AUS DEN GRU¨ NDEN
Vertrag u¨ber die Pru¨fung des Jahresabschlusses und des Lage-
berichts entfaltet keine Schutzwirkung zugunsten der Anleger
1 . . . 9
I
I.
. . .
II. 1.
Nicht zu bema¨ngeln ist die Ansicht des Be-
rufungsgerichts, der zwischen der WBG L und der Beklagten
geschlossene Vertrag u¨ber die Pru¨fung des Jahresabschlusses
2003 und des Lageberichts habe keine Schutzwirkung zugunsten
der Anleger entfaltet. Gleiches gilt fu¨r Anspru¨che aus Prospekt-
haftung im engeren Sinn, soweit das Berufungsgericht ange-
nommen hat, die Beklagte sei nicht umfassend prospektverant-
wortlich, da ihr kein Prospektpru¨fungsauftrag erteilt worden sei.
Auch die Revision nimmt beides hin.
Zum Schadensersatzanspruch der Anleger gegen die WP-Gesell-
schaft auf anderer rechtlicher Basis
10
I
2.
Hingegen la¨sst sich mit den weiteren Erwa¨gungen der
Vorinstanz die Klageabweisung nicht begru¨nden. Nach dem
derzeitigen Sach- und Streitstand und den hierzu getroffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein Schadensersatz-
anspruch der Kla¨ger gegen die Beklagte auf anderer rechtlicher
Basis nicht auszuschließen.
Quasi-vertragliche und deliktische Anspruchsgrundlagen
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I
a)
Insoweit sind sowohl quasi-vertragliche als auch delikti-
sche Anspruchsgrundlagen in Erwa¨gung zu ziehen. Ob jedoch
die Voraussetzungen ersterer dem Grund nach erfu¨llt sind
(s. hierzu aa), kann auf sich beruhen, da jedenfalls eine Haftung
der Beklagten aus § 826 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i. V.
mit § 264a Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB und § 332 HGB, jeweils
i. V. mit § 31 BGB – vorbehaltlich vom Berufungsgericht nach-
zuholender Feststellungen – besteht (vgl. hierzu bb)).
Zur Haftung der WP-Gesellschaft nach den Grundsa¨tzen der
Prospekthaftung im engeren Sinn als Garant
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I
aa)
Nach den bisher getroffenen Feststellungen kommt zu-
mindest im Ausgangspunkt eine Haftung der Beklagten nach
den Grundsa¨tzen der Prospekthaftung im engeren Sinn als Ga-
rant in Betracht. Fu¨r den Prospektinhalt mu¨ssen zwar in erster
Linie diejenigen einstehen, die fu¨r die Geschicke des Unterneh-
mens und damit fu¨r die Herausgabe des Prospekts verantwort-
lich sind. Das sind namentlich die Initiatoren, Gru¨nder und Ge-
stalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesell-
schaft bilden oder sie beherrschen, einschließlich der sog. „Hin-
terma¨nner“. Daru¨ber hinaus haften aber auch diejenigen, die auf-
grund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder auf-
grund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen
und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach au-
ßen hin in Erscheinung getreten sind
1
. Wie der Senat in seinem
Urteil vom 15. 12. 2005 – III ZR 424/04
2
ausgefu¨hrt hat, kann
auch das Jahresabschlusstestat eines Wirtschaftspru¨fers seine
Haftung als „Garant“ fu¨r ihm zuzurechnende Prospektaussagen
begru¨nden, sofern seine entsprechende Ta¨tigkeit nach außen er-
kennbar geworden ist. Von einem solchen Sachverhalt du¨rfte
nach den bisher getroffenen Feststellungen auszugehen sein.
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I
Dabei kann dahinstehen, ob – wie die Revision unter Bezugnahme
auf die Begru¨ndung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde in die Diskussion
eingefu¨hrt hat – fu¨r Wirtschaftspru¨fer, die Testate gem. § 322 HGB er-
teilen, der perso¨nliche Anwendungsbereich der (in der fu¨r den Streitfall
maßgeblichen Zeit noch gu¨ltigen, inzwischen aufgrund des Gesetzes
zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermo¨gensanlagen-
rechts vom 6. 12. 2011
3
, mit Wirkung zum 1. 6. 2012 außer Kraft ge-
tretenen) Regelungen in § 13 des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes
(VerkProspG) und in § 44 Bo¨rsG ero¨ffnet ist
4
. Ebenso wenig bedarf es
einer Entscheidung, ob die in § 44 Abs. 1 Satz 1 Bo¨rsG, § 13 Abs. 1
Nr. 1 VerkProspG bestimmte Begrenzung des Ru¨ckabwicklungs-
anspruchs gegen die Prospektverantwortlichen auf Erwerbsgescha¨fte,
die nach Vero¨ffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Mo-
naten nach erstmaliger Einfu¨hrung der Wertpapiere beziehungsweise
nach dem Zeitpunkt des ersten o¨ffentlichen Angebots im Inland abge-
schlossen wurden, Schadensersatzanspru¨che aus Prospekthaftung im en-
geren Sinn fu¨r spa¨ter geta¨tigte Erwerbsgescha¨fte ausschließt
5
.
