b) Entlassung aus dem Ausschuss bei unzureichendem Versiche-
rungsschutz
Bestehen fu¨r ein bereits bestelltes Ausschussmitglied begru¨ndete
Zweifel an einem ausreichenden Versicherungsschutz, stellt dies
einen wichtigen Grund fu¨r einen Eigenantrag auf Entlassung
aus der Gla¨ubigerausschussmitgliedschaft gem. § 70 Satz 1 i. V.
mit § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO dar. Eine Ausschussmit-
gliedschaft ohne ausreichenden Versicherungsschutz, wenn die-
ser bei Bestellung jedenfalls in Aussicht stand, ist unzumutbar.
Dies hat der BGH unla¨ngst fu¨r die Gla¨ubigerausschussmitglied-
schaft im ero¨ffneten Verfahren festgestellt
59
. In diesem Fall
stand zu befu¨rchten, dass die Masse nicht ausreicht, die Ver-
sicherungspra¨mie vollsta¨ndig zu begleichen. Ein Gla¨ubigeraus-
schussmitglied kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass
sich die Masse etwa durch erfolgreiche, aber derzeit noch unge-
wisse Verfolgung von Forderungen in der Zukunft erho¨hen
ko¨nnte
60
. Noch weitergehend fu¨hrt das LG Go¨ttingen ebenfalls
fu¨r den Fall eines Entlassungsantrags aus einem Gla¨ubigeraus-
schuss im ero¨ffneten Verfahren aus, dass ein wichtiger Grund
fu¨r die Entlassung bereits bei Zweifeln u¨ber die „problemlose“
Erstattung von verauslagten Pra¨mien bestehen kann
61
. Nichts
anderes sollte fu¨r den vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss gelten.
Folgt das Insolvenzgericht dem Antrag des Ausschussmitglieds
auf Entlassung nicht, kann das Ausschussmitglied hiergegen
mittels sofortiger Beschwerde vorgehen, § 70 Satz 3 i. V. mit
§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO.
Berufshaftpflichtversicherungen wie z. B. Haftpflichtversiche-
rungen von Anwa¨lten erstrecken sich mitunter nicht auf eine
Ta¨tigkeit im vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss
62
. Der berufshaft-
pflichtversicherungsrechtliche Schutz sollte jedenfalls vor einer
Amtsannahme im Einzelfall gepru¨ft werden. Besteht kein aus-
reichender Schutz aus der Berufshaftpflichtversicherung, gilt das
Obenstehende entsprechend.
c) Mo¨glicher Wegfall des Versicherungsschutzes
Auch nach Abschluss einer Haftpflichtversicherung fu¨r die Ta¨-
tigkeit im vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss ist zu beachten, dass
der Versicherungsschutz bei der Verletzung sog. Kardinalpflich-
ten entfallen kann. Beispiele hierfu¨r ko¨nnen im Einzelfall voll-
sta¨ndig fehlende Durchfu¨hrung der Pru¨fung von Kassen und
Konten, gravierende Versto¨ße gegen die Verschwiegenheits-
pflicht oder die fehlende U¨ berwachung des Verwalters oder des
Sachwalters und der Gescha¨ftsfu¨hrung bei augenscheinlich
pflichtwidrigen Maßnahmen sein
63
. Unerheblich ist dabei die
Vorstellung des Ausschussmitglieds, es werde schon kein Scha-
den entstehen. Folglich sollte ein Kandidat u¨ber genaue Kennt-
nisse des Pflichtenkreises eines Ausschussmitglieds sowie u¨ber
fundierte Kenntnisse des Insolvenzrechts verfu¨gen, bevor er sich
zur Annahme einer Mitgliedschaft entschließt. Zumindest sollte
er sich ggf. durch einen Fachkundigen vertreten oder eng bera-
ten lassen (zur Delegation von Aufgaben und zur Vertretung im
vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss vgl. bereits VI. 3.).
d) Schadensersatzanspru¨che gegen Ausschussmitglieder als Masse-
verbindlichkeit?
Noch erwa¨hnt sei der gut gemeinte Zwischenruf von
Hirte
, in dem
er anzweifelt, dass eine Haftpflichtversicherung fu¨r Mitglieder des
vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses u¨berhaupt no¨tig ist
64
. Da die
Pra¨mie fu¨r die Haftpflichtversicherung aus der Masse zu beglei-
chen sei und die Haftpflichtversicherung zugleich im Ergebnis
einen Versicherungsschutz zugunsten der Masse bewirke, verweist
Hirte
auf ein „Karussell des Geldes“, an dem – jedenfalls wenn es
nicht zu einer Inanspruchnahme der Haftpflichtversicherung
komme – nur die Versicherung verdiene. Daher ko¨nne auch direkt
die Masse mit mo¨glichen zuku¨nftigen Schadensersatzverbindlich-
keiten der Mitglieder des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses belas-
tet werden, was die Notwendigkeit einer Haftpflichtversicherung
fu¨r die Ausschussmitglieder entfallen lassen wu¨rde
65
. Fu¨r eine Be-
gru¨ndung solcher Masseverbindlichkeiten gibt es aber im Gesetz
keinerlei Anhaltspunkte. Auch ist bisher kein Fall bekannt, in
dem ein Insolvenzgericht die Erma¨chtigung zur Begru¨ndung ent-
sprechender Eventualschadensersatzmasseverbindlichkeiten an-
geordnet hat. Zudem ist besagtes „Karussell des Geldes“ nichts
Ungewo¨hnliches. Vielmehr basieren gewo¨hnliche D&O-Ver-
sicherungen (freilich mit Selbstbehalt) auf genau diesem Konzept.
