Hinweise des Senats:
Zu OS 1: Besta¨t. und Weiterentw. der Rspr. des BAG zur Verteilung der
Darlegungslast fu¨r das Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 KSchG in
Anlehnung an die Rspr. des BAG zur Darlegungslast fu¨r die Einhaltung
des § 102 BetrVG: BAG vom 18. 1. 2012 – 6 AZR 407/10, DB 2012
S. 927; vom 23. 6. 2005 – 2 AZR 193/04, DB0118534 = AP ZPO
§ 138 Nr. 11; vom 16. 3. 2000 – 2 AZR 75/99, DB 2000 S. 1524.
Zu OS 2: Besta¨t. der Rspr. des BAG zur Verpflichtung der Arbeits-
gerichtsbarkeit, unabha¨ngig von ausdru¨cklichen Ru¨gen des Arbeitneh-
mers Unwirksamkeitsgru¨nde von Amts wegen zu beru¨cksichtigen, wenn
diese aktenkundig sind: BAG vom 18. 1. 2012 – 6 AZR 407/10, DB
2012 S. 927 = AP KSchG 1969 § 6 Nr. 6 = EzA KSchG § 6 Nr. 4.
Zu OS 3: Anschl. an die Rspr. des BAG zum Umfang der Entschei-
dungskompetenz des LAG bei Verletzungen der Hinweispflicht nach
§ 6 Satz 2 KSchG i. V. mit § 17 Satz 2 TzBfG: BAG vom 4. 5. 2011 –
7 AZR 252/10, DB0458817 = EzA KSchG § 6 Nr. 3.
Redaktionelle Hinweise:
Die Parteien streiten u¨ber eine betriebsbedingte Ku¨ndigung. Zwischen
der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat fanden Interessenausgleichs-
verhandlungen vor der Einigungsstelle statt. Die Verhandlungen u¨ber
einen Interessenausgleich scheiterten, der Sozialplan vom 4. 12. 2009
erging als Spruch der Einigungsstelle. Mit Schreiben vom 17. 12. 2009
leitete Rechtsanwalt G, der spa¨tere Prozessbevollma¨chtigte der Beklag-
ten, die Anho¨rung des Betriebsrats der Niederlassung F zur beabsichtig-
ten Ku¨ndigung des Arbeitsverha¨ltnisses der Kla¨gerin ein. Dort ist u. a.
ausgefu¨hrt: „Betriebsratsanho¨rung i. S. des § 102 BetrVG, Mitteilung
i. S. von § 17 Abs. 2 KSchG Ku¨ndigung des Arbeitsverha¨ltnisses: Sehr
geehrter Herr . . ., Vorliegend ist mitzuteilen, dass beabsichtigt ist fol-
gendes Arbeitsverha¨ltnis mit der o. g. 3-monatigen Ku¨ndigungsfrist
zum 31. 3. 2010 zu ku¨ndigen: . . .“
Ebenfalls am 17. 12. 2009 erstattete die Beklagte bei der Agentur fu¨r
Arbeit F eine Massenentlassungsanzeige zur Beendigung aller 36 Ar-
beitsverha¨ltnisse. Mit Schreiben vom 18. 12. 2009 besta¨tigte die Agen-
tur fu¨r Arbeit den Eingang der Massenentlassungsanzeige „vom 15. 12.
2009 der O S.A.“
Die Kla¨gerin hat erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht, es
liege keine ordnungsgema¨ße Anzeige i. S. des § 17 KSchG vor. Der
Agentur fu¨r Arbeit seien die Anho¨rungsschreiben an den Betriebsrat
nicht u¨bermittelt worden. Die Beklagte hat ihren Klageabweisungs-
antrag u. a. damit begru¨ndet, sie habe die ihr nach § 17 KSchG oblie-
genden Pflichten erfu¨llt. Mit der Betriebsratsanho¨rung sei der Betriebs-
rat auch nach § 17 Abs. 2 KSchG informiert worden.
Die Vorinstanzen (zuletzt Hessisches LAG – 17 Sa 1666/10) haben die
Klage abgewiesen. Die Revision hatte Erfolg.
Die Beklagte hat den ihr nach § 17 KSchG obliegenden Pflichten in
mehrfacher Weise nicht genu¨gt. Sie hat kein Konsultationsverfahren
nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem dafu¨r zusta¨ndigen Gesamtbetriebsrat
durchgefu¨hrt. Zudem war der Massenentlassungsanzeige entgegen § 17
Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats bei-
gefu¨gt. Die Massenentlassungsanzeige war deshalb unwirksam. Diese
Unwirksamkeit ist durch die Schreiben der Agentur fu¨r Arbeit nicht ge-
heilt worden. Die Ku¨ndigung der Beklagten ist deshalb unwirksam. Die
Mitteilung im Betreff des an den o¨rtlichen Betriebsrat in F gerichteten
Schreibens vom 17. 12. 2009 im Verfahren nach § 102 BetrVG, dieses
Anho¨rungsschreiben sei auch die Mitteilung i. S. von § 17 Abs. 2
KSchG, genu¨gte den an ein ordnungsgema¨ßes Konsultationsverfahren
zu stellenden Anforderungen nicht. Die Beklagte hat das Konsultati-
onsverfahren mit dem o¨rtlichen Betriebsrat erst mit Schreiben vom 17.
