u¨ber 25 Millionen aktive Nutzer
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bewegen und sozialada¨quat
kommunizieren, indem sie Eintra¨ge und Mitteilungen fu¨r den
Freundes- und Bekanntenkreis ta¨tigen, chatten oder sich Nach-
richten senden. Die Kommunikation u¨ber soziale Netzwerke ist
damit zu einem erheblichen Teil an die Stelle von Telefonaten,
perso¨nlichen Gespra¨chen und Briefen (selbst an die Stelle von
E-Mails) getreten. Diese Kommunikation ist jedoch immer ver-
schriftlicht. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Telefo-
naten und Gespra¨chen oder sonstigen verbalen Auseinanderset-
zungen. Diese sind nur fu¨r den Moment und nur fu¨r die Anwe-
senden ho¨rbar und ko¨nnen dann von den Anwesenden – sofern
die A¨ ußerung weitergetragen wird – i. d. R.l nicht mehr wo¨rt-
lich, sondern nur noch in zusammengefasster Form wiedergeben
werden (das gesprochene Wort ist flu¨chtig). Hinzu kommt, dass
bei mu¨ndlicher Weitergabe die Verbreitungsmo¨glichkeit und
Schnelligkeit der Weitergabe begrenzt ist. Ganz anders sieht die
Situation im Internet aus. Dort sind Mitteilungen kontinuierlich
bis zur Lo¨schung fu¨r den Adressatenkreis nachlesbar. Daran a¨n-
dert selbst die nachtra¨gliche Lo¨schung eines Eintrags nicht im-
mer etwas („das Netz vergisst nichts“). Wer anderen seine Ein-
tra¨ge zuga¨nglich macht, verliert dadurch die Kontrolle u¨ber den
Inhalt. A¨ ußerungen ko¨nnen ohne großen technischen Aufwand
als „Originalzitat“ an eine große Zahl an Personen weitergeleitet
und fu¨r andere lesbar kommentiert (z. B. durch den „Gefa¨llt-
mir-Button“) werden, wodurch die betroffene Person erneut be-
leidigt wird. A¨ ußerungen u¨ber soziale Netzwerke haben daher
fu¨r den Betroffenen eine besondere Intensita¨t
37
.
2. Vertrauliche Kommunikation im kleinsten Kreis
Eine Ausnahme gilt fu¨r die vertrauliche Kommunikation. Da die
sozialen Netzwerke mittlerweile eine zwar schriftliche, aber eben
sozialada¨quate Kommunikationsform geworden sind, muss auch
hier ein durch das allgemeine Perso¨nlichkeitsrecht vorgegebener,
geschu¨tzter Bereich anerkannt werden, in dem angesichts der be-
kanntenNeigung allerMenschen zu Kritik an ihrenMitmenschen
und an den politischen Geschehnissen ohne Ru¨cksicht auf die In-
teressen des Arbeitgebers oder dieGefahr der strafrechtlichenVer-
folgung wegen Beleidigung (§ 185 StGB) im vertrauten Famili-
en-, Freundes- oder Kollegenkreis auch mal „Dampf“ abgelassen
oder u¨ber diesen oder jenen Kollegen gela¨stert und eine politische
Meinung gea¨ußert werden darf, vielfach auch in einer u¨bertriebe-
nen oder in einer vom geschichtlichen und politischen Irrtum ge-
tragenen, jedenfalls anfechtbaren Art und Weise. Dies gilt aller-
dings nur, und das ist entscheidend, wenn der Mitteilende darauf
vertrauen durfte, dass seine Aussage von den Empfa¨ngern nicht
nach außen getragen und der Betriebsfrieden daher nicht gesto¨rt
bzw. das Vertrauensverha¨ltnis zumArbeitgeber nicht zersto¨rt wer-
den wu¨rde
38
. Dies ist in klassischen Gespra¨chssituationen i. d. R.
