der Haftung wegen Existenzvernichtung. Es stu¨tzt sich maßgeb-
lich darauf, dass das Sanierungskonzept, an dem die Beklagten
zu 1 und 3 beteiligt gewesen seien, nicht darauf gerichtet gewe-
sen sei, der Schuldnerin Vermo¨gen zu entziehen oder sie gar
auszuplu¨ndern, sondern sie finanziell zu entlasten. Damit stellt
das Berufungsgericht die von den Beklagten vermeintlich ver-
folgten Ziele in den Mittelpunkt. Eine besondere, auf die Scha¨-
digung der Gesellschaft oder ihrer Gla¨ubiger gerichtete Absicht
setzt die Haftung wegen Existenzvernichtung aber nicht voraus.
Die Sittenwidrigkeit folgt bereits aus der Erfu¨llung der objekti-
ven Voraussetzungen. In subjektiver Hinsicht genu¨gt bedingter
Vorsatz. Ein solcher liegt vor, wenn dem handelnden Gesell-
schafter bewusst ist, dass durch von ihm selbst oder mit seiner
Zustimmung veranlasste Maßnahmen das Gesellschaftsver-
mo¨gen sittenwidrig gescha¨digt wird; dafu¨r reicht es aus, dass
ihm die Tatsachen bewusst sind, die den Eingriff sittenwidrig
machen, wa¨hrend ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht er-
forderlich ist. Eine derartige Sittenwidrigkeit betrifft nicht nur
die Fa¨lle, in denen die Vermo¨gensentziehung geschieht, um den
Zugriff der Gla¨ubiger auf dieses Vermo¨gen zu verhindern, son-
dern ist auch dann anzunehmen, wenn die faktische dauerhafte
Beeintra¨chtigung der Erfu¨llung der Verbindlichkeiten die vo-
raussehbare Folge des Eingriffs ist und der Gesellschafter diese
Rechtsfolge in Erkenntnis ihres mo¨glichen Eintritts billigend in
Kauf genommen hat
11
.
Keine Ablehnung des Anspruchs wegen existenzvernichtenden
Eingriffs aus anderen Gru¨nden
22
I
c)
Ein Anspruch des Kla¨gers wegen existenzvernichtenden
Eingriffs kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen
nicht aus anderen Gru¨nden verneint werden.
Zur Haftung wegen U¨ bertragung von Vermo¨gen der Schuldnerin
ohne Wertausgleich
23
I
aa)
Die U¨ bertragung von Vermo¨gen der Schuldnerin auf
eine von ihrem Alleingesellschafter beherrschte Schwestergesell-
schaft kann zur Haftung des Gesellschafters wegen Existenzver-
nichtung fu¨hren, wenn die U¨ bertragung ohne angemessenen
Wertausgleich erfolgt
12
. An einem solchen Wertausgleich kann
es im Streitfall fehlen, falls die von der Beklagten zu 3 u¨bernom-
menen Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenu¨ber der Be-
klagten zu 1 Darlehen betrafen, die nach den damals geltenden
Grundsa¨tzen zum Eigenkapitalersatz rechtlich gebunden waren.
Dann konnten sie von der Beklagten zu 1 nicht zuru¨ckgefordert
werden und waren im Insolvenzverfahren u¨ber das Vermo¨gen
der Schuldnerin nachrangig. Die U¨ bernahme solcher Verbind-
lichkeiten durch die Beklagte zu 3 konnte aus der Sicht der
Gla¨ubiger der Schuldnerin den Verlust des u¨bertragenen Ver-
mo¨gens nicht ausgleichen.
24
I
Ob die Darlehen der Beklagten zu 1 als Kapitalersatz gebun-
den waren, la¨sst sich mangels ausreichender Feststellungen nicht
abschließend beurteilen. Eine Qualifizierung als funktionales
Eigenkapital kommt in Betracht, wenn die Schuldnerin bei der
Gewa¨hrung der Darlehen und bis zum Vertragsschluss vom
16. 11. 2000 nicht nur bilanziell, sondern im insolvenzrecht-
lichen Sinne u¨berschuldet war. Rangru¨cktritte der Beklagten zu
1 sind bei dieser Beurteilung zu beru¨cksichtigen, sofern sie die
Voraussetzungen eines so genannten qualifizierten Ru¨cktritts er-
fu¨llen; in diesem Fall sind die betroffenen Darlehensverbindlich-
keiten nicht zu passivieren
13
.
