RA Dr. Martin Kock, FAArbR, Du¨ren / Rechtsreferendar Alexander Dittrich, Bonn
Unmutsa¨ußerungen und Beleidigungen auf
Facebook & Co. als Ku¨ndigungsgrund
u
DB0586763
I. Einleitung
Die Lebensweisheit „
Sagen, was man denkt, ist manchmal die
gro¨ßte Torheit und manchmal – die gro¨ßte Kunst
.“ geht auf die
o¨sterreichische Schriftstellerin
Marie von Ebner-Eschenbach
zu-
ru¨ck. Sie gilt nicht nur fu¨r das gesprochene Wort, sondern erst
recht fu¨r schriftliche A¨ ußerungen – auch in sozialen Netzwer-
ken, von denen Facebook das bekannteste ist. Hier findet man
von den Nutzern leider nicht nur große Kunst, sondern vor al-
lem große Torheit. Arbeitnehmer klagen dort u¨ber ihren
„Scheißjob, auf den sie keinen Bock mehr haben“ oder bezeich-
nen ihren Arbeitgeber als „Menschenschinder“, die Kollegen als
„Klugscheißer“ und Kunden als „Penner“. Gelangt die Unmut-
sa¨ußerung zur Kenntnis des Arbeitgebers, sind arbeitsrechtliche
Maßnahmen bis hin zur außerordentlichen Ku¨ndigung oft die
Folge und vor dem Arbeitsgericht wird dann gestritten. Der
nachfolgende Beitrag untersucht, wo die Grenze zwischen zula¨s-
siger Unmutsa¨ußerung und unzula¨ssiger Beleidigung liegt und
ordnet Unmutsa¨ußerungen und Beleidigungen in sozialen Netz-
werken anhand der bisherigen ho¨chstrichterlichen und aktuellen
Instanz-Rechtsprechung ku¨ndigungsrechtlich ein.
II. Unmutsa¨ußerungen und Beleidigungen als Ku¨ndi-
gungsgrund
1. Meinungsfreiheit (Art. 5 GG)
Arbeitnehmer du¨rfen sich außerdienstlich in sozialen Netzwer-
ken (z. B. Facebook, Google+)
1
beta¨tigen. Ein entsprechendes
Verbot, z. B. in Unternehmensrichtlinien oder per Weisungs-
recht, wa¨re unwirksam
2
. Bei der Nutzung hat der Arbeitnehmer
das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu a¨u-
ßern (Art. 5 Abs. 1 GG). Die Meinungsfreiheit des Arbeitneh-
mers gilt jedoch nicht unbeschra¨nkt, sondern findet ihre Schran-
ken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzli-
chen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht
der perso¨nlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) und muss in ein aus-
geglichenes Verha¨ltnis mit diesen gebracht werden. Zwischen
Meinungsfreiheit und beschra¨nkenden Gesetzen findet mithin
eine Wechselwirkung statt. Das bedeutet, die dem Grundrecht
der Meinungsfreiheit Schranken setzenden Regelungen und ge-
genla¨ufigen verfassungsrechtlich geschu¨tzten Positionen mu¨ssen
ihrerseits im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden und
im jeweiligen Einzelfall zu einem angemessenen Ausgleich ge-
bracht werden
3
.
Als Schranke der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers wirkt
zum einen die (einfach-)gesetzliche Pflicht zur Ru¨cksichtnahme
nebst Treuepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Danach muss der Ar-
beitnehmer die Interessen seines Arbeitgebers so wahren, wie
dies von ihm unter Beru¨cksichtigung seiner Stellung und Ta¨tig-
keit im Unternehmen, seiner eigenen Interessen und der Interes-
sen seiner Arbeitskollegen nach Treu und Glauben billigerweise
verlangt werden kann
4
. Daru¨ber hinaus sind auf Seiten des Ar-
beitgebers dessen verfassungsrechtlich geschu¨tzte Positionen zu
beru¨cksichtigen, z. B. die Menschenwu¨rde (Art. 1 GG), das all-
gemeine Perso¨nlichkeitsrecht (Art. 2 i. V. mit Art. 1 GG) und
die wirtschaftliche Beta¨tigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), wo-
bei letztgenannte insbesondere durch die Sto¨rung des Arbeits-
ablaufs und des Betriebsfriedens beeintra¨chtigt sein kann. Daher
ist unter Beru¨cksichtigung aller Umsta¨nde des Einzelfalls eine
Abwa¨gung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und
den Rechtsgu¨tern, in deren Interesse das Grundrecht der Mei-
nungsfreiheit eingeschra¨nkt werden soll, vorzunehmen
5
. Hierbei
kommt es vor allem auf folgende Punkte an:
a) Grenzen der Treuepflicht des Arbeitnehmers
Die perso¨nliche, in der Freizeit gea¨ußerte Meinung des Arbeit-
nehmers ist grundsa¨tzlich dessen Privatangelegenheit. Allerdings
gilt die Ru¨cksichtnahme- und Treuepflicht gegenu¨ber dem Ar-
beitgeber nicht nur im dienstlichen Bereich. Der Arbeitnehmer
ist auch bei privatem Verhalten verpflichtet, auf die berechtigten
Interessen seines Arbeitgebers Ru¨cksicht zu nehmen, falls das
Verhalten (negative) Folgen fu¨r den Arbeitgeber hat
6
. Hierbei
trifft einen Arbeitnehmer in leitender Stellung ein ho¨heres Maß
an Loyalita¨t als einen „einfachen“ Arbeitnehmer
7
. Gleichwohl
reicht die Ru¨cksichtnahme- und Treuepflicht nicht soweit, dass
der Arbeitnehmer seine private Lebensfu¨hrung an den Interes-
sen des Arbeitgebers auszurichten hat
8
. Insbes. folgt aus der ver-
traglichen Loyalita¨tspflicht des Arbeitnehmers nicht, dass es
ihm grundsa¨tzlich verwehrt ist, sich kritisch u¨ber seine Arbeit,
sein Arbeitsverha¨ltnis, den Arbeitgeber oder dessen Kunden zu
a¨ußern
9
.
