bzw. wenn der Gesetzgeber sich doch noch zu deren Kodifizie-
rung durchringen kann
38
, kommt es darauf an, nach welchem
Recht die Restgesellschaft entstanden ist. Hier steht man grund-
sa¨tzlich vor dem Problem, dass es sich bei der Restgesellschaft
um einen fingierten Fortbestand der Limited handelt und es
deswegen einen formellen Gru¨ndungsakt nicht gibt. Es kommt
deswegen darauf an, das fingierte Entstehen der Restgesellschaft
als „Quasi-Gru¨ndungsakt“ kollisionsrechtlich zu werten. Inso-
weit ko¨nnte man den grenzu¨berschreitenden Bezug des Sachver-
halts mit Blick darauf ausblenden, dass die Restgesellschaft von
vornherein nur in Deutschland entsteht. Es liegt dann nahe, die
Restgesellschaft als nach deutschem Recht gegru¨ndet anzusehen.
Nach der Gru¨ndungstheorie gilt bei dieser Argumentation deut-
sches Recht
39
.
c) Gru¨ndungstheorie im Lichte der „Umwandlung“
Vertritt man die Ansicht, die Niederlassungsfreiheit gebiete hier
die Anwendung der Gru¨ndungstheorie, weil es um einen gren-
zu¨berschreitenden Sachverhalt geht, der zwei Mitgliedstaaten
der Europa¨ischen Union betrifft, muss man die „Vorgeschichte“
der Restgesellschaft in seine U¨ berlegungen einbeziehen. So be-
trachtet, stellt sich die Entstehung der Restgesellschaft als eine
„Umwandlung“ des „deutschen Teils“ der Limited dar. In der
Sache geht es bei dem fingierten Fortbestand der Limited als
Restgesellschaft also um die Annahme einer Art
grenzu¨ berschrei-
tenden Formwechsels
, wobei der Formwechsel zuna¨chst jedenfalls
darin besteht, dass die fru¨here Limited nicht mehr in der ur-
spru¨nglichen Form existiert, sondern in Gestalt der Restgesell-
schaft. Nur die Annahme eines Formwechsels tra¨gt der Nieder-
lassungsfreiheit hinreichend Rechnung, denn diese gebietet es,
die Lo¨schung der Limited im Vereinigten Ko¨nigreich zu be-
achten
40
. Grenzu¨berschreitend ist der Formwechsel deshalb, weil
es sich hier zuna¨chst um eine in Deutschland ta¨tige englische
Gesellschaft handelt, der aber ihr Bezug zum Heimatland durch
die dortige Lo¨schung genommen wird. U¨ brig bleibt nur der
„deutsche Teil“ der Gesellschaft.
Gegen die Vergleichbarkeit mit einem grenzu¨berschreitenden
Formwechsel ließe sich zwar einwenden, der „normale“ Form-
wechsel beruhe immer auf einem entsprechenden Willen der
Gesellschafter und an einem solchen Willen fehle es hier. Zu-
mindest liegt aber die Ursache fu¨r das Erlo¨schen der alten
Rechtsform in der Missachtung der Publizita¨tspflichten des eng-
lischen Rechts und damit in der
Spha¨re der Gesellschafter
(s. dazu
unter III.). Es geht hier also zwar nicht um einen
willentlichen
,
wohl aber um einen
fahrla¨ssig verursachten
Formwechsel. Dieser
Unterschied a¨ndert nichts daran, dass auch die Theorie der Rest-
gesellschaft von einem Formwechsel ausgeht, der – nochmals –
jedenfalls darin besteht, dass die Limited nicht mehr in ihrer ur-
spru¨nglichen Form existiert. Es liegt deswegen nahe, das Entste-
hen der Restgesellschaft zumindest insoweit gleich einem gren-
zu¨berschreitenden Formwechsel zu behandeln, als es auf das wil-
lentliche Handeln der Gesellschafter nicht ausdru¨cklich an-
kommt.
Fu¨r den grenzu¨berschreitenden Formwechsel zwischen Mit-
gliedstaaten der Europa¨ischen Union hat der EuGH im Juli
2012 in der Rechtssache
Vale
41
entschieden, dass es „zur Gru¨n-
dung einer Gesellschaft“ nach dem Recht des Aufnahmestaats
kommt
42
. Diese Aussage
kann
man im Wortsinne verstehen:
Bei einem Formwechsel wird eine deutsche Gesellschaft ge-
gru¨ndet, auf die nach der Gru¨ndungstheorie deutsches Recht
Anwendung findet. Wenn man so weit nicht gehen will, weil
es „bei der Auslegung von Grundfreiheiten nicht um gesell-
schaftsrechtliche Dogmatik [geht]“
43
, wird man aber zumindest
auf die Feststellung des EuGH abstellen ko¨nnen, wonach der
Aufnahmestaat auch bei einem grenzu¨berschreitenden Form-
wechsel das nationale Umwandlungsrecht anwenden darf
44
.
