ermittlung fu¨r 2008 zog der Kla¨ger Fahrzeugkosten i. H. von
8.945,77 € als Betriebsausgaben ab. Darin war ein Betrag i. H. von
996,90 € (3.323 km
H
0,30 €/km) fu¨r betriebliche Fahrten mit dem Pri-
vat-Pkw enthalten. Zudem setzte der Kla¨ger eine Nutzungsentnahme
fu¨r die Privatnutzung des betrieblichen Pkw i. H. von 199,08 € (474 km
H
0,42 €/km) an. Das beklagte FA vertrat die Auffassung, dass die
Fahrten zwischen dem Wohnsitz des Kla¨gers und dem Sitz seines Auf-
traggebers als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebssta¨tte zu beur-
teilen seien und nicht als Fahrten zwischen zwei Betriebssta¨tten, sodass
die Entfernungspauschale zur Anwendung gelange und der Gewinn um
6.146,47 € zu erho¨hen sei. Dagegen war der Kla¨ger der Ansicht, dass er
an seiner Wohnadresse u¨ber eine Betriebssta¨tte verfu¨ge. Sein Einspruch
blieb ohne Erfolg.
AUS DEN GRU¨ NDEN
Das FG Du¨sseldorf hat der Klage stattgegeben. Dabei hat es zu-
na¨chst in verfahrensrechtlicher Hinsicht darauf hingewiesen,
dass der vom Kla¨ger – in U¨ bereinstimmung mit dem beklagten
FA – erkla¨rte Verzicht auf mu¨ndliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2
FGO) unter der Bedingung, dass das Gericht keine Sachver-
haltsfragen mehr habe, wirksam sei. Es handele sich nicht um
eine echte Bedingung, die die Erkla¨rung unwirksam machen
wu¨rde.
In der Sache hat das Gericht judiziert, dass das Abzugsverbot
des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ungeachtet der Frage, ob der
Kla¨ger in seinem Wohnhaus eine Betriebssta¨tte begru¨ndet habe,
nicht zur Anwendung gelange, da er bei seinem Auftraggeber
keine Betriebssta¨tte unterhalte. Eine Betriebssta¨tte i. S. von § 12
AO werde nicht schon dadurch begru¨ndet, dass dem Unterneh-
mer irgendein fu¨r seine Ta¨tigkeit geeigneter Raum zur sta¨ndigen
Nutzung zur Verfu¨gung gestellt werde. Zu einer Betriebssta¨tte
werde dieser nur dann, wenn der Unternehmer eine nicht nur
voru¨bergehende Verfu¨gungsmacht u¨ber die von ihm genutzte
Einrichtung habe. Das bloße Ta¨tigwerden in Ra¨umlichkeiten
des Vertragspartners genu¨ge fu¨r sich genommen nicht, um die
erforderliche Verfu¨gungsmacht zu begru¨nden. Das gelte selbst
dann, wenn die Ta¨tigkeit zeitlich wiederholt und sogar dauerhaft
erbracht werde. Neben der zeitlichen Komponente mu¨ssten zu-
sa¨tzliche Umsta¨nde auf eine o¨rtliche Verfestigung der Ta¨tigkeit
schließen lassen. Denn fu¨r die Begru¨ndung einer Betriebssta¨tte
sei letztlich entscheidend, ob eine unternehmerische Ta¨tigkeit in
einer Gescha¨ftseinrichtung oder Anlage mit fester o¨rtlicher Bin-
dung ausgeu¨bt werde und sich in der Bindung eine gewisse
„Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausu¨bung
der unternehmerischen Ta¨tigkeit ausdru¨cke
1
.
Dem Kla¨ger werde zwar bei seinem Auftraggeber zeitweise ein
Arbeitsplatz zur Verfu¨gung gestellt, er ko¨nne daru¨ber aber nicht
frei verfu¨gen. Es sei ihm nicht erlaubt, an diesem Arbeitsplatz
seinen betrieblichen Belangen nachzugehen oder mit anderen
Kunden zu telefonieren oder Arbeiten fu¨r diese durchzufu¨hren.
Es liege nahe und entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass
ein Auftraggeber seinem Auftragnehmer Zutritt nur in dem
Umfang gewa¨hre, der zur Auftragsdurchfu¨hrung erforderlich sei,
nicht aber daru¨ber hinaus fu¨r eigenbetriebliche Belange des Auf-
tragnehmers bis hin zur Ausfu¨hrung von Auftra¨gen fu¨r andere
Kunden.
