zung dabei nicht nur bei Vorsatz oder grober Fahrla¨ssigkeit, son-
dern bereits bei einfacher Fahrla¨ssigkeit
18
. Verschuldensmaßstab
bei § 71 Satz 1 InsO ist grundsa¨tzlich die Sorgfalt eines ordentli-
chen und gewissenhaften Gla¨ubigerausschussmitglieds
19
. An
Ausschussmitglieder mit Branchenkenntnis oder entsprechender
kaufma¨nnischer und/oder juristischer Erfahrung werden im Ein-
zelfall noch ho¨here Anforderungen an Professionalita¨t und Pro-
blembewusstsein gestellt
20
. Dies betrifft insbesondere auch Mit-
arbeiter von Kreditinstituten aufgrund eines bei ihnen erwarteten
Erfahrungsschatzes
21
. Unta¨tigkeit des Insolvenzgerichts entlastet
die Gla¨ubigerausschussmitglieder nicht
22
. Auch auf eine subjek-
tive Unkenntnis einzelner Pflichten kann sich ein Ausschussmit-
glied nicht berufen
23
.
Die Haftung trifft nicht den vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss
als Gremium, sondern die Mitglieder perso¨nlich und gesamt-
schuldnerisch
24
(zur Delegation von Aufgaben vgl. im Einzelnen
noch unten unter VI. 3.). Aufgrund der Vielfalt der mo¨glichen
Haftungsszenarien sollen hier nur einzelne beispielhaft vor-
gestellt werden, um im Anschluss Haftungsbegrenzungskriterien
und -maßnahmen aufzuzeigen:
– Vorschlag und Auswahl eines nicht geeigneten Verwalters
oder Sachwalters
25
oder Verschweigen negativer Erfahrungen
mit dem Verwalter oder Sachwalter im vorla¨ufigen Verfahren
oder anderen Verfahren
26
,
– Fehler bei der Kontrolle des Verwalters oder des Sachwalters
und der Gescha¨ftsfu¨hrung des Schuldners,
– Versto¨ße gegen die Verschwiegenheitspflicht oder Ausnut-
zung von im Ausschuss erlangtem Wissen zum eigenen Vor-
teil,
– Vertretung von Partikularinteressen
27
,
– nachla¨ssige Kassenpru¨fung,
– nicht gerechtfertigte Aufnahmen von Massekrediten und Ge-
wa¨hrung von Sicherheiten,
– Betriebsfortfu¨hrung oder -stilllegung, die sich im Ergebnis
zum Nachteil der Insolvenzgla¨ubiger und/oder absonderungs-
berechtigten Gla¨ubiger auswirkt,
– Unterlassen oder verfru¨hte Stellung eines Antrags auf Auf-
hebung des Schutzschirmverfahrens nach § 270b Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 InsO
28
,
– positive oder negative Stellungnahme zum Antrag auf Eigen-
verwaltung nach § 270 Abs. 3 InsO, die sich im Ergebnis
zum Nachteil der Insolvenzgla¨ubiger und/oder absonderungs-
berechtigten Gla¨ubiger auswirkt,
– Unterlassen der Stellung eines Antrags nach § 70 i. V. mit
§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO auf Entlassung aus dem vor-
la¨ufigen Gla¨ubigerausschuss, wenn ein Ausschussmitglied er-
kennt, dass ihm nachweislich die Kompetenz fu¨r die anste-
henden Aufgaben fehlt
29
.
Aufgrund der nicht unerheblichen Haftungsrisiken sollte jedes
Ausschussmitglied vor Annahme des Amtes gewissenhaft pru¨-
fen, ob es u¨ber ausreichende Sachkunde und Erfahrung fu¨r eine
Ta¨tigkeit im vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschuss verfu¨gt. Vergewis-
sert sich ein Ausschussmitglied vor U¨ bernahme des Amtes nicht
daru¨ber, die erforderlichen Fa¨higkeiten und Kenntnisse zu besit-
zen, kann bereits hierin ein Verschulden liegen
30
.
Sollte ein Haftungstatbestand nach § 71 i. V. mit § 21 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1a InsO erfu¨llt worden sein, wird der Schadensersatz-
anspruch im Insolvenzverfahren gem. § 92 Satz 2 InsO aus-
schließlich vom Insolvenzverwalter, nicht von den Gla¨ubigern
selbst geltend gemacht. Der Anspruch verja¨hrt in drei Jahren
nach Ablauf des Jahres, in dem der Haftungstatbestand verwirk-
licht worden ist, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a i. V. mit § 71 Satz 1
InsO und § 62 i. V. mit § 195 ff. InsO
31
.
VI. Haftungsbegrenzung fu¨r Ausschussmitglieder
In Rechtsprechung und Literatur haben sich verschiedene Argu-
mentationsansa¨tze herausgebildet, um das aus einer Gla¨ubiger-
ausschussta¨tigkeit resultierende Haftungsrisiko einzugrenzen.
