nehmen. In der Animation liefen Bilder in schneller Abfolge mit
unterschiedlichen Motiven (Computertastatur Guillotine, Atom-
pilz, Leichenberg, Tor zum Konzentrationslager, Blitzschlag, in
einem Boot sitzender Teddyba¨r, geo¨ffnetes Maul eines Krokodils)
ab. Dabei erschienen dieWorte „Meinung“, „Schwarzes Brett“ so-
wie die Unterzeile „Hier ist die Meinungsfreiheit“. Die Einblen-
dungsdauer der Bilder war jeweils a¨ußerst kurz. Gut erkennbar
war im unteren Bereich stets das Wort „Trennungsgespra¨che“ ein-
geblendet neben einem unbewegten Sensenmann. Die vom Ar-
beitnehmer erstellte Animation entha¨lt keine Beleidigung oder
Schma¨hung, durch welche die Grenze der Meinungsfreiheit u¨ber-
schritten wa¨re. Zumindest la¨sst sich die Animation auch in einem
nicht beleidigenden oder schma¨henden Sinn verstehen. Eine
Pflichtverletzung ist deshalb nicht gegeben
5
.
Die perso¨nliche Meinung u¨ber die eigene Arbeit (z. B. „mein
blo¨der Job kotzt mich an“; „heute wieder nur Zeit in sinnfreien
Meetings verschwendet“) ist ebenfalls grundsa¨tzlich zula¨ssig. Ar-
beitnehmer sind auch aus der Ru¨cksichtnahme- und Treuepflicht
gegenu¨ber ihrem Arbeitgeber nicht gehalten, ihren Job gut zu fin-
den und nichts Anderslautendes kundzutun, solange sich die Aus-
sage in der Bewertung der eigenen Ta¨tigkeit erscho¨pft.
bb) Kunden
Der gleiche Maßstab gilt fu¨r A¨ ußerungen in Bezug auf Kunden
des Arbeitgebers. Eine Sicherheitskraft bezeichnete eine Tele-
fongesellschaft, die Kundin ihres Arbeitgebers war, als „diese
Penner“ und meinte „die kotzen mich an“, weil die Telefonge-
sellschaft ihr privates Handy trotz Zahlung gesperrt hatte. Da
die A¨ ußerungen erkennbar das Verhalten der Telefongesellschaft
im Zusammenhang mit dem privaten Handyvertrag – in (noch)
sprachlich pointierter Form – kritisieren, nicht aber das Kunden-
unternehmen in Bausch und Bogen diffamieren, sind die A¨ uße-
rungen – trotz ihres ru¨den Tons – noch vom Grundrecht der
freien Meinungsa¨ußerung gedeckt. Unter der Geltung des
Grundgesetzes entscheidet allein die Arbeitnehmerin, was sie
„ankotzt“ und was nicht. Auch die Bezeichnung „Penner“ hat
nicht von vornherein stets beleidigenden Charakter, sondern
steht auch als Synonym fu¨r Tra¨gheit und Schla¨frigkeit
23
.
b) Unzula¨ssige Meinungsa¨ußerung
Die Grenze des Unzula¨ssigen ist u¨berschritten, wenn die Kritik
beleidigenden Charakter hat oder sich als Schma¨hkritik ent-
puppt (s. o.). Darunter fallen z. B. Beleidigungen durch die typi-
schen „Stasi- oder Nazi-Vergleiche“, etwa der Vorwurf der „Sta-
simentalita¨t“, denn dadurch wird eine nicht hinnehmbare Ver-
bindung zu den menschenverachtenden Methoden des Staats-
sicherheitsdienstes der ehemaligen DDR hergestellt und die
Vorgesetzten und Kollegen mit diesem Wort ganz erheblich in
ihrer Ehre verletzt
28
; oder die A¨ ußerung eines Arbeitnehmers
„Ist das hier Konzentrationslager oder was?“, weil er fu¨r eine ver-
spa¨tete Urlaubsru¨ckkehr abgemahnt worden war. Durch die pro-
vokante Fragestellung vergleicht der Arbeitnehmer die von sei-
nen Vorgesetzten erteilte Abmahnung mit den unrechtma¨ßigen
und willku¨rlichen Terrorverha¨ltnissen in den Konzentrations-
lagern der Nazi-Zeit und verharmlost zugleich das in der Zeit
des Faschismus begangene Unrecht und verho¨hnt die Opfer
29
.
Aber auch bei etwas diffizileren Anspielungen, z. B. wenn ein
Arbeitnehmer einer Sparkasse (deren Vorsta¨nde Ralf und Tho-
mas mit Vornamen heißen) auf Facebook den Eintrag „Hab ge-
rade mein Sparkassenschwein auf Ralf-Thomas getauft“. . .„Na-
ja, irgendwann stehen alle Schweine vorm Metzger“ nebst einem
Fischpiktogramm, bei welchem das Fischmittelstu¨ck durch das
Sparkassensymbol dargestellt ist, vero¨ffentlicht und hierzu er-
ga¨nzt „Unser Fisch stinkt vom Kopf her“, ist die Grenze zur
Schma¨hkritik u¨berschritten
30
, da es an jeglichem Bezug zu einem
mo¨glichen Fehlverhalten der Vorsta¨nde fehlt, sodass es dem Ar-
beitnehmer einzig um die Diffamierung der Personen geht
31
.