nur der Fall, wenn der Kreis der Anwesenden klein ist, d. h. nicht
mehr als fu¨nf bis sechs Personen umfasst, diese zum Erkla¨renden
in einer nahen kollegialen oder perso¨nlichen Beziehung stehen
und der Anlass des Gespra¨chs privater Natur ist, d. h. nicht auf
Weiterverbreitung gerichtet war. Andernfalls fehlt es regelma¨ßig
an einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung. U¨ bertragen auf
die Kommunikation u¨ber soziale Netzwerke ist daher der jeweilige
Kommunikationskanal, u¨ber den die Unmutsa¨ußerung kom-
muniziert wurde, entscheidend, da es nicht nur eine Kommunika-
tionsform u¨ber soziale Netzwerke gibt
39
.
a) Nachricht/Chat
Unter die Vertraulichkeit fa¨llt grundsa¨tzlich die Kommunikation
zwischen zwei Personen, z. B. die U¨ bersendung einer (perso¨nli-
chen) Nachricht, aber auch der klassische Chat, bei dem zwei
Personen zeitlich versetzt – aber einem Telefonat oder schnellen
E-Mail-Austausch nicht una¨hnlich – miteinander kommunizie-
ren
40
.
b) Chronik/Pinnwand
Bei Nachrichten in der Chronik bzw. auf der Pinnwand ist zu
beru¨cksichtigen, dass der Arbeitnehmer einen Kommunikations-
kanal gewa¨hlt hat, der sich im Gegensatz zum Chat oder einer
perso¨nlichen Nachricht an eine (meist gro¨ßere) Personenmehr-
heit wendet. Es handelt sich gewissermaßen um eine „Showbu¨h-
ne“, da man sich vor den anderen Mitgliedern „pra¨sentiert“. Eine
Vertraulichkeit liegt hier meist fern
41
. Gleichwohl kommt es auf
die „Einstellungen“ zur Privatspha¨re bzgl. der Lesbarkeit der
Mitteilung an. Hat der Arbeitnehmer den Eintrag aufgrund sei-
nes Profils nur einem kleinen, handverlesenen Kreis von Per-
sonen, mit denen er (eng) privat befreundet oder familia¨r bzw.
kollegial verbunden ist, zuga¨nglich gemacht, kann ausnahmswei-
se Vertraulichkeit bestehen. Bei einer gro¨ßeren Zahl an „Freun-
den“ handelt es sich dagegen nicht mehr um ein im kleinen ver-
traulichen Kreis gesprochenes Wort
42
. Dies ist z. B. der Fall,
wenn die A¨ ußerung (einer u¨blen Beleidigung des Vorgesetzten)
alle „Freunde“ des Arbeitnehmers sowie deren „Freunde“, ins-
gesamt ca. 70 Personen, einsehen konnten, von denen 36 dieser
Personen Arbeitskollegen des Arbeitnehmers waren. Vergleich-
bar einem Aushang am „Schwarzen Brett“ ist die A¨ ußerung
dann als (betriebs-) o¨ffentlich zu werten
43
. Dabei hatte der Ar-
beitnehmer noch wenige Freunde gemessen am Facebook-
Durchschnitt von mittlerweile 140 Freunden
44
. Du¨rfen auch die
„Freunde von Freunden“ mitlesen, ergibt sich so schnell ein Le-
sekreis von mehreren tausend Personen. Vertrauliche Kommuni-
36
-
len-fakten/ [letzter Abruf: 9. 4. 2012]. Aktive Nutzer sind Facebook-Mitglie-
der, die sich innerhalb der letzten 30 Tage mindestens einmal auf Facebook
eingeloggt haben.
