DER BETRIEB 25 - page 56

nicht fristgebundenen Feststellungsklage gem. § 256 ZPO oder
durch Einwendung im Prozess geltend gemacht werden kann
17
.
Dass die Beklagte der Erweiterung der Beitragspflicht zuge-
stimmt hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Kla¨-
gerin behauptet das auch nicht.
17 BGH-Urteil vom 19. 10. 2009 – II ZR 240/08, DB 2009 S. 2596 = ZIP 2009
S. 2289, Rdn. 12, m. w. N.
Interesse eines Personengesellschafters an der
Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschaf-
terbeschlusses
ZPO § 256 Abs. 1
Der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat grund-
sa¨tzlich ein Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit
eines Gesellschafterbeschlusses. Dies gilt i. d. R. auch u¨ber
das Bestehen der Gesellschaft oder die Zugeho¨rigkeit des
Gesellschafters zu der Gesellschaft hinaus (Fortfu¨hrung von
BGH-Urteil vom 7. 2. 2012 – II ZR 230/09, DB 2012 S. 1086
= ZIP 2012 S. 917).
BGH-Urteil vom 9. 4. 2013 – II ZR 3/12
u
DB0594391
Die Parteien sind Rechtsanwa¨lte. Sie waren in einer Partnerschafts-
gesellschaft verbunden. Der Kla¨ger ist zwischen Einreichung und Zu-
stellung der Klage im vorliegenden Verfahren zum 30. 6. 2010 aus-
geschieden. Soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, wur-
den auf einer Gesellschafterversammlung am 19. 5. 2010 zwei Beschlu¨s-
se mit folgendem Wortlaut gefasst:
zu Top 9
Herr Dr. H. [der Kla¨ger] wird aufgefordert, die von ihm Anfang 5.
2010 von den Konten der Partnerschaft abgera¨umten bzw. entnom-
menen Betra¨ge u¨ber insgesamt Euro 85.000,00 unverzu¨glich, bis
spa¨testens 28. 5. 2010, an die Partnerschaft zuru¨ckzuzahlen.
zu Top 10
Herr Dr. H. [der Kla¨ger] wird aufgefordert, die von ihm bereits aus
den Kanzleira¨umen entfernten Original-Akten, insbesondere die am
Wochenende des 15./16. 5. 2010 aus der Kanzlei beiseite geschafften
Akten in die Kanzleira¨ume zuru¨ckzubringen; dies gilt vor allem, so-
weit sie Angelegenheiten betreffen, bei denen der Partnerschaft An-
spru¨che (z. B. auf Auslagenerstattung) zustehen ko¨nnen.
Der Kla¨ger begehrt die Feststellung, dass diese Beschlu¨sse nichtig sind,
hilfsweise, dass sie keine Rechtswirkung entfalten. Das LG Mu¨nchen I
hatte die Klage insoweit abgewiesen. Das OLG Mu¨nchen hatte die Be-
rufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zuru¨ckgewiesen. Die Revision des Kla¨-
gers war erfolgreich und fu¨hrte zur Aufhebung der Entscheidung im an-
gefochtenen Umfang und zur Zuru¨ckverweisung an das Berufungs-
gericht.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 7
I
I.
. . .
II.
Die Klage ist zula¨ssig. Insbesondere sind die
Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO erfu¨llt.
Beschlu¨sse der Gesellschafter einer Personengesellschaft sind
Rechtsverha¨ltnisse i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO
8
I
1.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH sind Beschlu¨s-
se der Gesellschafter einer Personengesellschaft Rechtsverha¨lt-
nisse i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO
1
. Da die beiden streitigen Be-
schlu¨sse Wirkung fu¨r die Zukunft haben sollen, handelt es sich
dabei auch nicht nur um vergangene, sondern um gegenwa¨rtige
Rechtsverha¨ltnisse.
Grundsa¨tzliches Bestehen eines Feststellungsinteresses der Ge-
sellschafter einer Personengesellschaft
9
I
2.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es fu¨r
das Bestehen eines Feststellungsinteresses nicht erforderlich,
dass die in den Gesellschafterbeschlu¨ssen enthaltenen Aufforde-
rungen eine Rechtspflicht begru¨nden.