RA Dr. Martin Kock
ist Leiter Arbeitsrecht der Generali Deutschland
Holding AG in Ko¨ln sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Frese-
nius in Ko¨ln und an der Fachhochschule Mu¨nster.
RRef Alexander
Dittrich
arbeitet bei der Generali Deutschland Holding AG als wis-
senschaftlicher Mitarbeiter.
1 Soziale Netzwerke wie z. B. Facebook oder Google+ sind Internetplattformen,
auf denen die angemeldeten Mitglieder (Nutzer) ein eigenes Profil, a¨hnlich ei-
nem Steckbrief mit diversen Informationen (Name, Adresse, Arbeitsstelle, In-
teressen etc.), erstellen und fu¨r andere Personen zuga¨nglich machen ko¨nnen.
Zu dem Profil geho¨rt i. d. R. auch eine Art Pinnwand (bei Facebook „Chronik“
genannt), auf welcher der Nutzer Nachrichten hinterlassen kann, welche von
den Besuchern der Profilseite gelesen und kommentiert werden ko¨nnen. Bei
Facebook besteht zusa¨tzlich die Mo¨glichkeit, durch Beta¨tigung eines „Gefa¨llt
mir“-Buttons unter dem jeweiligen Beitrag Zustimmung auszudru¨cken. Ob und
inwieweit andere Internetnutzer das Profil und die Pinnwand einsehen ko¨n-
nen, wird vom Nutzer bestimmt. Er hat insbes. die Mo¨glichkeit, andere Mitglie-
der des Netzwerks als sog. Freunde in sein Profil aufzunehmen. Fu¨r die Befug-
nisse der Freundesgruppe gibt es unterschiedliche Einstellungen (z. B. kann
der Nutzer den gesamten Zugriff auf sein Profil gestatten, aber auch nur einen
sehr eingeschra¨nkten Einblick erlauben).
2
Melot de Bauregard/Gleich
, DB 2012 S. 2044;
Bissels/Lu¨tzeler/Wisskirchen
,
BB 2010 S. 2433 (2434);
Kort
, NZA 2012 S. 1321 (1322);
Gabriel/Cornels
,
MMR-Aktuell 2011, 316759.
3 Vgl. ErfK/
Schmidt
, 13. Aufl. 2013, Art. 5 GG Rdn. 20 ff.
4 ErfK/
Mu¨ller-Glo¨ge
, 13. Aufl. 2013, § 626 BGB Rdn. 127a m. w. N.
5 BAG vom 24. 11. 2005 – 2 AZR 584/04, DB 2006 S. 1277.
6
Mu¨ller-Glo¨ge
, a.a.O. (Fn. 4), § 626 BGB Rdn. 127a, m. w. N.
7 ArbG Dessau-Roßlau vom 21. 3. 2012 – 1 Ca 148/11, ZD 2012 S. 344;
Lu¨t-
zeler/Bissels
, ArbRAktuell 2011, 322670.
8 ErfK/
Preis
, 13. Aufl. 2013, § 611 BGB Rdn. 730.
9
Hoeren/Sieber
, Hdb. Multimediarecht, 32. Erg.-Lfg. 2012, § 22.1 Rdn. 59;
Kort
, NZA 2012 S. 1321 (1322);
Oberwetter
, NJW 2011 S. 417 (419);
Gabriel/
Cornels
, MMR-Aktuell 2011, 316759.
934
Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013