Insolvenzverwalters oder vorla¨ufigen Sachwalters (§ 56a i. V.
mit § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO, § 270a Abs. 1 Satz 2 i. V.
mit § 274 Abs. 1 InsO) sowie bei der Bestellung des Insolvenz-
verwalters oder Sachwalters im ero¨ffneten Verfahren (§ 56a
InsO, § 274 Abs. 1 InsO)
9
. Gem. § 56a Abs. 1 InsO ist der
vorla¨ufige Gla¨ubigerausschuss vor einer Bestellung zu den An-
forderungen, die an den Verwalter oder Sachwalter zu stellen
sind, zu ho¨ren, soweit dies nicht offensichtlich zu einer nachtei-
ligen Vera¨nderung der Vermo¨genslage des Schuldners fu¨hrt.
Letzteres sollte nur dann der Fall sein, wenn der vorla¨ufige
Gla¨ubigerausschuss nicht kurzfristig aussagebereit ist und eine
Anho¨rung daher zu zeitlichen Verzo¨gerungen fu¨hren wu¨rde.
Aus diesem Grunde sollte der vorla¨ufige Gla¨ubigerausschuss
von sich aus das Gespra¨ch mit dem Insolvenzgericht suchen
und entweder konkrete Personen vorschlagen, die als Verwalter
oder Sachwalter in Betracht kommen oder jedenfalls bestimmte
Kriterien vorgeben, die ein zu bestellender Verwalter oder Sach-
walter erfu¨llen sollte. Der vorla¨ufige Gla¨ubigerausschuss kann
auch einen gestuften Vorschlag unterbreiten, in dem zum einen
konkrete Personen vorgeschlagen und fu¨r den Fall, dass das In-
solvenzgericht sachliche Gru¨nde gegen deren Bestellung sieht,
von einem zu bestellenden Verwalter oder Sachwalter zu erfu¨l-
lende Kriterien vorgeben werden. Nach § 56a Abs. 2 Satz 2
InsO hat das Insolvenzgericht diese Kriterien bei der Auswahl
des Verwalters oder Sachwalters zugrunde zu legen. Wenn der
vorla¨ufige Gla¨ubigerausschuss einen einstimmigen Vorschlag
zur Person des zu bestellenden Verwalters oder Sachwalters un-
terbreitet, darf das Gericht davon nur abweichen, wenn die vor-
geschlagene Person fu¨r die U¨ bernahme des Amtes nicht geeig-
net ist. Wurde der vorla¨ufige Gla¨ubigerausschuss vor der Ver-
walter- oder Sachwalterbestellung nicht geho¨rt, kann der vor-
la¨ufige Gla¨ubigerausschuss in seiner ersten Sitzung eine andere
Person wa¨hlen
10
. Hierfu¨r ist gem. § 56a Abs. 3 InsO allerdings
Einstimmigkeit erforderlich.
Entgegen der verbreiteten Vorstellung vieler Gla¨ubiger endet
der Einfluss des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses keinesfalls
bei der Bestellung des Verwalters oder Sachwalters: wa¨hrend
das Insolvenzgericht lediglich eine Rechtma¨ßigkeitskontrolle
hinsichtlich des Verwalter- oder Sachwalterhandelns ausu¨bt
und daher nur bei (erheblichen) Rechtsversto¨ßen ta¨tig werden
kann
11
, kann und muss ein vorla¨ufiger Gla¨ubigerausschuss ne-
ben einer Rechtma¨ßigkeitskontrolle eine umfassende Zweck-
ma¨ßigkeitskontrolle des Verwalterhandelns und in Schutz-
schirm- bzw. vorla¨ufigen Eigenverwaltungsverfahren des Han-
delns des vorla¨ufigen Sachwalters und der Gescha¨ftsfu¨hrung
des Schuldners vornehmen
12
. § 69 InsO, der gem. § 21 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1a InsO auch auf den vorla¨ufigen Gla¨ubigeraus-
schuss Anwendung findet, schreibt konkretisierend vor, dass
die Mitglieder des Ausschusses sich u¨ber den Gang der Ge-
scha¨fte zu unterrichten haben und – nur beispielhaft, nicht ab-
schließend – Bu¨cher und Gescha¨ftspapiere einsehen und den
Geldverkehr und -bestand pru¨fen lassen mu¨ssen. Die Kontrolle
hat dabei nicht nur im Nachhinein zu erfolgen. Erforderlich ist
auch eine begleitende und vorausschauende Kontrolle
13
. Ferner
sollen die Mitglieder des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses den
vorla¨ufigen Verwalter oder den vorla¨ufigen Sachwalter und die
Gescha¨ftsfu¨hrung des Schuldners bei ihren Gescha¨ften unter-
stu¨tzen. Somit erstreckt sich die Einflussnahme des vorla¨ufigen
Gla¨ubigerausschusses auf praktisch alle bedeutenden Maßnah-
men in vorla¨ufigen Verfahren, von denen folgende beispielhaft
erwa¨hnt seien
14
:
– Zustimmung zur Massekreditaufnahme
15
und/oder zu Si-
cherheitenbestellungen,
– Weichenstellungsentscheidungen zur Betriebsfortfu¨hrung
(z. B. Filialschließungen, Umorganisation des Gescha¨fts-
betriebs, Wechsel wichtiger Lieferanten) und vorgezogene
Verwertungen (z. B. Ra¨umungsverkauf, Notverkauf),
– Zustimmung bei der Beantragung von Masseverbindlich-
keitsbegru¨ndungskompetenzen im Wege der Einzelerma¨chti-
gung, zumindest bei solchen gro¨ßeren Umfangs
16
,
– bei Antra¨gen gem. § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO (gerichtliche
„Stop“-Anordnung gegen Ab- und Aussonderungsberechtig-
te),
– Verhandlungen mit ernsthaften Betriebsu¨bernahmeinteres-
senten,
– sta¨ndige Pru¨fung im Schutzschirmverfahren, ob Aufhebungs-
antrag (§ 270b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InsO) zu stellen ist,
– Stellungnahme zum Antrag auf Eigenverwaltung nach § 270
Abs. 3 InsO und
– Kontrolle der angemessenen Vergu¨tung des vorla¨ufigen Ver-
walters oder Sachwalters
17
.