Auch Unmutsa¨ußerungen u¨ber die eigene Arbeit werden un-
zula¨ssig, wenn zusa¨tzlich Beleidigungen ausgesprochen werden.
Macht ein Arbeitnehmer z. B. den Eintrag “ ich muss wieder an
die Exzenterpresse, muss den Kunden S. einbinden, so ein
Scheiß“, bezeichnet der Arbeitnehmer einen Kunden des Arbeit-
gebers namentlich in missfa¨llig gea¨ußertem Zusammenhang.
Dadurch kann der Arbeitgeber beim Kunden in Misskredit gera-
ten, mit eventuell wirtschaftlichen Folgen
14
.
Unzula¨ssig sind auch grob unsachliche Angriffe, die zur Un-
tergrabung der Position des Arbeitgebers oder von Vorgesetzten
fu¨hren ko¨nnen. Derartiges muss der Arbeitgeber nicht hinneh-
men
32
. A¨ ußert ein Arbeitnehmer z. B. sein Vorgesetzter habe
nichts anderes zu tun, als „den Leistungsdruck auf die Mitarbei-
ter zu erho¨hen, die Mitarbeiter einzuschu¨chtern, das Abmahn-
wesen aufzubauschen und Perso¨nlichkeitsrechte zu verletzen“, so
ergibt der Zusammenhang dieser A¨ ußerungen, dass hier u¨ber
das Maß einer auch polemischen Kritik hinaus dem Vorgesetz-
ten vorgeworfen wird, die ihm untergebenen Arbeitnehmer in
menschenverachtender Weise zu behandeln
33
.
4. Zustimmung zur A¨ ußerung eines Dritten
Es macht keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer selbst eine
unzula¨ssige A¨ ußerung macht oder (lediglich) seine Zustimmung
zu einer solchen erkla¨rt. Durch die Zustimmung zu einer abwer-
tenden Aussage macht sich der Arbeitnehmer diese selbst zu ei-
gen. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein Arbeitnehmer zu einer be-
leidigenden A¨ ußerung eines anderen Nutzers Zustimmung
durch den sog. „Gefa¨llt-mir-Button“ ausdru¨ckt
34
. Dadurch er-
scheint auf Facebook zu der entsprechenden Mitteilung der
„Gefa¨llt-mir-Daumen“ nebst Name des Mitglieds.
III. Interessenabwa¨gung
Es gibt im deutschen Arbeitsrecht keine absoluten Ku¨ndigungs-
gru¨nde. Daher entscheiden stets die Umsta¨nde des Einzelfalls,
die bei der Interessenabwa¨gung zu beru¨cksichtigen sind, ob eine
unzula¨ssige Unmutsa¨ußerung oder Beleidigung eine Ku¨ndigung
rechtfertigen kann.
Hierzu geho¨ren natu¨rlich die allgemeinen Umsta¨nde wie die
Sozialdaten des Arbeitnehmers, eine vorherige Provokation oder
ein in der maßgeblichen Branche u¨blicher rauer Umgangston
35
.
Vorliegend soll das Augenmerk auf zwei internetspezifische
Umsta¨nde gelegt werden:
1. Soziale Netzwerke als moderne Kommunikationsform
Soziale Netzwerke sind mittlerweile zu einem gesamtgesell-
schaftlichen Pha¨nomen geworden, in denen sich weltweit u¨ber
eine Milliarde Menschen (Facebook alleine hat in Deutschland
28 LAG Du¨sseldorf v. 5. 3. 2007 – 10 Sa 1321/06, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 11.
29 LAG Schleswig-Holstein vom 29. 8. 2006 – 6 Sa 72/06; LAGE § 626 BGB
2002 Nr. 8b; a¨hnlich BAG vom 24. 11. 2005, a.a.O. (Fn. 5); vom 2. 4. 1987 –
2 AZR 418/86, DB 1988 S. 236.
30 ArbG Dessau-Roßlau a.a.O. (Fn. 7) (hier machte der Ehemann den Eintrag.
Dies muss sich die Arbeitnehmerin nicht zurechnen lassen).
31
Wahlers
, jurisPR-ITR 12/2012, Anm. 2.
32 BAG vom 10. 10. 2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003 S. 1797; LAG Hamm vom
10. 10. 2012, a.a.O. (Fn. 12).
33 BAG vom 2. 4. 1987, a.a.O. (Fn. 29).
34 ArbG Dessau-Roßlau, a.a.O. (Fn. 7);
Wahlers
, jurisPR-ITR 12/2012, Anm. 2;
Bauer/Gu¨nther
, NZA 2013 S. 67 (71).
35 Schaub/
Linck
, ArbR-Hdb., 14. Aufl. 2011, § 127 Rdn. 83; HK-ArbR/
Mar-
kowski
, 2. Aufl. 2010, § 1 KSchG Rdn. 330.
936
Arbeitsrecht
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013