreiheit betrachtet oder nicht. Man gelangt in
jedem Fall zur Anwendbarkeit deutschen Rechts:
a) Sitztheorie
Wenn man der Auffassung ist, der vorliegende Sachverhalt un-
terfalle der Niederlassungsfreiheit nach Lo¨schung der Limited
nicht mehr, ist das anwendbare Recht nach den allgemeinen
deutschen Kollisionsregeln zu bestimmen. Traditionell ist hier
die Sitztheorie maßgeblich
34
, wenngleich deren Anwendung
heute starker Kritik ausgesetzt ist
35
. Nach der Sitztheorie kommt
deutsches Gesellschaftsrecht zur Anwendung, wenn – wie in
den hier interessierenden Konstellationen u¨blich – der Verwal-
tungssitz der Limited (bzw. jetzt: der Restgesellschaft) in
Deutschland liegt
36
.
b) Gru¨ndungstheorie unter Außerachtlassung des grenzu¨berschrei-
tenden Bezugs des Sachverhalts
Wenn man hingegen meint, in Deutschland gelte auch fu¨r Sach-
verhalte ohne europarechtlichen Bezug die Gru¨ndungstheorie
37
,
25 Vgl. OLG Du¨sseldorf vom 10. 5. 2010, a.a.O. (Fn. 9); OLG Nu¨rnberg vom
10. 8. 2007, a.a.O. (Fn. 16); OLG Jena vom 22. 8. 2007, a.a.O. (Fn. 6), ZIP
2007 S. 1709 (1710);
Knu¨tel
, RIW 2004 S. 503 (505);
Ro¨der
, RIW 2007 S.
866 (867).
26 Zur Frage, ob die Restgesellschaft werbend ta¨tig sein kann, s. noch unten V.
27 S. dazu auch
Kindler
, a.a.O. (Fn. 16), IntGesR, Rdn. 1022, der allerdings
auch eine Gesamthandsgemeinschaft ablehnt, da sie dem Wesen der juristi-
schen Person widerspreche.
28 Vgl.
Paulick
, in: FS Raschhofer, 1977, S. 181 (196).
29 In diesem Sinne auch
Kindler
, a.a.O. (Fn. 16), IntGesR, Rdn. 1032;
Werner
,
GmbHR 2008 S. 43 (44);
Wiedemann
, Gesellschaftsrecht, Bd. I, 1980, § 15
Abs. 2 Satz 1 (S. 851).
30 Dazu aus dem a¨lteren Schrifttum
Fe´aux de la Croix
, in: FS Mo¨hring, 1965,
S. 23 (34);
Sto¨cker
, WM 1966 S. 746 (754 f.);
Wiedemann
, a.a.O. (Fn. 21),
S. 811 (816 f.); s. auch
Kindler
, a.a.O. (Fn. 16), IntGesR, Rdn. 1028, m. w. N.
31 Zu diesem Gedanken vgl.
Lamprecht
, ZEuP 2008 S. 289 (316).
32
Lamprecht
, ZEuP 2008 S. 289 (291, 300);
J. Schmidt
, ZIP 2008 S. 2400
(2401); i. E. ebenso
Eidenmu¨ller
, in: Eidenmu¨ller, Ausla¨ndische Kapitalge-
sellschaften im deutschen Recht, 2004, § 9 Rdn. 17;
Kindler
, a.a.O. (Fn. 16),
IntGesR, Rdn. 1041;
Kro¨mker/Otte
, BB 2008 S. 964 (965).
33 So
Borges
, IPRax 2005 S. 134 (137);
Werner
, GmbHR 2008 S. 43 (44); a¨hn-
lich
Leible/Lehmann
, GmbHR 2007 S. 1095 (1097 f.); fu¨r die werbende Ge-
sellschaft auch
Zimmer/Naendrup
, ZGR 2007 S. 789 (807); s. auch OLG Du¨s-
seldorf vom 10. 5. 2010, a.a.O. (Fn. 9); OLG Jena vom 22. 8. 2007, a.a.O.
(Fn. 6), ZIP 2007 S. 1709 (1710).
34 Dafu¨r zuletzt BGH-Urteil vom 27. 10. 2008 – II ZR 158/06, Trabrennbahn,
BGHZ 178 S. 192 (198 f.) = DB 2008 S. 2825; dem zustimmend
Hellgardt/Ill-
mer
, NZG 2009 S. 94 (95 f.);
Kindler
, IPRax 2009 S. 189 (190);
Mansel/
Thorn/R. Wagner
, IPRax 2009 S. 1 (4 f.);
Weller
, IPRax 2009 S. 202 (206 f.);
s. auch
Fleischer/Wedemann
, AcP 209 (2009) S. 597 (625 f.): Die Entschei-
dung des BGH lasse sich „sachlich rechtfertigen“. Fu¨r die Sitztheorie auch
Ebke
, JZ 2003 S. 927 (929 f.);
Horn
, NJW 2004 S. 893 (897);
Hu¨ffer
, AktG,
10. Aufl. 2012, § 1, Rdn. 32;
Kindler
, a.a.O. (Fn. 16), IntGesR, Rdn. 420 ff.,
455;
Weller
, ZGR 2006 S. 748 (766); s. allerdings auch
Trautrims
, ZHR 176
(2012) S. 435 (449) und
passim
, der darlegt, dass die Tradition der Sitz-
theorie in Deutschland nicht so weit zuru¨ckreiche wie bisweilen behauptet
wird. Insbesondere habe das Reichsgericht in nur einer Entscheidung (RG,
JW 1934 S. 2845), die noch dazu zur Zeit des Nationalsozialismus erging,
auf die Sitztheorie zuru¨ckgegriffen.
35 Kritisch zur Trabrennbahn-Entscheidung des BGH etwa
Balthasar
, RIW 2009
S. 221 (223);
Bayer/J. Schmidt
, ZHR 173 (2009) S. 735 (740 f.);
Kieninger
,
NJW 2009 S. 292 (293);
R. Koch/Eickmann
, AG 2009 S. 73 (74 f.);
Lieder/
Kliebisch
, BB 2009 S. 338 (339).
36 So
Borges
, IPRax 2005 S. 134 (138 f.).
37 So etwa
Eidenmu¨ller
, ZIP 2002 S. 2233 (2244);
Leible/Hoffmann
, RIW 2002
S. 925 (930, 934);
Paefgen
, WM 2003 S. 561 (570);
Rehm
, in: Eidenmu¨ller,
Ausla¨ndische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 2
Rdn. 87 f. Zur Kritik an der Sitztheorie s. auch
Schanze/Ju¨ttner
, AG 2003
S. 661 (665 f.).
DER BETRIEB | Nr. 15 | 12. 4. 2013
Wirtschaftsrecht
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