Schadens allein im Gesellschaftsvermo¨gen, nicht aber beim ein-
zelnen Gesellschafter verlangt werden
4
, hat dies fu¨r den vorlie-
genden Fall keine Bedeutung. Denn Gegenstand der Entschei-
dungen war nicht die – hier zu beurteilende – Frage, welchen
Inhalt ein eigensta¨ndiger individueller Schadensersatzanspruch
des Gesellschafters bei einer zugleich erfolgten Scha¨digung der
Gesellschaft hat, insbesondere ob sein Anspruch auf Leistung
an ihn selbst oder an die Gesellschaft gerichtet ist. Vielmehr
ging es in den Urteilen allein um die Anspruchsinhaberschaft.
Der BGH hat insofern klargestellt, dass bei einer handelsrecht-
lichen Gesamthand nur die Gesellschaft selbst ersatzberechtigt
ist, weil die Verselbststa¨ndigung des Gesellschaftsvermo¨gens im
Rahmen des § 124 HGB und die damit verbundene eigene
Anspruchsberechtigung und Verpflichtungsfa¨higkeit der Gesell-
schaft einem eigenen Anspruch des Gesellschafters entgegen-
stehen
5
. Die Frage, ob ein etwaiger Schadensersatzanspruch ge-
gen die Beklagte wegen Scha¨digung der Schuldnerin alternativ
den Anlegern oder der Schuldnerin zusteht, stellt sich im vor-
liegenden Verfahren jedoch nicht. Hier ist vielmehr zu ent-
scheiden, worauf ein – allein streitgegensta¨ndlicher – (poten-
zieller) Schadensersatzanspruch der Anleger wegen Verletzung
von ihnen gegenu¨ber bestehenden Sorgfaltspflichten inhaltlich
gerichtet ist.
Rechtsprechung des BGH zum Schadensersatz fu¨r sogenannte
„Reflexscha¨den“ der Gesellschafter ist nicht u¨bertragbar
34
I
(3)
Auch die Rechtsprechung des BGH zum Schadensersatz
fu¨r sogenannte „Reflexscha¨den“ bei Gesellschaftern vor allem
von Kapitalgesellschaften ist auf den vorliegenden Fall nicht
u¨bertragbar.
Kein Anspruch auf Ersatz mittelbarer Scha¨den des Gesellschaf-
ters, die auf Scha¨digung der Gesellschaft beruhen
35
I
(a)
Nach sta¨ndiger Rechtsprechung des II. Zivilsenats des
BGH steht einem Gesellschafter ein Anspruch auf Leistung von
Schadensersatz an sich perso¨nlich wegen einer Minderung des
Werts seiner Beteiligung, die aus einer Scha¨digung der Gesell-
schaft resultiert, grundsa¨tzlich nicht zu.
Vielmehr kann er wegen der Grundsa¨tze der Kapitalerhaltung,
der Zweckbindung des Gesellschaftsvermo¨gens sowie des Ge-
bots der Gleichbehandlung aller Gesellschafter auch aus einem
eigenen Anspruch gegen den Ersatzpflichtigen i. d. R. allein
Leistung an die Gesellschaft verlangen
6
. Aus den Regelungen in
§ 117 Abs. 1 Satz 2 und § 317 Abs. 1 Satz 2 AktG, die jeweils
einen eigenen Anspruch des Aktiona¨rs wegen eines „Reflexscha-
dens“ von vornherein ausschließen, um zu verhindern, dass der
Aktiona¨r der Gesellschaft zuvorkommt und dieser dadurch die
Realisierung ihres Anspruchs erschwert
7
, hat der II. Zivilsenat in
U¨ bereinstimmung mit großen Teilen der Literatur den verall-
gemeinerungsfa¨higen Rechtsgedanken abgeleitet, dass generell,
also auch bei Bestehen eines eigenen Schadensersatzanspruchs
des Gesellschafters gegen den Scha¨diger, der Ausgleich solcher
mittelbarer Scha¨den, die allein auf der Scha¨digung der Gesell-
schaft beruhen, in das Privatvermo¨gen des Gesellschafters nicht
in Betracht kommt
8
.
Ausschluss der Rechtsprechungsgrundsa¨tze durch Schutzzweck
des streitgegensta¨ndlichen Mittelverwendungskontrollvertrags
36
I
(b)
Zwar besteht auch vorliegend der potenzielle Schaden
der Anleger allein in der Minderung ihres jeweiligen Betei-
ligungswerts an der Schuldnerin. Der Schutzzweck des streit-
gegensta¨ndlichen Mittelverwendungskontrollvertrags schließt je-
doch eine Anwendung der vorstehend dargelegten Rechtspre-
chungsgrundsa¨tze aus.
