auch einen indirekten Absicherungscharakter bzgl. bestimmter
Risiken sowie auf die Frage beziehen, ob der OTC-Deri-
vatekontrakt als Sicherungsgescha¨ft nach IFRS einzuordnen
ist
66
.
Erfasst sind z. B. OTC-Derivatekontrakte, die Risiken aus
potenziellen Vera¨nderungen des Werts der Vermo¨genswerte,
Dienstleistungen, Einsatzgu¨ter, Produkte, Rohstoffe oder Ver-
bindlichkeiten abdecken, die die nichtfinanzielle Gegenpartei
(oder deren Gruppe) (i) besitzt, erzeugt, herstellt, verarbeitet,
erbringt, erwirbt oder im Rahmen von Merchandising ver-
marktet, (ver)least, verkauft oder eingeht oder (ii) bei norma-
lem Verlauf ihrer Gescha¨ftsta¨tigkeit nach vernu¨nftigem Ermes-
sen zu besitzen, zu erzeugen, herzustellen, zu verarbeiten, zu
erbringen, zu erwerben, im Rahmen von Merchandising zu
vermarkten, zu (ver)leasen, zu verkaufen oder einzugehen ver-
mag
67
. Mit abgedeckt ist die Risikovorsorge durch OTC-Deri-
vatevertra¨ge, die potenzielle indirekte Auswirkungen auf die
zuvor genannten Anknu¨pfungspunkte durch Schwankungen
von Zinssa¨tzen, Inflationsraten, Devisenkursen oder Kreditrisi-
ken abdecken
68
.
Privilegiert ist auch das sog. Proxy-Hedging. Dabei handelt
es sich um OTC-Derivatekontrakte, die sich nicht exakt, son-
dern „nur“ na¨herungsweise auf das Risiko des zugrunde liegen-
den Gescha¨fts beziehen
69
. Ferner vertritt ESMA die Auffas-
sung, dass das sog. Portfolio Hedging (das Hedging einer Kon-
zern- bzw. Gruppeneinheit fu¨r sa¨mtliche Konzern- bzw. grup-
penangeho¨rigen Unternehmen) objektiv risikoreduzierend sein
kann
70
. Ebenfalls Hedging-Gescha¨ft sind objektiv risikoredu-
zierende OTC-Derivatekontrakte, die nach Wegfall eines
Grundgescha¨fts (z. B. nach Erfu¨llung eines Kreditvertrages)
nicht ihrerseits beendet werden, sondern aus o¨konomischen
Gru¨nden weiterlaufen sollen, und denen nun selbst ein – das
fortbestehende Kontraktrisiko aufhebender – Gegenkontrakt
gegenu¨bergestellt wird
71
. Sodann sind OTC-Derivatekontrakte,
die Wertpapierlieferpflichten unter Mitarbeiterbeteiligungspro-
grammen (z. B. Aktienoptionen) absichern, als Hedging-Ge-
scha¨ft zu betrachten. OTC-Gescha¨fte im Zusammenhang mit
dem Erwerb von anderen Unternehmen sollen ebenfalls privile-
giert sein
72
.
Nichtfinanzielle Gegenparteien, die OTC-Derivatekontrakte
als sog. Hedging-Contracts i. S. der IFRS eingehen und dem-
entsprechend bilanzieren (Hedge-Accounting gem. IRS 39
§§ 71 bis 102), ko¨nnen sich schließlich in jedem Fall auf den ob-
jektiv risikoreduzierenden Charakter des jeweiligen Derivatekon-
trakts berufen
73
. Sie kann aufgrund ihrer ausdru¨cklichen gesetzli-
chen Anerkennung als „Safe Harbour“-Regel eingeordnet wer-
den.
Bei allem ist zu beachten, dass, sobald das OTC-Kontraktvo-
lumen eines Unternehmens die Clearingschwelle u¨berschritten
hat, das Unternehmen insgesamt clearingpflichtig wird. Auf den
objektiv risikoreduzierenden Charakter einzelner Gescha¨fte
kommt es dann nicht mehr an.
bb) Portfolioabgleich
ESMA hat die Wichtigkeit des Portfolioabgleichs betont, um
unterschiedliche Positionen und unterschiedliche Ansichten
u¨ber den Bestand des Portfolios mo¨glichst fru¨hzeitig aufzude-
cken und Unstimmigkeiten auszura¨umen. Hintergrund der Ein-
fu¨hrung dieser Pflicht war die in der Finanzkrise ha¨ufig aufgetre-
tene Unsicherheit, ob und inwieweit u¨berhaupt OTC-Deri-
vatekontrakte abgeschlossen worden waren und in welcher Ho¨he
diese noch existierten.