Nach deutschem Umwandlungsrecht sind bei einem Form-
wechsel die fu¨r die neue Rechtsform geltenden Gru¨ndungsvor-
schriften anzuwenden, § 197 UmwG. Der Formwechsel wird
in Deutschland also
wie eine Gru¨ ndung
behandelt. Was folgt
daraus fu¨r die Entstehung der Restgesellschaft? Erstens kann
man dem Urteil des EuGH die Wertung entnehmen, dass es
der Niederlassungsfreiheit nicht widerspricht, wenn man auch
grenzu¨berschreitende Sachverhalte nach deutschem Umwand-
lungsrecht beurteilt. Zweitens entha¨lt das deutsche Umwand-
lungsrecht die Wertung, wonach der Formwechsel wie eine
Neugru¨ndung zu behandeln ist. „Wandelt“ sich also eine Limi-
ted in eine Restgesellschaft, ist die Restgesellschaft als neu ge-
gru¨ndet anzusehen. Die Gru¨ndung erfolgt in Deutschland und
damit nach deutschem Recht.
2. Rechtsform der Restgesellschaft
Welche Rechtsform hat die Restgesellschaft, wenn sie nach
deutschem Gesellschaftsrecht zu beurteilen ist
45
? In Betracht
kommt zuna¨chst, die Restgesellschaft als eine Limited deutscher
Pra¨gung zu behandeln, also die Rechtsnormen der Gesellschafts-
form des deutschen Rechts entsprechend anzuwenden, die der
Limited am na¨chsten kommt. Das wa¨re das Recht der GmbH
46
.
Diesem Ansatz steht allerdings entgegen, dass die deutschen
Vorschriften u¨ber die Gru¨ndung einer GmbH (§§ 7 ff.
GmbHG) nicht eingehalten wurden
47
. Außerdem stellt sich die
Frage, welchen Wert die kollisionsrechtlich begru¨ndete An-
wendbarkeit inla¨ndischen Rechts eigentlich noch hat, wenn auf
sachrechtlicher Ebene dann doch das ausla¨ndische Recht fort-
wirken soll – sei es auch in Gestalt der entsprechenden Anwen-
dung des GmbH-Rechts. Es bleibt nur die Mo¨glichkeit, die
Restgesellschaft als Personengesellschaft zu qualifizieren. Es
handelt sich deswegen um eine Gesellschaft bu¨rgerlichen Rechts
(GbR) oder, wenn die Restgesellschaft ein Handelsgewerbe be-
treibt (§§ 105, 1 Abs. 2 HGB), um eine Offene Handelsgesell-
schaft (OHG)
48
.
38 S. zuletzt Art. 10 des Referentenentwurfs fu¨r ein Gesetz zum Internationalen
Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 7. 1.
2008, abrufbar unter
privatrecht-der-gesellschafen [letzter Abruf: 22. 3. 2013].
39 A¨ hnlich
Borges
, IPRax 2005 S. 134 (139);
Leible/Lehmann
, GmbHR 2007
S. 1095 (1098).
40 S. dazu auch den Text zu und die Nachweise in Fn. 34; insoweit außerdem
auch
Lamprecht
, ZEuP 2008 S. 289 (301).
41 EuGH-Urteil vom 12. 7. 2012 – Rs. C-378/10, Vale, DB 2012 S. 1614; s. dazu
etwa
Bayer/J. Schmidt
, ZIP 2012 S. 1481;
Behme
, NZG 2012 S. 936;
G. H.
Roth
, ZIP 2012 S. 1744;
Teichmann
, DB 2012 S. 2085;
Weller
, LMK 2012,
336113.
42 EuGH vom 12. 7. 2012, a.a.O. (Fn. 41), Rdn. 51; s. insoweit auch
Behme
,
NZG 2012 S. 936 (938).
43 So
Teichmann
, DB 2012 S. 2085 (2090).
44 EuGH vom 12. 7. 2012, a.a.O. (Fn. 41), Rdn. 51 f.; zur Gegenauffassung
s.
Sto¨ber
, ZIP 2012 S. 1273 (1277).
45 Zu Rechtsform- und Typenzwang im deutschen Gesellschaftsrecht s. all-
gemein
Karsten Schmidt
, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 5 II 3
(S. 101 ff.), § 5 Abs. 3 III 1 c) (S. 111 ff.).
46 So vertreten von
Leible/Lehmann
, GmbHR 2007 S. 1095 (1098);
Werner
,
GmbHR 2008 S. 43 (44); s. auch
Wiedemann
, a.a.O. (Fn. 29), § 15 Abs. 2
Satz 1 (S. 850 f.).
47 So auch
Borges
, IPRax 2005 S. 134 (141);
Ro¨der
, RIW 2007 S. 866 (868);
Zimmer/Naendrup
, ZGR 2007 S. 789 (808).
48 Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Limited nur einen Gesellschafter
hatte. Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt keine Ein-Mann-Personenge-
sellschaft, sodass es sich bei der Rest-„gesellschaft“ in diesem Fall um den
Betrieb eines Einzelkaufmanns bzw. um das Vermo¨gen einer Privatperson
handelt. S. dazu auch
Zimmer/Naendrup
, ZGR 2007 S. 789 (809); AG Duis-
burg vom 14. 10. 2003, a.a.O. (Fn. 19), IPRax 2005 S. 151 (152).
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 15 | 12. 4. 2013