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12 / 2013
KURS
D
er Mut der Prognostiker war offensichtlich dadurch
gebremst worden, dass der DAXder 30 umsatzstärksten
deutschen Titel 2012 mit einem Plus von 29 Prozent
eine glänzende Performance eingefahren hatte. Dieses Jahr
begann mit 7779. Und das in einem Umfeld, das kaum allzu
große Sprünge nach oben verhieß. Weder das wirtschaftliche
Wachstumnoch die erwarteten Unternehmensgewinne zeigten
eine Qualität, die bei den Kursen eine erhöhte Schubkraft
erwarten ließ. So hatte denn auch der Leitindex bei Halbzeit
mit 7959 gerade mal 4,6 Prozent hinzu gewonnen.
Um so flotter begann jedoch das zweite Halbjahr. Angetrie-
ben von der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zen-
tralbank mit Leitzinsen nahe bei Null und dem die Liquidität
eher noch stärker anreichernden Kurs der US-Zentralbank
brachte es der DAX im dritten Quartal mit 8594 auf ein Plus
von acht Prozent. Allein im September, der unter Börsianern
im Ruf eines gefährlichen Monats steht, kamen satte 6,1
Prozent hinzu.
Im Oktober gewann der deutsche Leitindex weitere 5,1 Pro-
zent und konnte dadurch am 25. Oktober imHandelsverlauf
mit 9011 erstmals die Marke von 9000 überspringen. Die
Tausender-Wegstrecke von 8054 (14. März) bis zu 9011
wurde in gut sieben Monaten zurückgelegt.
Das Rekordhoch von 9011 wurde indessen rasch von neuen
Höchstständen abgelöst. Am 7. November lag die Schlussno-
tierung bei 9176 nach 9194 im Tagesverlauf. Ein Gewinn seit
Jahresbeginn von 20,5 Prozent. Der kräftige Zwischenspurt
wurde dadurch begünstigt, dass sich das geldpolitische Ent-
scheidungsgremium der Fed Ende September entgegen den Er-
wartungen nicht für eine ersteDrosselung der Liquiditätszufuhr
perWertpapierankäufe entscheiden konnte. Das bescherte den
Indices jenseits wie diesseits des Atlantiks weiteren Auftrieb.
Vorübergehend gab es allerdings Irritationen.Ausgelöst vom
starkenWachstum der US-Wirtschaft, die im dritten Quartal
gegenüber den vorangegangenen drei Monaten auf Jahresba-
sis eine überraschende Steigerung um 2,8 Prozent verbuchte.
Noch mehr verblüfften allerdings die Arbeitsmarktzahlen
für Oktober, die mit mehr als 200.000 Neueinstellungen
– erwartet waren im Vorfeld lediglich 125.000 – das beste
Ergebnis seit Februar brachten. Und das heizte sogleich die
Spekulation an, dass die Fed Mitte Dezember die monatli-
chen Wertpapierkäufe kürzen könnte.
Doch die dadurch bedingte Verunsicherung hielt nicht lange
vor. Am 13. November gab Janet Yellen, die designierte
Nachfolgerin von Ben Bernanke, vor dem US-Senat kund,
dass der Aufschwung seit der Rezession zwar gute Fortschrit-
te gemacht habe, die Gesamtwirtschaft und der Arbeitsmarkt
jedoch noch weiter unter ihrem Potenzial blieben. Die Märk-
te honorierten diese Äußerung eindeutig: Sowohl der Dow
Jones (15.822) als auch der marktbreitere Standard&Poor’s
(1782) schlossen auf All-time-highs.
Wie nachhaltig eine mögliche Reduzierung der Wertpapier-
käufe auf die Stimmungslage an den Finanzmärkten durch-
schlägt, demonstrierte der DAX im Tagesverlauf. Vor dem
Yellen-Statement fiel das Barometer bis auf 8981, sprang
danach jedoch bis auf 9075.
Die Frage, wann die Fed – im Februar 2014 wird Janet Yellen
die Nachfolge von Bernanke antreten – den Schalter umlegt,
dürfte damit erst im kommenden Jahr beantwortet werden.
Bis dahin werden die Märkte sich weiterhin überreichlicher
Liquidität erfreuen. Und damit könnte sogar die Erwartung
eines Börsenkommentars aufgehen: „Der DAX nimmt die
Zahl 10.000 ins Visier“. Ein Analyst hält diese Zielmarke
„bei etwas Glück“ bereits im März 2014 für möglich.
Dass nach einer inzwischen fast fünf Jahre währenden Kurs-
Rallye und den jüngsten Rekordständen kritische Stimmen
darauf hinweisen, dass die Luft dünner wird und sich die Ge-
fahr von Übertreibungen abzeichne, kann nicht verwundern.
Das Kurs/Gewinn-Verhältnis der DAX-Konzerne hat den
bisherigen Mittelwert verlassen und sich nach oben verscho-
ben.Hinzu kommt, dass die Unternehmensgewinne imdritten
Quartal eher gemischt ausfielen. Abzuwarten bleibt zudem,
wie die Märkte auf eine Große Koalition reagieren werden.
Kurzum: Bei aller Genugtuung über den kräftigen Kurs-
aufschwung dieses Jahres bleiben Risiken, die sich 2014 in
Erinnerung bringen und damit das derzeit betont freundliche
Bild eintrüben können. Vielleicht ist das auch ein Grund
dafür, dass trotz aller Index-Rekorde eine ausgeprägte Eu-
phorie nicht zu erkennen ist.
Hartmund Hölzer
Dass der deutsche
Leitindex
in diesem Jahr
über 9000 klettern würde, hatten zum Jah-
resauftakt selbst kühne Optimisten nicht
erwartet. So hatte die„Handelsblatt“-Umfrage
bei 34 in- und ausländischen Banken für Ende
2013 lediglich einen Prognosendurchschnitt
von 8029 ergeben.
Im Rausch des
billigen Geldes
FONDS & CO.
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