Die Einflussnahmemo¨glichkeiten des vorla¨ufigen Gla¨ubigeraus-
schusses reichen dabei faktisch weit u¨ber die des Gla¨ubigeraus-
schusses im ero¨ffneten Verfahren hinaus, da die wichtigsten Ver-
fahrensentscheidungen bereits zuvor im vorla¨ufigen Verfahren
getroffen werden und im ero¨ffneten Verfahren nur noch bedingt
revidiert werden ko¨nnen. Da die im vorla¨ufigen Verfahren zu
treffenden Maßnahmen i. d. R. sehr zeitkritisch sind, sollte der
vorla¨ufige Gla¨ubigerausschuss auch in deutlich engeren Zeit-
absta¨nden tagen als ein Gla¨ubigerausschuss im ero¨ffneten Ver-
fahren.
V. Haftungsrisiken im vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss
Die Fu¨lle der Aufgaben des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses in
einem Verfahrensstadium, welches entscheidend fu¨r den Verlauf
des gesamten Insolvenzverfahrens ist, la¨sst bereits erahnen, dass
mit einer Mitgliedschaft nicht unerhebliche Haftungsrisiken ver-
bunden sind. Eine Haftung droht dabei in erster Linie aus § 71
i. V. mit § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO. Danach sind die Mit-
glieder des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses den absonderungs-
berechtigten Gla¨ubigern und den Insolvenzgla¨ubigern zum
Schadensersatz verpflichtet, wenn sie schuldhaft ihre mitglied-
schaftlichen Pflichten verletzen. Schuldhaft ist eine Pflichtverlet-
9 Wenn im Folgenden von Verwalter oder Sachwalter gesprochen wird, bezieht
sich dies sowohl auf den vorla¨ufigen Insolvenzverwalter und vorla¨ufigen
Sachwalter als auch auf den Insolvenzverwalter und Sachwalter im ero¨ff-
neten Verfahren.
10 Teilweise wird dieses Recht nur anerkannt, wenn im Zeitpunkt der Bestellung
des Verwalters oder Sachwalters schon ein vorla¨ufiger Gla¨ubigerausschuss
bestand, vgl.
Frind
, ZIP 2012 S. 1380 (1383).
11 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443;
Schmid-Burgk
, a.a.O. (Fn. 4), § 69 Rdn. 12;
fu¨r eine Ausweitung der gerichtlichen Kontrollbefugnisse:
Pape/Schmidt
,
ZInsO 2004 S. 955 (959).
12
Frind
, BB 2013 S. 265; zur Rechtma¨ßigkeitskontrolle:
Wroblewski
, AuR 2012
S. 188 (192);
Ehlers
, BB 2013 S. 259 (262) und fu¨r die Ta¨tigkeit im Gla¨ubi-
gerausschuss im ero¨ffneten Verfahren: OLG Celle, Urteil vom 3. 6. 2010 – 16
U 135/09, NZI 2010 S. 609;
Pape
, ZInsO 2004 S. 955;
Schmid-Burgk
, a.a.O.
(Fn. 4), § 69 Rdn. 11.
13 OLG Celle vom 3. 6. 2010, a.a.O. (Fn. 12);
Pape
, ZInsO 2004 S. 955;
Bank
,
in: Steinwachs/Vallender (Hrsg.), Der Gla¨ubigerausschuss in der Insolvenz
des Firmenkunden, 2012, Rdn. 480.
14 Liste entnommen bei
Frind
, BB 2013 S. 265 (266).
15
Wuschek
, ZInsO 2012 S. 1294 (1301).
16
Siemon
, ZInsO 2012 S. 2009 (2016).
17
Ehlers
, BB 2013 S. 259 (262).
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013