Forderungsrecht der Anlagegesellschaft ist ausschließlich auf
Leistung an die Anleger gerichtet
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I
(c)
Unter Beru¨cksichtigung des Schutzzwecks des Mittelver-
wendungskontrollvertrags verbietet sich auch eine Auslegung
des Vertrags dahin, dass die Schuldnerin (neben bzw. zusa¨tzlich
zu den Anlegern) als Vertragspartnerin der Beklagten (Verspre-
chensempfa¨ngerin) im Falle einer Pflichtverletzung der Beklag-
ten Ersatz eigener Vermo¨gensscha¨den verlangen kann
10
. Es ver-
bleibt daher bei dem – sich bereits aus dem Wortlaut der Norm
eindeutig ergebenden – Grundsatz, dass das neben das Recht
des Dritten (Anleger) tretende eigene Forderungsrecht des Ver-
sprechensempfa¨ngers (Schuldnerin) gegen den Versprechenden
(Beklagte) ausschließlich auf Leistung an den Dritten geht, un-
beschadet dessen, dass es vorliegend nicht um Prima¨r-, sondern
um Sekunda¨ranspru¨che geht
11
.
Keine Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters gem. oder
entsprechend § 92 Satz 1 InsO
41
I
2.
Die vom Berufungsgericht angenommene Verpflichtung
der Beklagten, den Schaden der Anleger durch Erstattung der
vom Einzahlungskonto abgeflossenen Gelder an die Masse aus-
zugleichen, kann auch nicht auf eine Einziehungsbefugnis des
Kla¨gers gem. oder entsprechend § 92 Satz 1 InsO gestu¨tzt wer-
den.
42
I
Nach § 92 Satz 1 InsO ko¨nnen wa¨hrend der Dauer des In-
solvenzverfahrens Anspru¨che der Insolvenzgla¨ubiger auf Ersatz
eines Gesamtschadens, also eines Schadens, den diese Gla¨ubiger
gemeinschaftlich durch Verminderung des zur Insolvenzmasse
geho¨renden Vermo¨gens vor oder nach der Ero¨ffnung des Insol-
venzverfahrens erlitten haben, nur vom Insolvenzverwalter gel-
tend gemacht werden. Als Insolvenzgla¨ubiger sind in diesem
Zusammenhang nach sta¨ndiger Rechtsprechung des BGH und
herrschender Meinung in der Literatur sowohl Insolvenzgla¨ubi-
ger i. S. des § 38 InsO als auch nachrangige Gla¨ubiger i. S. des
§ 39 InsO zu verstehen, also die perso¨nlichen Gla¨ubiger des
Schuldners
12
. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall
nicht erfu¨llt.
Keine unmittelbare Anwendung von § 92 Satz 1 InsO
43
I
a)
Eine unmittelbar am Wortlaut der Norm orientierte An-
wendung von § 92 Satz 1 InsO scheidet aus. Da die Anleger als
Gesellschafter nicht Gla¨ubiger der Schuldnerin sind, sondern sie
als Personengesellschaft konstituieren, und da ihnen in der In-
solvenz der Gesellschaft, wie aus § 199 Satz 2 InsO folgt, jeweils
nur der nach Befriedigung aller Gla¨ubiger verbleibende U¨ ber-
schuss anteilig zusteht, fallen sie nach dem Wortlaut der Norm
nicht in deren perso¨nlichen Anwendungsbereich.
Keine entsprechende Anwendung von § 92 Satz 1 InsO
44
I
b)
Aber auch eine erweiternde Auslegung oder entsprechen-
de Anwendung von § 92 Satz 1 InsO und des dort verwandten
Begriffs des Insolvenzgla¨ubigers auf Gesellschafter des Insol-
venzschuldners und ihre Anspru¨che kommt vorliegend nicht in
Betracht. Sie ist – unabha¨ngig von der Frage einer im Fall der
Analogie erforderlichen Regelungslu¨cke – durch Normzweck
und Interessenlage nicht geboten
13
.
45
I
aa)
§ 92 InsO soll den ungesto¨rten Ablauf des Insolvenzverfahrens
sichern, indem der Wettlauf der Gla¨ubiger um das pfa¨ndbare Vermo¨gen
des Ersatzpflichtigen ausgeschlossen wird. Zugleich soll die gleichma¨ßi-
ge Befriedigung aller Gla¨ubiger gewa¨hrleistet werden
14
. Daru¨ber hinaus
soll § 92 InsO auch dazu dienen, die Insolvenzmasse zugunsten aller
Gla¨ubiger zu vervollsta¨ndigen
15
. Die Vorschrift hat jedoch nicht eine
materielle Umverteilung zum Ziel; sie will insbesondere nicht durch
eine Mehrung der Masse den Insolvenzgla¨ubigern Vermo¨genswerte zu-
kommen lassen, die ihnen – wie hier ein etwaiger Schadensersatz-
anspruch der Gesellschafter gegen die Beklagte (s. o. 1. b) bb) (3) (b)) –
nicht zustehen. Daher ist weitgehend anerkannt, dass der Insolvenzver-
walter sogenannte „Teilgesamtscha¨den“ nur zugunsten der anspruchs-
berechtigten Gla¨ubiger einziehen darf und insoweit eine Sondermasse
zu bilden hat
16
. Keinesfalls ko¨nnte daher vorliegend wegen des von den
Kommanditisten erlittenen Schadens – zum Vorteil vor allem auch der
Insolvenzgla¨ubiger (i. S. von §§ 38, 39 InsO) – eine Wiederauffu¨llung
des Einzahlungskontos i. H. der von dort abgeflossenen Einlagen gefor-
dert werden. Allenfalls ka¨me die Geltendmachung von Scha¨den in der
vorstehend (unter 1. b) aa) (2)) definierten Ho¨he als Teilgesamtschaden
unter Bildung einer Sondermasse zugunsten der gescha¨digten Kom-
manditisten in Betracht.
