Umsatzsteuer
Zum Leistungsort bei der Vermittlung von Mit-
gliedschaften in Vereinen mit Sitz im Ausland
Vermittlung von Mitgliedschaften – Steuerbarkeit – Ort der
Vermittlungsleistung – Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 5c und Nr. 8f
UStG
UStG 1993 § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4; 6. EG-RL Art. 9 Abs. 1,
Art. 28b Teil E Abs. 3
Vermittelt ein im Inland ansa¨ssiger Unternehmer im Auftrag
eines im Drittland ansa¨ssigen Unternehmers im eigenen Na-
men und fu¨r eigene Rechnung Mitgliedschaften in Vereinen
mit Sitz in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, so liegt der
Ort der Leistung am Sitz des leistenden Unternehmers im In-
land.
BFH-Urteil vom 12. 12. 2012 – XI R 30/10
u
DB0581495
Die Beteiligten streiten daru¨ber, ob die Vermittlung (Werbung) neuer
Mitglieder fu¨r ausla¨ndische Vereine steuerbar (und steuerpflichtig) ist.
Die Mitgliederwerbung fand statt fu¨r Vereine (Tierhilfswerke/Tier-
schutzvereine), die in O¨ sterreich und in den Niederlanden sowie in ge-
ringem Umfang auch in Deutschland ansa¨ssig waren. Die Vermittlung
erfolgte im Auftrag der in der Schweiz ansa¨ssigen X AG. Die X AG
hatte sich gegenu¨ber den Vereinen zur Werbung von Mitgliedern fu¨r
die Vereine verpflichtet. Diese Aufgabe hatte sie zuna¨chst mit einem
„Vertrag u¨ber die Mitgliederwerbung“ vom 1. 12. 1993 auf Z als selbst-
sta¨ndigen Handelsvertreter u¨bertragen. Die Kla¨gerin war als Rechts-
nachfolgerin des Z in diesen Vertrag eingetreten.
Fu¨r jede vermittelte Mitgliedschaft erlangte die Kla¨gerin gegen die X
AG einen Anspruch auf Erst- sowie Folgeprovisionen bzw. einen pro-
zentualen Vergu¨tungsanspruch auf alle Mitgliedsbeitra¨ge, die bei dem
jeweiligen Verein eingingen (§ 7 des Vertrags). Die Vermittlung von
Vereinsmitgliedern hatte die Kla¨gerin teilweise auf einen o¨sterrei-
chischen und einen niederla¨ndischen Handelsvertreter u¨bertragen.
Die Kla¨gerin behandelte die von ihr im Streitjahr 1997 gegenu¨ber der X
AG erbrachten Leistungen als nicht steuerbar gem. § 3a Abs. 2 Nr. 4
Satz 1 UStG 1993 (UStG), wonach eine Vermittlungsleistung an dem
Ort erbracht wird, an dem der vermittelte Umsatz ausgefu¨hrt wird.
Im Anschluss an eine Außenpru¨fung war das FA der Meinung, dass es
sich bei der Ta¨tigkeit der Kla¨gerin um Vermittlungsleistungen handle,
die nach § 3a Abs. 1 UStG als sonstige Leistung im Inland steuerbar
(und steuerpflichtig) seien. (. . .) Das FA erließ unter dem 4. 3. 2004
einen entsprechend gea¨nderten USt-Bescheid fu¨r 1997. Der hiergegen
eingelegte Einspruch der Kla¨gerin blieb ohne Erfolg.
Das FG gab der anschließend erhobenen Klage statt
1
. (. . .) Das FG
fu¨hrte im Wesentlichen aus, dass entgegen der Auffassung des FA die
Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG erfu¨llt seien. Im
Streitfall habe die Kla¨gerin der in der Schweiz ansa¨ssigen X AG Provisi-
onsumsa¨tze vermittelt. Dabei sei vor allem von Bedeutung, dass eine
Vermittlungsleistung auch in den Fa¨llen der Beta¨tigung eines Unterver-
mittlers vorliege, bei der die eingeschaltete Person – wie im Streitfall die
Kla¨gerin – keine vertraglichen Beziehungen zu wenigstens einer der bei-
den Vertragsparteien eingehe. Vertragsparteien seien im Streitfall die
Vereine in O¨ sterreich, den Niederlanden und Deutschland auf der einen
Seite und die angeworbenen Mitglieder auf der anderen Seite. Nach der
neueren Rspr. des EuGH und des BFH sei es fu¨r eine Vermittlungsleis-
tung nicht erforderlich, dass zwischen dem Vermittler und einer der bei-
den Parteien des zu vermittelnden Vertrags ein Vertragsverha¨ltnis beste-
he
2
. Dabei komme es nicht darauf an, ob das zugrunde liegende Rechts-
verha¨ltnis des jeweiligen Vereins zu seinen Mitgliedern steuerbar und
steuerpflichtig sei. Zu Recht verweise die Kla¨gerin insoweit auf das
EuGH-Urteil vom 27. 5. 2004 – Rs. C-68/03
3
. (. . .) Im Streitfall stell-
ten die Beitragszahlungen der potenziellen Vereinsmitglieder an die
Vereine ebenfalls einen nicht steuerbaren Umsatz dar
4
. Im Ergebnis sei
daher § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG anwendbar mit der Folge, dass
sich der Ort der Vermittlungsleistung nicht in Deutschland, sondern
am Sitz der X AG in der Schweiz befunden habe.
