Elektro Praktiker - Sonderheft Blitz- und Überspannungsschutz - page 30

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– Sonderheft
BLITZSCHUTZMAßNAHMEN
M. Mauermann,
Paderborn
Die vorbeugenden Maßnahmen der
Potentialsteuerung „schlummern
verborgen unter der Oberfläche“
und genießen daher oft wenig Auf-
merksamkeit. Nur wenige Normen
behandeln diese Thematik intensiv.
Die Bedeutung dieser Maßnahmen
wird erst dann ersichtlich, wenn
man nach den Auswirkungen von
Blitzeinschlägen auf Mensch und
Tier recherchiert. Die beiden Vor-
fälle im Kasten 1 beschreiben diese
Auswirkungen.
1 Festlegungen in
Normen zur Potential-
steuerung
In der Europanorm EN 62305-3:2011-03
werden in den Abschnitten 8.1 und 8.2
die Schutzmaßnahmen zur Vermeidung
von Gefahren durch Berührungs- und
Schrittspannungen behandelt. In dieser
überarbeiteten Veröffentlichung wird
beschrieben, dass die Gefahr auf ein
annehmbares Maß reduziert wird, wenn
ein Blitzschutzsystem mit 10 Ableitungen
vorliegt. Diese neue international verfass-
te Aussage kann das deutsche Komitee
allerdings im nationalen Vorwort der DIN
EN 62305-3:2011-10 [1] nicht nachvoll-
ziehen und verweist auf die Anwendung
anderer Schutzmaßnahmen. Eine dieser
Schutzmaßnahmen stellt die Potential-
steuerung dar.
Was ist der Hintergrund für die Umset-
zung von Maßnahmen der Potential-
steuerung? Die Beine eines Menschen
können in stehender Köperhaltung eine
relativ weite Strecke überbrücken. Im Fall
eines Blitzeinschlags ist es somit möglich,
dass bei Menschen und Tieren, die sich
im Spannungstrichter eines Blitzes befin-
den, Potentialdifferenzen zwischen den
Beinen auftreten, die zu einer gefähr-
lichen Spannungsbildung am Körper
führen. Die Maßnahmen der Potential-
steuerung sollen bewirken, dass gefähr-
lich hohe Schrittspannungen auf ein
ungefährliches Niveau reduziert werden.
1.1 Blitzschutzanlagen
In der Norm DIN EN 62305-3:2011-10 [1]
werden unter Punkt 8 Maßnahmen ge-
gen Verletzungen von Personen durch
Berührungs- und Schrittspannungen dar-
gestellt. Dabei wird aufgeführt, dass z. B.
eine Asphaltschicht mit einer Dicke von
5 cm als Isolierstoff die Gefahr im Allge-
meinen auf ein annehmbares Maß ver-
ringert. Ebenso sind die Auswirkungen
der Schrittspannung reduziert, wenn sich
Personen nicht im Umkreis von 3,0 m um
die Ableitungen aufhalten. Wenn keine
dieser Bedingungen erfüllt ist, müssen
folgende Schutzmaßnahmen gegen Ver-
letzungen von Personen durch Schritt-
spannungen ergriffen werden:
]
Potentialausgleich durch ein vermasch-
tes Erdungssystem
]
Absperrung und/oder Warnhinweise
zur Verringerung des Zutritts zu diesen
gefährdeten Bereichen.
Eine Absperrung ist für gefährdete Berei-
che immer dann nicht möglich, wenn
diese Bereiche zugleich eine Schutzfunk-
tion vor direktem Blitzschlag bieten sollen.
In diesem Zusammenhang stellen auch
Warnhinweise keinen Schutz dar, sondern
sind nur als ergänzende Maßnahmen zu
nutzen.
Daher steht als einzig wirksame Maß-
nahme der Potentialsteuerung das ver-
maschte Erdungssystem zur Verfügung.
Die DIN EN 62305-3:2011-10 stellt in den
dazugehörigen Beiblättern 1 und 2 an-
hand von zwei exemplarischen Ausfüh-
rungszeichnungen die Umsetzung der
Potentialsteuerung durch ein vermasch-
tes Erdungssystem dar. Die Bilder
™
a)
und
™
b) geben diese Maßnahmen wie-
der. Eine Umsetzung gemäß Bild
™
a)
stellt die Möglichkeit einer Absteuerung
mittels vier Erdungsleitungen dar, die in
vier Abschnitten abgestuft immer tiefer
ins Erdreich verlegt werden. Im Bild
™
b)
wird anhand eines Flutlichtmastes die
Erstellung von untereinander verbunde-
nen Ringerdern um das zu schützende
Objekt mit Anbindung an den vorhande-
nen Fundameterder und gegebenenfalls
zusätzlichen Tiefenerdern als Maßnahme
der Potentialsteuerung dargestellt.
1.2 Landwirtschaftliche Anlagen
In Bezug auf landwirtschaftliche Be-
triebsstätten wird in der VDE 0100-705:
2007-10 [2] im Abschnitt 705.415.2 aus-
geführt: „Fremde leitfähige Teile in und
auf dem Fußboden, z. B. Baustahlmatten
im Allgemeinen oder die Bewehrung von
Güllekellern, müssen in den zusätzlichen
Schutzpotentialausgleich einbezogen
werden. Damit wird eine Potentialsteu-
erung erreicht.“
Auch diese Maßnahmen bilden ein ver-
maschtes Erdungssystem, in diesem Fall
mit dem Fokus Tierhaltung.
Maßnahmen zur
Potentialsteuerung
Autor
Martin Mauermann
ist Geschäftsführer
der Fritz Mauermann Blitzableiter- und
Elektrobau GmbH & Co. KG, Paderborn.
Kasten 1
Unfälle durch Blitzeinschläge
Zeitungsbericht vom 04.05.2009
Zwei Jugendfußballmannschaften liefen
sich am Sonntagnachmittag gerade
warm, als ein Blitz in einen Flutlichtmast
einschlug. 26 Menschen wurden durch
die elektrische Entladung auf dem
Ingoldinger Sportplatz verletzt. Ein
17-Jähriger liegt im künstlichen Koma.
Der am schwersten verletzte 17-Jährige
stand mit zwei Manschaftskameraden
zum Zeitpunkt des Unglücks an einem
Metallgeländer in der Nähe des Mastes.
Zeitungsbericht vom 28.06.2009
Bei einem Blitzeinschlag in der Nähe
einer Baumgruppe während des belieb-
ten Römerfestes in Xanten (Nordrhein-
Westfahlen) sind am Samstag 13 Besu-
cher verletzt worden. Sieben von ihnen
hätten schwerste Verbrennungen erlit-
ten, teilte die Polizei in Wesel mit. Ein
13-jähriges Mädchen und ein Mann
konnten durch Rettungskräfte noch am
Unglücksort wiederbelebt werden. Die
anderen Opfer hätten Schocks erlitten,
sagte ein Polizeisprecher.
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