Somit sollten sich Ausschussmitglieder keinesfalls auf diesen Ar-
gumentationsansatz verlassen.
7. Regress beim Insolvenzverwalter
Im Falle einer Inanspruchnahme nach § 71 i. V. mit § 21 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1a InsO haften Ausschussmitglieder neben schuldhaft
pflichtwidrig handelnden vorla¨ufigen Insolvenzverwaltern oder
Sachwaltern und Gescha¨ftsfu¨hrung. Daher kommt immer auch
ein Regress gegen diese nach § 426 BGB in Betracht. Um im
Falle einer erfolgreichen Inanspruchnahme nicht leer auszuge-
hen, sollten sich die Ausschussmitglieder nachweisen lassen, dass
mo¨gliche Regressadressaten u¨ber ausreichenden Versicherungs-
schutz fu¨r ihre Ta¨tigkeit im Verfahren verfu¨gen. Selbst wenn das
Bestehen eines ausreichenden Versicherungsschutzes nachgewie-
sen wird, ist noch zu beru¨cksichtigen, dass die Versicherung ge-
rade bei schwerwiegenden Versto¨ßen, d. h. absichtlichen oder
wissentlichen Versto¨ßen, oftmals nicht einstehen muss. So sind
z. B. pflichtwidrige Vermo¨gensverschiebungen in den Haft-
pflichtversicherungsbedingungen von Insolvenzverwaltern regel-
ma¨ßig von der Deckung ausgeschlossen
66
.
VII. Zusammenfassung
Mitglieder des vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschusses haben maßgeb-
lichen Einfluss auf den Erfolg einer Restrukturierung des
Schuldnerunternehmens sowie auf die Befriedigung der Gla¨ubi-
ger in der Insolvenz. Zwar werden sie nicht wie Mitglieder des
Gla¨ubigerausschusses im ero¨ffneten Verfahren durch die Gla¨ubi-
gerversammlung gewa¨hlt, sondern durch das Insolvenzgericht
bestellt. Dennoch ko¨nnen Gla¨ubiger eigeninitiativ Einfluss da-
rauf ausu¨ben, wer ihre Interessen im vorla¨ufigen Gla¨ubigeraus-
schuss vertritt und wahren hilft. Dabei ist zu beachten, dass sich
diejenigen, die sich im vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss fu¨r die
Interessen der Gla¨ubigergesamtheit einsetzen, ein gewisses Haf-
tungsrisiko eingehen, das in keinem Verha¨ltnis zu ihrer Ver-
gu¨tung als Ausschussmitglied steht. Durch Sachverstand, profes-
sionelles Engagement und den Abschluss einer ausreichenden
Haftpflichtversicherung bleiben die aus der Mitgliedschaft im
vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss erwachsenden Haftungsrisiken
aber durchaus kalkulierbar.
58 Vgl. etwa LG Go¨ttingen, Beschluss vom 25. 8. 2011 – 10 T 50/11, NZI 2011
S. 857 (858): 9020,60 € p. a. fu¨r eine Ta¨tigkeit im Gla¨ubigerausschuss im
ero¨ffneten Verfahren; fu¨r eine Ta¨tigkeit im vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss
sind durchaus auch um ein Vielfaches ho¨here Pra¨mien zu zahlen.
59 BGH vom 29. 3. 2012, a.a.O. (Fn. 51), WM 2012 S. 861; schon zuvor: LG Go¨t-
tingen vom 25. 8. 2011, a.a.O. (Fn. 58), NZI 2011 S. 857.
60 BGH vom 29. 3. 2012, a.a.O. (Fn. 51), WM 2012 S. 861 (863).
61 LG Go¨ttingen vom 25. 8. 2011, a.a.O. (Fn. 58).
62
Bank
, a.a.O. (Fn. 13), Rdn. 539.
63
Bank
, a.a.O. (Fn. 13), Rdn. 550.
64
Hirte
, ZInsO 2012 S. 820 f.
65
Hirte
, ZInsO 2012 S. 820 (821).
66
Bank
, a.a.O. (Fn. 13), Rdn. 538.
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Wirtschaftsrecht
1045