10
I
Der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat grundsa¨tz-
lich ein Interesse i. S. von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung
der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses
2
. Das ergibt
sich schon aus seiner Zugeho¨rigkeit zu der Gesellschaft. Er muss
es nicht hinnehmen, dass u¨ber die Wirksamkeit eines Gesell-
schafterbeschlusses Rechtsunsicherheit besteht
3
. Dies gilt grund-
sa¨tzlich auch u¨ber das Bestehen der Gesellschaft oder die Zuge-
ho¨rigkeit des Gesellschafters zu der Gesellschaft hinaus
4
. Daher
hat auch der nach der Beschlussfassung ausgeschiedene Gesell-
schafter im Regelfall ein fortwirkendes Feststellungsinteresse.
11
I
Es kann dahinstehen, ob Sachverhalte denkbar sind, bei de-
nen mit dem Ausscheiden ein Feststellungsinteresse entfa¨llt.
Denn die in den Beschlu¨ssen enthaltenen Aufforderungen zur
Ru¨ckzahlung von Geld und zur Ru¨ckgabe von Akten sollten er-
sichtlich nicht mit dem Ausscheiden des Kla¨gers aus der Gesell-
schaft hinfa¨llig werden.
Aufforderungen in den Beschlu¨ssen mit verbindlicher Feststel-
lung von bestimmten Handlungspflichten
12
I
3.
Im U¨ brigen handelt es sich bei den zu Top 9 und Top 10
beschlossenen Aufforderungen nicht nur um eine unverbindliche
Meinungsa¨ußerung der Gesellschafter ohne Rechtsfolgewillen,
sondern um die verbindliche Feststellung von bestimmten Hand-
lungspflichten des Kla¨gers. Dafu¨r spricht schon der Umstand, dass
die Beschlu¨sse fo¨rmlich gefasst worden sind und das Abstim-
mungsergebnis vom Versammlungsleiter fo¨rmlich festgestellt
und protokolliert worden ist
5
. Mit diesen Beschlussfassungen soll-
te die unter den Gesellschaftern streitige Verpflichtung zur Ru¨ck-
zahlung von Betra¨gen und zur Ru¨ckgabe von Akten verbindlich
festgelegt werden. Dieser Regelungscharakter innerhalb der Ge-
sellschaft genu¨gt jedenfalls, um ein Interesse des Kla¨gers an der
Feststellung der Unwirksamkeit der Beschlu¨sse zu rechtfertigen
6
.
Zuru¨ckverweisung an das OLG
13
I
III.
Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sa-
che an das Berufungsgericht zuru¨ckzuverweisen. Der Senat kann
nicht selbst abschließend entscheiden, da noch tatrichterliche
Feststellungen getroffen werden mu¨ssen.
14
I
Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon aus-
gegangen, dass die Beklagten die richtigen Klagegegner und da-
mit passivlegitimiert sind. Die Nichtigkeit von Beschlu¨ssen der
Gesellschafterversammlung einer Personengesellschaft wird
1 BGH-Urteil vom 21. 10. 1991 – II ZR 211/90, NJW-RR 1992 S. 227; vom 7. 2.
2012 – II ZR 230/09, DB 2012 S. 1086 = ZIP 2012 S. 917, Rdn. 24; ebenso
etwa
Wiedemann
, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 3 III 3, S. 179.
2 BGH vom 21. 10. 1991, a.a.O. (Fn. 1); vom 25. 11. 2002 – II ZR 69/01, DB
2003 S. 88 = ZIP 2003 S. 116 (118); vom 7. 2. 2012, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 24.
3 BGH vom 21. 10. 1991, a.a.O. (Fn. 1); vom 7. 2. 2012, a.a.O. (Fn. 1), Rdn.
24.
4 Vgl. BGH vom 7. 2. 2012, a.a.O. (Fn. 1), Rdn. 1, 24.
5 Vgl. BGH vom 25. 11. 2002, a.a.O. (Fn. 2); vom 7. 2. 2012, a.a.O. (Fn. 1),
Rdn. 25.
6 Vgl. BGH vom 25. 11. 2002, a.a.O. (Fn. 2); vom 7. 2. 2012, a.a.O. (Fn. 1),
Rdn. 25.
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 25 | 21. 6. 2013
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