37 ArbG Duisburg vom 26. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 16), NZA-RR 2013 S. 18;
Go¨pfert/
Wilke
, ArbRAktuell 2011, 315865;
Lu¨tzeler/Bissels
, ArbRAktuell 2011,
322670;
Bauer/Gu¨nther
, NZA 2013 S. 67 (71);
Scheid/Klinkhammer
, ArbRAk-
tuell 2013, 341083;
Stoffels
, , a.a.O. (Fn. 11), § 626 BGB Rdn. 106a.6; a¨hn-
lich
Hinrichs/Ho¨rtz
, NJW 2013 S. 648 (651); vgl. auch
Oberwetter
, NJW 2011
S. 417 (419).
38 A¨ hnlich BayVGH vom 29. 2. 2012, a.a.O. (Fn. 23);
Wahlers
, jurisPR-ITR,
8/2012 Anm. 2;
Kort
, NZA 2012 S. 1321 (1323);
Hinrichs/Ho¨rtz
, NJW 2013
S. 648 (652), jew. unter Bezug auf die Rspr. des BAG zum vertraulich ge-
sprochenen Wort. Vgl. dazu BAG vom 10. 10. 2002, a.a.O. (Fn. 32); vom
10. 12. 2009 – 2 AZR 534/08, DB 2010 S. 1128;
Stoffels
, a.a.O. (Fn. 12),
§ 626 BGB Rdn. 106a; HaKo-KSchR/
Fiebig/Zimmermann
, 4. Aufl. 2012, § 1
KSchG Rdn. 422; vgl. auch BAG vom 21. 10. 1965 – 2 AZR 2/65, DB 1966 S.
196; a. A. ArbG Dessau-Roßlau vom 21. 3. 2012, a.a.O. (Fn. 7): Bei A¨ uße-
rung auf Internetplattform scheidet eine vertrauliche Kommunikation aus,
unabha¨ngig davon, ob die A¨ ußerung u¨ber den o¨ffentlichen oder den sog.
privaten Bereich erfolgt; ebenfalls a. A.
Bauer/Gu¨nther
, NZA 2013 S. 67
(68): Privilegierung ist als solche abzulehnen.
39
Wahlers
, jurisPR-ITR 8/2012 Anm. 2;
Pawlak/Smeyers
, o¨AT 2013 S. 26 (28);
Bauer/Gu¨nther
, NZA 2013 S. 67 (68).
40 ArbG Hagen vom 16. 5. 2012, a.a.O. (Fn. 14); ArbG Bochum vom 29. 3. 2012
– 3 Ca 1283/11, ZD 2012 S. 343;
Wahlers
, jurisPR-ITR, 8/2012 Anm. 2;
Bau-
er/Gu¨nther
, NZA 2013 S. 67 (70);
Hinrichs/Ho¨rtz
, NJW 2013 S. 648 (652);
Stoffels
, a.a.O. (Fn. 11), § 626 BGB Rdn. 106a. 5.
41
Stoffels
, a.a.O. (Fn. 11), § 626 BGB Rdn. 106a.3 ff.; weitergehend
Bauer/
Gu¨nther,
NZA 2013 S. 67 (69 f.): generell nicht vertraulich.
42 LAG Hamm vom 10. 10. 2012, a.a.O. (Fn. 12);
Stoffels
, a.a.O. (Fn. 11), § 626
BGB Rdn. 106a;
Wahlers
, jurisPR-ITR 8/2012, Anm. 2;
Bauer/Gu¨nter
, NZA
2013 S. 67 (69);
Hinrichs/Ho¨rtz
, NJW 2013 S. 648 (652), allerdings ohne
konkrete Zahlengrenzen; a. A. wohl
Kort
, NZA 2012 S. 1321 (1324): Kom-
munikation mit „Freunden“ ist (immer) vertraulich.
43 ArbG Hagen vom 16. 5. 2012, a.a.O. (Fn. 14); zustimmend
Bauer/Gu¨nther
,
NZA 2013 S. 67 (69); vgl. auch ArbG Dessau-Roßlau vom 21. 3. 2012, a.a.O.
(Fn. 7): Bei Einsichtmo¨glichkeit durch 155 „Freunde“, darunter auch zahlrei-
che Arbeitnehmer und Kunden des beleidigten Arbeitgebers, ist von einer
o¨ffentlichen A¨ ußerung auszugehen.
44
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len-fakten/ [letzter Abruf: 9. 4. 2013].
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
Arbeitsrecht
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