Die Pflicht zum Portfolioabgleich betrifft ausdru¨cklich
auch nichtfinanzielle Gegenparteien
74
. Die Umsta¨nde, unter
denen derartige Saldenabgleiche der Derivateportfolios (sog.
portfolio reconciliation) durchzufu¨hren sind, mu¨ssen vor Ge-
scha¨ftsabschluss ausdru¨cklich vertraglich vereinbart sein
75
. Sie
erstrecken sich auf die zentralen Bedingungen, die fu¨r den
einzelnen OTC-Derivatekontrakt kennzeichnend sind und
umfassen die letzten Kontraktbewertungen, soweit diese ver-
fu¨gbar sind
76
. Dabei knu¨pfen die in den RTS vorgegebenen
Intervalle (ta¨glich, wo¨chentlich, quartalsweise) an das Volu-
men ausstehender Derivatekontrakte und – wieder – an die
Frage einer etwaigen Schwellenwertu¨berschreitung an
77
. So
haben z. B. kleinere nichtfinanzielle Gegenparteien (also sol-
che unter der Schwelle) mit 100 oder weniger OTC-Deri-
vatekontrakten nur einmal pro Jahr einen Portfolioabgleich
durchzufu¨hren.
cc) Portfoliokomprimierung
Nichtfinanzielle Gegenparteien mit mehr als 500 ausstehenden
OTC-Derivatekontrakten mu¨ssen u¨ber Verfahren verfu¨gen, um
regelma¨ßig und mindestens zweimal ja¨hrlich zu pru¨fen, ob zur
Verringerung des Gegenparteiausfallrisikos eine Portfoliokon-
solidierung (sog. portfolio compression) durchgefu¨hrt werden
kann. Von der anfa¨nglich im Diskussionspapier
78
vorgesehenen
Pflicht, ab U¨ berschreiten einer gewissen Gro¨ßenordnung in je-
dem Fall konsolidieren zu mu¨ssen, ist nicht viel u¨brig geblieben,
zumal Marktteilnehmer nunmehr sogar von der Portfoliokon-
solidierung Abstand nehmen du¨rfen, solange sie der zusta¨ndigen
Beho¨rde eine „hinreichende und stichhaltige“ Erkla¨rung dafu¨r
liefern ko¨nnen, dass eine Portfoliokomprimierung nicht ange-
messen ist
79
.
dd) Kontraktbewertung
Nichtfinanzielle Gegenparteien, die den Schwellenwert u¨ber-
schreiten, sind ferner verpflichtet, ta¨glich auf der Basis der aktu-
ellen Kurse den Wert ausstehender Kontrakte zu ermitteln
(mark-to-market Bewertung, Art. 11 Abs. 2 EMIR). Lassen die
Marktbedingungen eine Bewertung zu Marktpreisen nicht zu,
muss eine zuverla¨ssige und vorsichtige Bewertung zu Modell-
preisen vorgenommen werden (Art. 11 Abs. 2 EMIR). Die
RTS regeln Details zur Frage, wann Marktbedingungen eine
66 Vgl. Art. 10 VO (EU) Nr. 149/2013.
67 Na¨her vgl. Art. 10 Abs. 1 a) VO (EU) Nr. 149/2013. Sowohl die deutsche als
auch die englische Sprachfassung erscheinen ungenau.
68 Na¨her vgl. Art. 10 Abs. 1 b) VO (EU) Nr. 149/2013.
69 Vgl. Wortlaut des Art. 10 VO (EU) Nr. 149/2013 sowie ESMA, Final Report,
a.a.O. (Fn. 14), Rdn. 58.
70 ESMA, Final Report, a.a.O. (Fn. 14), Rdn. 63.
71 ESMA, Final Report, a.a.O. (Fn. 14), Rdn. 63.
72 ESMA, Final Report, a.a.O. (Fn. 14), Rdn. 65.
73 Vgl. Art. 10 Abs. 1 c) VO (EU) Nr. 149/2013. Bei Bilanzierung nach nationa-
lem Recht geht ESMA davon aus, dass als Hedging-Gescha¨ft eingestufte
Kontrakte bereits nach der allgemeinen Definition objektiv zur Risikoredu-
zierung beitragen (vgl. Erwa¨gungsgrund 17 VO (EU) Nr. 149/2013).
74 Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 149/2013.
75 Art. 13 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) Nr. 149/2013.
76 Art. 13 VO (EU) Nr. 149/2013 verweist insoweit auf Art. 11 Abs. 2 EMIR, der
wiederum nur fu¨r nichtfinanzielle Gegenparteien u¨ber dem Schwellenwert
gilt. Insbesondere von dieser Gruppe du¨rften aussagekra¨ftige Daten zur Si-
cherheitenbewertung zu erwarten sein, vgl. Art. 3 Abs. 4 VO (EU) 148/2013
(s. o. bei Fn. 50). Erwa¨gungsgrund (28) VO (EU) Nr. 149/2013 nennt bei-
spielhaft weitere Pru¨fkriterien.
77 Art. 13 Abs. 3 VO (EU) Nr. 149/2013.
78 Vgl. ESMA, Discussion Paper, Draft Technical Standards for the Regulation
on OTC Derivatives, CCPs and Trade Repositories (ESMA/2012/95) vom 16. 2.
2013, Rdn. 52.
79 Vgl. Art. 14 Unterabs. 2 VO (EU) 149/2013.
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
1...,44,45,46,47,48,49,50,51,52,53 55,56,57,58,59,60,61,62,63,64,...104