Sa¨mtliche Ansa¨tze sind getragen von der Absicht, die vom Ge-
setzgeber gewu¨nschte Bereitschaft zum Engagement im Gla¨ubi-
gerausschuss und nun auch und insbesondere im vorla¨ufigen
Gla¨ubigerausschuss nicht durch unkalkulierbare Haftungsrisiken
zu unterminieren. Sa¨mtliche dieser Argumentationsansa¨tze sind
umstritten. In der Praxis empfiehlt es sich daher dringend, wei-
tere Maßnahmen wie etwa die Delegation von Aufgaben und
den Abschluss spezieller Haftpflichtversicherungen zu ergreifen,
um Haftungsrisiken zu minimieren.
1. 20%-Verursachungsgrenze
Teilweise wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten,
dass ein Ausschussmitglied dann nicht haften soll, wenn le-
diglich leichte Fahrla¨ssigkeit zu bejahen ist und der Anteil
des Ausschussmitglieds an der Schadensverursachung bei
„deutlich weniger als 20%“ liegt
32
. Andere lehnen eine solche
Haftungsbegrenzungsformel ausdru¨cklich oder inzident ab
33
.
Sie verweisen darauf, dass eine solche Formel – wann liegt
nur leichte Fahrla¨ssigkeit vor, wann der Anteil der Schadens-
verursachung eines Ausschussmitglieds bei „deutlich unter
20%“ – kaum praktikabel ist. Auch gibt es im Gesetz keine
Anhaltspunkte fu¨r die Anwendung einer solchen Formel auf
Mitglieder von vorla¨ufigen Gla¨ubigerausschu¨ssen oder Gla¨ubi-
gerausschu¨ssen im ero¨ffneten Verfahren. Die Formel wurde
vielmehr unter teleologischen Gesichtspunkten, aber ohne na¨-
here Begru¨ndung der Rechtsprechung zum Pflichtversiche-
rungsgesetz (anwendbar auf Haftpflichtversicherungen fu¨r
Kraftfahrzeuge und Anha¨nger) entlehnt
34
. Daher sollten Aus-
schussmitglieder im konkreten Fall nur eingeschra¨nkt auf die
gerichtliche Anwendung dieser Haftungsbegrenzungsformel
18
Bank
, a.a.O. (Fn. 13), Rdn. 498.
19
Wroblewski
, AuR 2012 S. 188 (194);
Uhlenbruck
, in: Uhlenbruck, InsO, 2010,
§ 71 Rdn. 8;
Haarmeyer/Wutzke/Fo¨rster
, in: Handbuch zur InsO, 2001, Kap. 6
Rdn. 21.
20 Zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule auf Entscheidungen des vor-
la¨ufigen Gla¨ubigerausschusses vgl. unten unter VI. 2.
21
Schmid-Burgk
, a.a.O. (Fn. 4), § 71 Rdn. 7;
Bank
, a.a.O. (Fn. 13), Rdn. 498.
22
Bank
, a.a.O. (Fn. 13), Rdn. 500.
23
Schmid-Burgk
, a.a.O. (Fn. 4), § 71 Rdn. 8.
24
Uhlenbruck
, a.a.O. (Fn. 19), § 71 Rdn. 17;
Frind
, a.a.O. (Fn. 5), § 71 Rdn. 6.
25
Frind
, ZIP 2012 S. 1380 (1385).
26
Frind
, ZIP 2012 S. 1380 (1383); Berichte u¨ber Erfahrungen mit Verwaltern
sind dabei aufgrund der Verschwiegenheitspflicht der Ausschussmitglieder
nur eingeschra¨nkt mo¨glich.
27
Schmid-Burgk
, a.a.O. (Fn. 4), § 70 Rdn. 6; BGH, ZInsO 2003 S. 560.
28
Cranshaw
, ZInsO 2012 S. 1151 (1153);
Frind
, ZIP 2012 S. 1380 (1385).
29
Frind
, ZIP 2012 S. 1380 (1385).
30 RGZ 150 S. 286 (288); BGH-Urteil vom 27. 4. 1978 – VII ZR 31/76, DB 1978
S. 1589 = NJW 1978 S. 1527 (1528); OLG Hamm vom 5. 11. 1954 – 6 U
185/54, BB 1955 S. 296 (297);
Uhlenbruck
, a.a.O. (Fn. 19), § 71 Rdn. 8.
31 Vgl. zu Verja¨hrungsfragen:
Bank
, a.a.O. (Fn. 13), Rdn. 516–534.
32 OLG Frankfurt/M. vom 12. 12. 1989 – 22 U 19/88, ZIP 1990 S. 722 (724);
Schmid-Burgk
, a.a.O. (Fn. 4), § 71 Rdn. 7; ero¨rtert, aber letztlich offengelas-
sen OLG Rostock, ZInsO 2004 S. 814 (816).
33
Delhaes
, in: Nerlich/Ro¨mermann, InsO, 24. Erg.-Lfg. 2012, § 71 Rdn. 10;
Uhlenbruck
, a.a.O. (Fn. 19), § 71 Rdn. 7;
Bank
, a.a.O. (Fn. 13), Rdn. 499 mit
Verweis auf LG Hannover, Urteil vom 28. 9. 2011 – 11 O 360/08, n. v.
34 Vgl. OLG Frankfurt/M. vom 12. 12. 1989, a.a.O. (Fn. 32) mit Verweis auf OLG
Hamm vom 18. 12. 1970 – 20 U 114/70, VersR 1971 S. 914.
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Wirtschaftsrecht
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