Zum Anspruch der Anleger wegen sittenwidriger vorsa¨tzlicher
Scha¨digung und wegen Beihilfe zum Kapitalanlagebetrug
14
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bb)
Jedenfalls haben die Kla¨ger nach dem im Revisionsver-
fahren zugrunde zu legenden Sachverhalt dem Grund nach
einen Anspruch, der auf § 826 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB
i. V. mit § 264a Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB und § 332 HGB, je-
weils i. V. mit § 31 BGB, beruht. Sie haben vorgetragen, der
Gescha¨ftsfu¨hrer der Beklagten habe zumindest bedingt vorsa¨tz-
lich einen fehlerhaft uneingeschra¨nkten Besta¨tigungsvermerk fu¨r
den Jahresabschluss 2003 erteilt. Sie haben sich insoweit ein im
Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Gescha¨ftsfu¨hrer
der Beklagten erstattetes Gutachten der Wirtschaftspru¨ferkam-
mer B. zu eigen gemacht. In diesem Gutachten werden gravie-
rende Ma¨ngel bei der Durchfu¨hrung der Jahresabschlusspru¨fun-
gen 2002 und 2003 festgestellt. Das Berufungsgericht hat hierzu
keine gegenteiligen Feststellungen getroffen, vielmehr ein vor-
sa¨tzliches und sittenwidriges Verhalten des Gescha¨ftsfu¨hrers der
Beklagten unterstellt, sodass hiervon auch in der Revisions-
instanz auszugehen ist. Anspru¨che wegen vorsa¨tzlicher unerlaub-
ter Handlungen ko¨nnen uneingeschra¨nkt neben den gesetzlichen
Prospekthaftungsanspru¨chen (sofern deren perso¨nlicher Anwen-
dungsbereich fu¨r die Beklagte u¨berhaupt ero¨ffnet sein sollte,
s. aa)) geltend gemacht werden (§ 13 Abs. 1 VerkProspG, § 47
Abs. 2 Bo¨rsG; s. jetzt § 21 Abs. 5 Satz 2 VermAnlG und § 25
Abs. 2 WpPG).
Zur Ursa¨chlichkeit der Pflichtverletzung der WP-Gesellschaft
fu¨r die Investitionsentscheidungen der Anleger
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I
b)
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Ur-
sa¨chlichkeit der Pflichtverletzung der Beklagten fu¨r die Ent-
scheidungen der Kla¨ger, ihre Inhaberschuldverschreibungen
2005 umzutauschen, nicht auszuschließen. Mit Recht hat die
Vorinstanz hervorgehoben, die Lebenserfahrung spreche dafu¨r,
dass ein Prospektfehler ursa¨chlich fu¨r den Entschluss zum Er-
werb der Anlage sei
6
. Diese auf Tatsachenerfahrung beruhende
1 St. Rspr., z. B. Senatsurteil vom 17. 11. 2011 – III ZR 103/10, BGHZ 191
S. 310 = DB 2011 S. 2835, Rdn. 19 und vom 12. 2. 2004 – III ZR 359/02,
BGHZ 158 S. 110 (115) = DB 2004 S. 975, jew. m. w. N.
2 DB 2006 S. 385 = NJW-RR 2006 S. 611, Rdn. 19 f.
3 BGBl. I S. 2481.
4 Streitig, dagegen z. B.:
Emmerich
, in: Mu¨nchKomm-BGB, 6. Aufl., § 311
Rdn. 158;
Nobbe
, WM 2013 S. 193 (196);
Schwark
, in: Schwark/Zimmer, Ka-
pitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., §§ 44, 45 Bo¨rsG Rdn. 12, m. w. N.
zum Meinungsstand; dafu¨r z. B.:
Groß
, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., §§ 44,
45 Bo¨rsG Rdn. 36 f; zweifelnd
Fleischer
, BKR 2004 S. 339 (344).
5 Vgl. § 47 Abs. 2 Bo¨rsG, dazu
Nobbe
, WM 2013 S. 193 (201 f.); vgl. auch
Kind
,
in: Arndt/Voß, VerkProspG, § 13 Rdn. 40; vor §§ 13, 13a Rdn. 16; s. jetzt
§ 21 Abs. 5 Satz 2 des Vemo¨gensanlagengesetzes – VermAnlG – und § 25
Abs. 2 des Wertpapierprospektgesetzes – WpPG.
6 So die st. Rspr., z. B. Senatsbeschluss vom 9. 4. 2009 – III ZR 89/08,
DB0324649 = juris, Rdn. 8; Urteil vom 14. 6. 2007 – III ZR 300/05, DB 2007
S. 1635 = NJW-RR 2007 S. 1329, Rdn. 21; BGH vom 23. 4. 2012 – II ZR
211/09, DB 2012 S. 1436 = WM 2012 S. 1184, Rdn. 30; vom 7. 12. 2009 – II
ZR 15/08, DB 2010 S. 213 = ZIP 2010 S. 176, Rdn. 23; vom 2. 6. 2008 – II
ZR 210/06, BGHZ 177 S. 25 = DB 2008 S. 2019, Rdn. 19 und vom 3. 12. 2007
– II ZR 21/06, DB0283572 = ZIP 2008 S. 412, Rdn. 16, jew. m. w. N.
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
1...,50,51,52,53,54,55,56,57,58,59 61,62,63,64,65,66,67,68,69,70,...84