37
I
Der Mittelverwendungskontrollvertrag wurde, wie das Beru-
fungsgericht zutreffend ausgefu¨hrt hat, im ausschließlichen Inte-
resse der Anleger geschlossen. Er diente nicht dem Interesse der
Schuldnerin, sondern dem Schutz des Interesses der Komman-
ditisten gegenu¨ber der Schuldnerin und deren Komplementa¨-
rin
9
. Da die Beklagte zur Kontrolle der Verwendung der Einlage
jedes einzelnen beitretenden Kommanditisten berufen war, wur-
de ihre Schutzpflicht gegenu¨ber jedem Anleger mit dessen Bei-
tritt zur Schuldnerin begru¨ndet. Ziel der Kontrolle war es sicher-
zustellen, dass die vom jeweiligen Anleger eingebrachten Mittel
im Rahmen des Investitionsplans verwendet wurden und auf
diese Weise die im Fondsprospekt in Aussicht gestellte Chance
auf eine entsprechende Werthaltigkeit seiner Beteiligung ge-
wahrt wurde. Nur im Hinblick auf dieses Vermo¨gensinteresse
der vom Mittelverwendungskontrollvertrag begu¨nstigten Anle-
ger hatte sich die Beklagte um die Gescha¨fte der Schuldnerin zu
ku¨mmern. Nur zur Vermeidung einer potenziellen Entwertung
der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der begu¨nstigten Anle-
ger hatte die Beklagte ggf. eine Mittelverwendung zu verhin-
dern, die auch die Schuldnerin selbst scha¨digen konnte. Gegen-
u¨ber der Schuldnerin bestand die Kontrollpflicht der Beklagten
indes nicht. Ein in Folge einer Verletzung der im Verha¨ltnis zu
den Kommanditisten bestehenden Schutzpflicht der Beklagten
im Vermo¨gen der Kommanditisten entstandener Schaden ist da-
her nicht lediglich ein „Reflexschaden“ eines zugleich im Ver-
mo¨gen der Schuldnerin entstandenen Schadens. Es handelt sich
vielmehr um einen eigensta¨ndig zu bewertenden und gegenu¨ber
den Kommanditisten auszugleichenden Schaden.
38
I
Ko¨nnte der gescha¨digte Anleger vorliegend in Anwendung
der vom II. Zivilsenat entwickelten gesellschaftsrechtlichen
Grundsa¨tze nur Leistung an die Gesellschaft fordern, so ka¨me
die Ersatzleistung vor allem – wenn nicht angesichts der Insol-
venz und der vorrangigen Befriedigung der Insolvenzgla¨ubiger
sogar ausschließlich – der Schuldnerin beziehungsweise ihren
Gla¨ubigern zugute. Damit wu¨rde der Zweck des Mittelverwen-
dungskontrollvertrags weitgehend verfehlt. Denn durch ihn wer-
den weder die Interessen der Schuldnerin noch die Interessen ih-
rer Gla¨ubiger geschu¨tzt.
39
I
Im Fall der Verletzung von dem Mittelverwendungskontrol-
leur (ausschließlich) gegenu¨ber den Anlegern obliegenden Kon-
trollpflichten ist der hierdurch im Vermo¨gen der Anleger ent-
standene Schaden daher auch dann durch Leistung unmittelbar
an die gescha¨digten Anleger auszugleichen, wenn in Folge der
vertragswidrigen Mittelverwendung (durch das gescha¨ftsfu¨hren-
de Organ) zugleich auch ein Schaden im Vermo¨gen der Fonds-
gesellschaft entstanden ist.
4 Vgl. BGH-Urteil vom 17. 6. 1953 – II ZR 205/52, BGHZ 10 S. 91 (100) = DB
1953 S. 591 und vom 17. 3. 1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100 S. 190 (194) =
DB 1987 S. 1581.
5 BGH vom 17. 6. 1953 und vom 17. 3. 1987, jew. a.a.O. (Fn. 4).
6 Vgl. Urteil vom 10. 11. 1986 – II ZR 140/85, DB 1987 S. 478 = NJW 1987
S. 1077 (1079); vom 29. 6. 1987 – II ZR 173/86, DB 1987 S. 2193 = NJW
1988 S. 413 (414) und vom 11. 7. 1988 – II ZR 243/87, BGHZ 105 S. 121
(130 f.) = DB 1988 S. 1890.
7 Vgl. BR-Drucks. 100/60a S. 147 zu § 113 AktG-E.
8 Vgl. BGH vom 10. 11. 1986, vom 29. 6. 1987 und vom 11. 7. 1988, jew. a.a.O.
(Fn. 6);
Oetker
, a.a.O. (Fn. 1), § 249 Rdn. 288;
Spindler
, in: Mu¨nchKomm-
AktG, 3. Aufl., § 93 Rdn. 283 und § 117 Rdn. 52.
9 Zur Schutzrichtung eines zugunsten der Anleger von einer Fondsgesellschaft
als Versprechensempfa¨ngerin geschlossenen Mittelverwendungskontrollver-
trags vgl. auch Senatsurteil vom 19. 11. 2009 – III ZR 108/08, BGHZ 183
S. 220 = DB 2009 S. 2778, Rdn. 19 f.
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013