bestehenden nationalen Aufsichts- und Insolvenzrecht zu ver-
zahnen. Wa¨hrend die A¨ nderungen des Kreditwesengesetzes
hauptsa¨chlich die zentralen Gegenparteien betreffen und auch
Versicherer und Investmentfonds der EMIR spezialgesetzlich
unterworfen werden sollen, werden insbesondere Unternehmen
aus der Realwirtschaft erstmals ausdru¨cklich vom Geltungs-
bereich des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) erfasst. A¨ nde-
rungen im Insolvenzrecht zielen darauf ab, zentralen Gegenpar-
teien bei der Abwicklung von Kundenpositionen nach Ausfall
eines Clearingmitglieds ein Ho¨chstmaß an Verfahrensautonomie
gegenu¨ber dem Insolvenzverwalter einzura¨umen.
Das EMIR-Umsetzungsgesetz schafft die technische Verbin-
dung zwischen den materiellen Pflichten, die in der EMIR ent-
halten sind, und formellen Regelungen wie z. B. Details zu den
erforderlichen Mitteilungen an die Aufsichtsbeho¨rden und deren
Zusta¨ndigkeiten. Wie im Kreditwesengesetz (KWG) begru¨ndet
der Gesetzgeber auch hier die grundsa¨tzliche Zusta¨ndigkeit der
Bundesanstalt fu¨r Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) fu¨r die
U¨ berwachung, die Gestattung und die Einhaltung der unter
EMIR bestehenden Compliance-Pflichten. Nichtbeachtungen
der Compliance-Pflichten sind auch fu¨r nichtfinanzielle Gegen-
parteien bußgeldbewehrt (§ 39 Abs. 2e WpHG) und werden
ggf. auf der Internetseite der BaFin o¨ffentlich bekannt gemacht
(§ 40b Abs. 4 WpHG).
III. Compliance-Pflichten von Unternehmen der Real-
wirtschaft unter EMIR
Neben den in Art. 2 Nr. 8 EMIR als „finanzielle Gegenparteien“
bezeichneten Einheiten erfasst und reguliert EMIR unmittelbar
auch Unternehmen der Realwirtschaft
30
. Diese Unternehmen
sind in Art. 2 Nr. 9 EMIR mit dem Begriff „nichtfinanzielle
Gegenparteien“ bezeichnet.
Nach der Pru¨fung, ob ein Unternehmen tatsa¨chlich als nicht-
finanzielle Gegenpartei qualifiziert, sind im Anschluss die ein-
zelnen Compliance-Pflichten unter EMIR darauf durchzumus-
tern, ob und in welchem Umfang sich ihr Anwendungsbereich
auch auf nichtfinanzielle Gegenparteien erstreckt (vgl. Art. 1
Abs. 2 Satz 2 EMIR). Die gesetzlichen Differenzierungskrite-
rien sind vielfa¨ltig.
1. Perso¨nlicher Anwendungsbereich: Nichtfinanzielle Gegen-
parteien
Nichtfinanzielle Gegenparteien definiert die EMIR als Resi-
dualkategorie, d. h. ein Marktteilnehmer ist vor allem immer
dann eine nichtfinanzielle Gegenpartei, wenn er nicht unter die
Definition der finanziellen Gegenpartei gem. Art. 2 Nr. 9
EMIR fa¨llt
31
. Als weitere Voraussetzung tritt hinzu, dass es sich
bei der nichtfinanziellen Gegenpartei um ein in der Union nie-
dergelassenes Unternehmen handeln muss und dass es sich nicht
um eine CCP
32
handeln darf.
a) Keine finanzielle Gegenpartei
Finanzielle Gegenparteien sind zugelassene Wertpapierfirmen,
Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Ru¨ckversicherer,
OGAW und ggf. ihrer gem. der OGAW-RL zugelassenen Ver-
waltungsgesellschaften, Einrichtungen der betrieblichen Alters-
versorgung sowie alternative Investmentfonds i. S. der AIFM-
RL (vgl. Art. 2 Ziff. 8 EMIR). Im Wesentlichen muss es sich
also um in der EU regulierte Institute handeln. Altersversor-
gungssysteme profitieren von U¨ bergangsregelungen (Art. 89
EMIR).
b) Unternehmensbegriff
Der Unternehmensbegriff ist in der EMIR nicht definiert.