Zur Verja¨hrung des Anspruchs wegen Existenzvernichtung
25
I
bb)
Von weiteren Feststellungen ha¨ngt auch ab, ob ein An-
spruch wegen Existenzvernichtung zum Zeitpunkt der Einrei-
chung des Prozesskostenhilfegesuchs (§ 204 Abs. 1 Nr. 14
BGB) im Jahr 2006 bereits verja¨hrt war. Weil sich der An-
spruch auf § 826 BGB stu¨tzt, richtet sich die Verja¨hrung nicht
nach den Sondervorschriften des GmbH-Gesetzes, sondern
nach den allgemeinen Regeln
14
. Die Verja¨hrung des Anspruchs
kann sich unter Beru¨cksichtigung der U¨ berleitungsvorschrift
des Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB entweder aus § 852
BGB a. F. oder aus § 195, § 199 Abs. 1 BGB n. F. ergeben.
Beide Normen knu¨pfen den Beginn der Verja¨hrung an subjek-
tive Voraussetzungen in der Person des Anspruchsinhabers. Da
dieser im Streitfall eine GmbH ist, kommt es auf die Kenntnis-
se ihrer Gescha¨ftsfu¨hrer als gesetzlicher Vertreter an. Eine Zu-
rechnung scheidet allerdings aus, soweit diese selbst als Scha¨di-
ger anzusehen sind, weil sie am Abschluss der vertraglichen
Vereinbarung vom 16. 11. 2000 als scha¨digender Handlung be-
teiligt waren
15
. Zurechenbar sind hingegen Kenntnisse von ge-
setzlichen Vertretern, die an der scha¨digenden Handlung nicht
beteiligt waren, gleichviel, ob sie ihre Organstellung zu diesem
Zeitpunkt bereits innehatten oder erst spa¨ter erworben haben.
Es kommt daher fu¨r die Bestimmung des Verja¨hrungsbeginns
darauf an, ob die Schuldnerin neben den beiden Gescha¨ftsfu¨h-
rern B. und R., die den Kaufvertrag vom 16. 11. 2000 fu¨r die
Schuldnerin unterzeichneten, damals noch weitere Gescha¨fts-
fu¨hrer hatte, die an der U¨ bertragung der Assets nicht beteiligt
waren, oder ob sie zu einem spa¨teren Zeitpunkt einen oder
mehrere neue Gescha¨ftsfu¨hrer erhielt, welche u¨ber die voraus-
gesetzten Kenntnisse verfu¨gten.
Zur Verja¨hrung der Anspru¨che unter dem rechtlichen Gesichts-
punkt des Eigenkapitalersatzes
26
I
3.
Anspru¨che unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des
Eigenkapitalersatzes hat das Berufungsgericht als verja¨hrt erach-
tet, weil den Beklagten keine „bo¨sliche Handlungsweise“ zur
Last falle. Die gegebene Begru¨ndung tra¨gt diese Beurteilung je-
doch nicht.
Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts in Gestalt der Novel-
lenregeln (§§ 32b, 32a Abs. 2, 3 GmbHG a. F.) und der Recht-
sprechungsregeln
27
I
a)
Anzuwenden ist das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt
der Novellenregeln (§§ 32b, 32a Abs. 2, 3 GmbHG a. F.) und
der Rechtsprechungsregeln (§ 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 GmbHG
a. F. analog). Denn das Insolvenzverfahren ist am 1. 5. 2004
und damit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisie-
rung des GmbH-Rechts und zur Beka¨mpfung von Missbra¨u-
chen (MoMiG) am 1. 11. 2008 ero¨ffnet worden
16
.
11 BGH vom 16. 7. 2007, a.a.O. (Fn. 5), Rdn. 30.
12 BGH-Urteil vom 24. 6. 2002 – II ZR 300/00, BGHZ 151 S. 181 (187) = DB
2002 S. 1875; vom 20. 9. 2004 – II ZR 302/02, DB 2004 S. 2468 = ZIP 2004
S. 2138 (2140); vom 23. 4. 2012, a.a.O. (Fn. 6), ZIP 2012 S. 1071, Rdn. 17
f.
13 BGH-Urteil vom 8. 1. 2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146 S. 264 (271 f.) = DB
2001 S. 373; vom 1. 3. 2010 – II ZR 13/09, DB 2010 S. 1233 = ZIP 2010
S. 1078, Rdn. 6.
14 BGH-Urteil vom 9. 2. 2009 – II ZR 292/07, BGHZ 179 S. 344 = DB 2009
S. 891, Rdn. 33; vom 24. 7. 2012, a.a.O. (Fn. 9), Rdn. 14.
15 BGH-Urteil 12. 6. 1989 – II ZR 334/87, DB 1989 S. 1762 (1764); vom 9. 2.
2009, a.a.O. (Fn. 14), Rdn. 34.
16 BGH-Urteil vom 26. 1. 2009 – II ZR 260/07, BGHZ 179 S. 249 = DB 2009
S. 670, Rdn. 15 ff.; vom 28. 2. 2012 – II ZR 115/11, DB 2012 S. 971 = WM
2012 S. 843, Rdn. 14.
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
1...,50,51,52,53,54,55,56,57,58,59 61,62,63,64,65,66,67,68,69,70,...104