Mit seiner hiergegen eingelegten Revision ru¨gt das FA die Verletzung
von § 3a Abs. 1 UStG. (. . .)
AUS DEN GRU¨ NDEN
Entscheidung
1 . . . 26
I
Die Revision des FA ist begru¨ndet. Sie fu¨hrt zur Auf-
hebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht ange-
nommen, dass im Streitfall die Voraussetzungen von § 3a Abs. 2
Nr. 4 Satz 1 UStG zur Bestimmung des Orts der Leistung er-
fu¨llt sind. Vielmehr bestimmt sich der Ort der Leistung gem.
§ 3a Abs. 1 UStG nach dem Unternehmenssitz der Kla¨gerin,
der sich in Deutschland befindet. Die von der Kla¨gerin erbrach-
ten Leistungen sind weder nach § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG noch
gem. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG von der Steuer befreit.
Kla¨gerin erbrachte sonstige Leistungen . . .
27
I
1.
Die Kla¨gerin hat gegenu¨ber der X AG sonstige Leistun-
gen i. S. von § 3 Abs. 9 UStG in Form von Vermittlungsleistun-
gen erbracht.
. . . durch Vermittlung, . . .
28
I
a)
Eine Vermittlungsleistung liegt vor, wenn eine Mittels-
person, die nicht den Platz einer der Parteien des zu vermitteln-
den Vertrages einnimmt und deren Ta¨tigkeit sich von den ver-
traglichen Leistungen, die von den Parteien dieses Vertrags er-
bracht werden, unterscheidet, das Erforderliche tut, damit zwei
Parteien einen Vertrag schließen. Die Mittlerta¨tigkeit kann da-
rin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss
eines Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt
aufzunehmen oder die Einzelheiten der gegenseitigen Leistun-
gen zu verhandeln
5
.
. . . da sie Mitglieder fu¨r Vereine geworben hat
29
I
b)
Im Streitfall hat die Kla¨gerin als Vermittlerin Mitglieder
fu¨r die Vereine geworben. Leistungsempfa¨ngerin war die X AG.
Keine Vermittlung von Provisionsanspru¨chen gegen die Vereine
30 . . . 31
I
aa)
Die Annahme des FG, die Kla¨gerin habe der X
AG Provisionsanspru¨che gegen die Vereine vermittelt, ist unzu-
treffend. Denn die Kla¨gerin war nach dem Vertrag vom 1. 12.
1993, in den sie eingetreten war, gegenu¨ber der X AG verpflich-
tet, Mitglieder fu¨r die Vereine zu werben. Bei dieser Ta¨tigkeit
der Kla¨gerin handelte es sich um Vermittlungsleistungen
6
. Diese
vertragliche Vereinbarung ist zwar nicht steuerbegru¨ndend, er-
1 Vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 2. 9. 2010 – 5 K 95/06, EFG 2011 S. 388.
2 Vgl. EuGH-Urteil vom 13. 12. 2001 – Rs. C-235/00, CSC, EuGHE 2001
S. I-10237 = DB 2002 S. 78 (Ls); vom 21. 6. 2007 – Rs. C-453/05, Ludwig,
EuGHE 2007 S. I-5083 = DB 2007 S. 1623 (Ls); BFH-Urteil vom 30. 10. 2008
– V R 44/07, BStBl. II 2009 S. 554 = DB 2009 S. 267.
3 Vgl. EuGH-Urteil vom 27. 5. 2004 – Rs. C-68/03, Lipjes, EuGHE 2004
S. I-5879 = DB 2004 S. 1246 (Ls).
4 Vgl. Hinweis auf BFH-Urteil vom 27. 7. 1995 – V R 40/93, BStBl. II 1995
S. 753 = DB 1995 S. 1948 (Ls).
5 Vgl. EuGH vom 13. 12. 2001, a.a.O. (Fn. 2); vom 21. 6. 2007, a.a.O. (Fn. 2),
Rdn. 23 und 28; BFH vom 30. 10. 2008, a.a.O. (Fn. 2); vom 8. 9. 2011 – V R
42/10, BStBl. II 2012 S. 248 = DB 2012 S. 94, unter II. 2. a).
6 Vgl. FG Mu¨nster, Urteil vom 20. 5. 1998 – 5 K 1521/97 U, EFG 1998 S. 1546,
besta¨tigt durch BFH-Beschluss vom 28. 1. 1999 – V B 134/98, BFH/NV 1999
S. 990.
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Steuerrecht
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