46
I
bb)
Ein Bedu¨rfnis nach einer solchen Bu¨ndelung auch von Scha-
densersatzanspru¨chen der Gesellschafter gegen Dritte wegen einer Min-
derung des Werts ihrer Beteiligungen in der Hand des Insolvenzverwal-
ters ist indes nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass ggf. auch hier
ein „Wettlauf“ derjenigen Gesellschafter vermieden werden ko¨nnte, de-
nen der Dritte (aus demselben Rechtsgrund) auf Schadensersatz haftet,
begru¨ndet eine erweiternde Auslegung oder entsprechende Anwendung
von § 92 Satz 1 InsO nicht. Ein „Wettlauf“ zwischen der Schuldnerin
oder den Insolvenzgla¨ubigern (i. S. von §§ 38, 39 InsO) einerseits we-
gen einer ggf. durch die vertragswidrige Mittelverwendung zugleich er-
folgten Scha¨digung des Gesellschaftsvermo¨gens und den Kommanditis-
ten andererseits wegen der von ihnen erlittenen Vermo¨gensscha¨den ist
ebenso wenig zu befu¨rchten wie eine doppelte Inanspruchnahme des
Scha¨digers. Denn die Beklagte als Mittelverwendungskontrolleurin haf-
tet – wie ausgefu¨hrt – ausschließlich den Kommanditisten.
47
I
Zudem wu¨rde, da die realisierten Anspru¨che, wie gesehen, der In-
solvenzmasse nicht zuguteka¨men, der Funktionskreis des Insolvenzver-
walters, dessen prima¨re Aufgabe die Mehrung und Verteilung der Mas-
se zugunsten der Insolvenzgla¨ubiger (i. S. von §§ 38, 39 InsO) ist, ohne
zwingenden Grund erheblich erweitert. Fu¨r die Interessen der Gesell-
schafter des Schuldners erkla¨rt ihn das Gesetz nur ausnahmsweise fu¨r
zusta¨ndig, so z. B. fu¨r die Herausgabe eines U¨ berschusses gem. § 199
Satz 2 InsO
17
. Eine Kompetenz zur der Herausgabe des U¨ berschusses
gleichsam vorgelagerten Geltendmachung von Anspru¨chen der Gesell-
schafter entsprechend § 92 Satz 1 InsO ergibt sich hieraus jedoch nicht.
Kein Klageerfolg im Hinblick auf das abgetretene Recht eines
Anlegers
48
I
3.
Die Klage ist schließlich auch nicht begru¨ndet, soweit sich
der Kla¨ger hilfsweise auf das abgetretene Recht eines an der
Schuldnerin beteiligten Anlegers stu¨tzt. . . . (Wird ausgefu¨hrt.)
10 Vgl. BGH-Urteil vom 10. 1. 1984 – VI ZR 158/82, BGHZ 89 S. 263 (266 f.).
11 Vgl.
Jagmann
, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 335 Rdn. 6;
Gottwald
,
in: Mu¨nchKomm-BGB, § 335 Rdn. 4.
12 Vgl.
Kayser
, in: Kreft, InsO, 6. Aufl., § 92 Rdn. 18;
Mu¨ller
, in: Jaeger, InsO,
§ 92 Rdn. 19;
Wittkowski/Kruth
, in: Nerlich/Ro¨mermann, InsO, 2012, § 92
Rdn. 10.
13 So
Kiethe
, ZIP 2005 S. 1535 (1538) fu¨r u¨ber reine Reflexscha¨den hinaus-
gehende Scha¨den der Gesellschafter;
Hofmann
, in: Graf-Schlicker, InsO,
3. Aufl., § 92 Rdn. 2; a. A. fu¨r reine Reflexscha¨den der Gesellschafter:
Haas/
Hossfeld
, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rdn. 497.
14 Vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 139 zu § 103 InsO-E;
Brandes
, in: Mu¨nchKomm-
InsO, § 92 Rdn. 1;
Hammes
, in: Hess, Insolvenzrecht, § 92 InsO Rdn. 1;
Mu¨l-
ler
, a.a.O. (Fn. 12), Rdn. 3.
15 Vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 139;
Brandes
, a.a.O. (Fn. 14), Rdn. 2.
16 Vgl. BGH-Beschluss vom 20. 11. 2008 – IX ZB 199/05, DB 2009 S. 1759 =
NZI 2009 S. 108 (109) (zur parallelen Problematik bei § 93 InsO);
Brandes
,
a.a.O. (Fn. 14), Rdn. 11;
Wittkowski/Kruth
, a.a.O. (Fn. 12), Rdn. 5;
Hofmann
,
a.a.O. (Fn. 13), Rdn. 3.
17
Depre´
, in: Kreft, InsO, 6. Aufl., § 199 Rdn. 3;
Hintzen
, in: Mu¨nchKomm-InsO,
§ 199 Rdn. 2;
Westphal
, in: Nerlich/Ro¨mermann, InsO, 2012, § 199
Rdn. 7 ff.
DER BETRIEB | Nr. 16 | 19. 4. 2013
Wirtschaftsrecht
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