12. 2009 eingeleitet und bereits am selben Tag Massenentlassungs-
anzeige erstattet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betriebsrat noch keine
Stellungnahme abgegeben. Die Unterrichtung wa¨re deshalb nicht recht-
zeitig erfolgt. Die Beklagte ist außerdem ihrer Verpflichtung gem. § 17
Abs. 3 Satz 2 KSchG, der Massenentlassungsanzeige eine Stellungnah-
me des Betriebsrats beizufu¨gen, nicht nachgekommen.
Volltext unter DB0588147.
Betriebliche Altersversorgung
Eine teilweise Erwerbsminderung steht dem
Anspruch auf Versorgung nicht entgegen
Inhalts- und zeitdynamische Verweisung auf Bestimmungen
des Sozialversicherungsrechts – Gleichlauf einer gesetzlichen
Rente und einer Betriebsrente – Auslegung einer diesbezu¨g-
lichen Betriebsvereinbarung
SGB VI in der bis zum 31. 12 2000 geltenden Fassung (a. F.)
§ 43 Abs. 2 Satz 1, § 67; SGB VI in der ab dem 1. 1. 2001 gel-
tenden Fassung (n. F.) § 43 Abs. 1, § 67
1. Eine Versorgungszusage, mit der der Arbeitgeber die Zah-
lung einer Betriebsrente fu¨r den Fall der Berufsunfa¨higkeit
verspricht, bedarf der Auslegung.
2. Ergibt die Auslegung, dass ein Gleichlauf der Voraussetzun-
gen fu¨r die Bewilligung einer gesetzlichen Rente wegen
Leistungsminderungen und einer Betriebsrente gewollt ist,
so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Betriebsrente,
wenn er teilweise erwerbsgemindert i. S. des § 43 Abs. 1
SGB VI n. F. ist.
(Orientierungssa¨tze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG, Urteil vom 9. 10. 2012 – 3 AZR 539/10
u
DB0585534
Die Parteien streiten daru¨ber, ob die Kla¨gerin von der Beklagten fu¨r die
Zeit vom 1. 4. bis 30. 9. 2008 eine monatliche Betriebsrente von 205 €
beanspruchen kann.
Die Kla¨gerin war von 1977 bis Ende 2007 bei der Beklagten bescha¨ftigt.
Das Arbeitsverha¨ltnis endete aufgrund einer betriebsbedingten Ku¨ndi-
gung. Die Beklagte hatte der Kla¨gerin eine Versorgungszusage nachMaß-
gabe der auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden Ruhegeldordnung
(RO) vom 30. 12. 1985 erteilt. Nach deren § 8 wird fu¨r die Dauer einer
festgestellten Berufs- oder Erwerbsunfa¨higkeit sowie der Rentenzahlung
durch Rentenversicherungstra¨ger nach Auflo¨sung des Arbeitsverha¨ltnis-
ses eine Berufs- oder Erwerbsunfa¨higkeitsrente gewa¨hrt.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte der Kla¨gerin ab dem
1. 4. 2008 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung; seit dem
1. 10. 2008 erha¨lt sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Im August 2008 teilte die Beklagte der Kla¨gerin mit, dass ihr fu¨r die
Zeit des Bezugs der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom
1. 4. bis zum 30. 9. 2008 keine Leistungen nach der Ruhegeldordnung
zustu¨nden.
Von den Instanzgerichten (LAG Ko¨ln – 7 Sa 1117/09) wurde die Klage
abgewiesen. Die Revision der Kla¨gerin hatte Erfolg.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 17
I
A.
. . .
B.
Die Kla¨gerin hat gegen die Beklagte einen
Anspruch auf Zahlung ru¨cksta¨ndiger Betriebsrente fu¨r die Zeit
vom 1. 4. 2008 bis zum 30. 9. 2008 i. H. von insgesamt 1.230 €
brutto.
18
I
I.
Der Anspruch der Kla¨gerin folgt aus § 8 Abs. 1 RO, wo-
nach Berufs oder Erwerbsunfa¨higkeitsrente fu¨r die Dauer der
festgestellten Berufs- oder Erwerbsunfa¨higkeit sowie der Ren-
tenzahlung durch den Rentenversicherungstra¨ger nach Auf-
lo¨sung des Arbeitsverha¨ltnisses gewa¨hrt wird.
Es wird nicht vorausgesetzt, dass die Arbeitnehmerin endgu¨ltig
aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist
19 . . . 20
I
1.
Auf den Grund fu¨r die Beendigung des Arbeitsver-
ha¨ltnisses kommt es nicht an. Ebenso wenig setzt die Zahlung
942
Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
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