Der Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG – die
Gleichbehandlung von Fahrten zwischen Wohnung und Be-
triebs- bzw. Arbeitssta¨tte bei Gewinn- und U¨ berschusseinku¨nf-
ten – stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Zwar sei darin
bislang ein Grund gesehen worden, den Begriff der Betriebssta¨t-
te abweichend vom Normzweck und Versta¨ndnis des § 12 AO
auszulegen. Nachdem die betriebliche Einrichtung des Kunden
des Arbeitgebers nach der neueren Rspr. des BFH
2
keine regel-
ma¨ßige Arbeitssta¨tte des Arbeitnehmers begru¨nden ko¨nne, sei
dieser Grund jedoch entfallen, sodass die Legaldefinition der
Betriebssta¨tte in § 12 AO wieder ohne Einschra¨nkung heran-
zuziehen sei. Die Rspr. zu den Einku¨nften aus nichtselbststa¨ndi-
ger Arbeit sei angesichts der von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG
bezweckten Gleichbehandlung entsprechend auf Aufwendungen
im betrieblichen Bereich anzuwenden. Sie habe zur Folge, dass
Fahrten eines Unternehmers zwischen der Wohnung und einer
Einrichtung eines Kunden nur dann Fahrten zwischen Woh-
nung und Betriebssta¨tte darstellten, wenn der Unternehmer in
der Einrichtung des Kunden eine eigene Betriebssta¨tte i. S. des
§ 12 AO unterhalte. Selbst wenn der Unternehmer lediglich fu¨r
einen Kunden ta¨tig werde, sei es ihm – wie einem in der Ein-
richtung des Kunden eingesetzten Arbeitnehmer – nicht zumut-
bar, seinen Fahrtaufwand dadurch zu reduzieren, dass er seinen
Wohnsitz in die Na¨he der Einrichtung des Kunden verlege, weil
fu¨r ihn ebenso wie fu¨r den Arbeitnehmer ungewiss sei, wie lange
die vertragliche Beziehung zum Kunden erhalten bleibe. Die
Einrichtung des Kunden unterscheide sich in puncto o¨rtlicher
Verfestigung und Dauerhaftigkeit von der aus eigenem Recht
unterhaltenen Betriebssta¨tte des Unternehmers. Nur bei Letzte-
rer erscheine die Verlegung des Wohnsitzes zumutbar, sodass
die Anwendung der Entfernungspauschale gerechtfertigt sei.
Schließlich hat das FG Du¨sseldorf darauf hingewiesen, dass we-
der die vom Kla¨ger aufgrund eines ordnungsgema¨ßen Fahrten-
buchs ermittelte Nutzungsentnahme i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4
Satz 1 ff. EStG (Gebrauch des Betriebs-Pkw fu¨r Privatfahrten)
noch die angesetzte Nutzungseinlage (Gebrauch des Privat-Pkw
fu¨r betriebliche Fahrten) Rechtsfehler erkennen lasse.
>
Anmerkung von RiFG Dipl.-Fw. (FH) Dr. Christian Graw
Nach der Rspr. des fu¨r das LSt-Recht zusta¨ndigen VI. Senats
des BFH stellt die betriebliche Einrichtung eines Kunden des
Arbeitgebers keine regelma¨ßige Arbeitssta¨tte i. S. des § 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 4 EStG a. F. bzw. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG des Ar-
beitnehmers dar. Dem liegt die Erwa¨gung zugrunde, dass sich
der Arbeitnehmer angesichts der Ungewissheit, wie lange die
vertragliche Beziehung zwischen seinem Arbeitgeber und dessen
Kunden noch dauert, darauf typischerweise nicht einstellen und
die Wegekosten nicht durch Wohnsitznahme in der Na¨he der
Betriebssta¨tte des Kunden gering halten kann. Dies rechtfertigt
den unbeschra¨nkten Abzug der Wegekosten. Diese Rspr. hat
das FG Du¨sseldorf aus Gru¨nden der Gleichbehandlung auf den
Bereich der Gewinneinku¨nfte, d. h. den Begriff der Betriebssta¨t-
te i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, u¨bertragen. Dem ist
uneingeschra¨nkt zuzustimmen. So wird auch im Anwendungs-
bereich des § 12 AO davon ausgegangen, dass der Betriebssta¨t-
tenbegriff eine gewisse Verfu¨gungsmacht des Unternehmers vo-
raussetzt
3
. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob der fu¨r Einzel-
gewerbetreibende zusta¨ndige X. Senat des BFH diese Auffas-
sung teilen wird. Die Finanzverwaltung hat die vom FG zugelas-
sene Revision zwischenzeitlich eingelegt (X R 13/13).
Redaktionelle Hinweise:
●
Vgl. auch
Graw
, StR kompakt DB0586766;
●
zur Volltext-Entscheidung online: DB058673.
1 BFH-Urteil vom 4. 6. 2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008 S. 922 = DB0305100.
2 Z. B. Urteil vom 10. 7. 2008 – VI R 21/07, BStBl. II 2009 S. 818 =
DB0301035.
3
Kruse
, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 12 AO Rdn. 11.
1030
Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013