Wa¨hrend privatwirtschaftliche Unternehmen regelma¨ßig als
„Unternehmen“ einzuordnen sein du¨rften, ko¨nnen sich fu¨r die
o¨ffentliche Hand insoweit interessante Abgrenzungsfragen erge-
ben
33
. Privatpersonen sind von vornherein nicht erfasst.
c) In der EU
Die nichtfinanzielle Gegenpartei muss definitionsgema¨ß in der
EU niedergelassen sein. In Drittstaaten ansa¨ssige Gegenparteien
reguliert EMIR grundsa¨tzlich nicht; dort gilt das jeweilige Hei-
matrecht
34
.
2. Die einzelnen Compliance-Pflichten
Einige Compliance-Pflichten, die Unternehmen der Realwirt-
schaft unter EMIR zu beachten haben, gelten stets, andere nur
dann, wenn die Volumina im OTC-Derivategescha¨ft gewisse
Schwellenwerte u¨berschreiten. Ferner ko¨nnen Gruppenausnah-
men privilegierende Wirkung entfalten. Vor diesem Hinter-
grund kann wie folgt unterschieden werden:
a) Meldepflichten
Neben CCPs sind sa¨mtliche „Gegenparteien“ verpflichtet, die
Einzelheiten aller von ihnen geschlossenen Derivatekontrakte
und jeglicher A¨ nderung oder Beendigung von Kontrakten an ein
sog. Transaktionsregister zu melden. Fu¨r clearingpflichtige Deri-
vatekontrakte wird es regelma¨ßig zu Mehrfachmeldungen kom-
men, denn nach Abschluss des Kontrakts zwischen den Gegen-
parteien (1. Meldung) sind auch die Spiegelungen des Gescha¨fts
im Verha¨ltnis zum CCP zu melden (2. Meldung). Die Einzel-
heiten sind spa¨testens an dem auf den Abschluss, die A¨ nderung
oder Beendigung des Kontraktes folgenden Arbeitstag zu mel-
den (Art. 9 Abs. 1 EMIR).
aa) Perso¨nlicher und sachlicher Anwendungsbereich
Die Meldepflicht gilt ohne Ausnahme fu¨r alle der EMIR unter-
worfenen
35
Derivatemarktteilnehmer und bildet damit gleichsam
das umsetzungsrelevante Minimum, das im Derivategescha¨ft ta¨-
tige Unternehmen zu beachten haben. Der Wortlaut der Norm
knu¨pft – begrifflich unscharf – lediglich allgemein an „Gegen-
parteien“ an. Es bleibt offen, ob damit nur die in der EMIR de-
finierten finanziellen und nichtfinanziellen Gegenparteien ge-
meint sind oder ob noch eine dritte Kategorie ero¨ffnet sein soll.
Folgte man dem zuletzt genannten Versta¨ndnis, ka¨me es bei
nichtfinanziellen Gegenparteien – Art. 2 Nr. 9 EMIR wa¨re ja
nicht einschla¨gig – auf die Unternehmenseigenschaft oder die
EU-Ansa¨ssigkeit gar nicht mehr an, was insbesondere bei multi-
29 Ausfu¨hrungsgesetz zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 u¨ber OTC-Derivate,
zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR-Ausfu¨hrungsgesetz)
vom 13. 2. 2013, BGBl. I 2013 S. 174.
30
Schwenk
, jurisPR-BKR 11/2012 Anm. 1; Ziff. B. I. 2. c). Soweit nachfolgend
zuweilen von „Unternehmen“ gesprochen wird, sind ausschließlich nicht-
finanzielle Gegenparteien i. S. des Art. 2 Nr. 9 EMIR gemeint.
31
Schwenk
, a.a.O. (Fn. 30), Ziff. B. I. 2. c) (2).
32 Gem. Art. 2 Nr. 1 EMIR ist CCP eine juristische Person, die zwischen die Ge-
genparteien der auf einem oder mehreren Ma¨rkten gehandelten Kontrakte
tritt und somit als Ka¨ufer fu¨r jeden Verka¨ufer bzw. als Verka¨ufer fu¨r jeden
Ka¨ufer fungiert.
33 Vgl.
Ko¨hling/Adler
, WM 2012 S. 2125 (2130), die an den (funktionalen) Un-
ternehmensbegriff des europa¨ischen Wettbewerbsrechts anknu¨pfen.
34 Zum internationalen Umsetzungsstand vgl. FSB, OTC Derivatives Market Re-
forms, Third Progress Report on Implementation (Stand: 15. 6. 2012), S. 66
ff. sowie Fn. 7. Eine wichtige Ausnahme besteht bei der Clearingpflicht
(s. Ziff. 2. 2 (c) (v)).
35 Von EMIR von Vorneherein insgesamt ausgenommen sind die in Art. 1 Abs. 4
EMIR genannten Einrichtungen.
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
Wirtschaftsrecht
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