Vermutung gilt fu¨r die quasi-vertragliche Prospekthaftung und
fu¨r Schadensersatzanspru¨che wegen falscher Prospektangaben
auf deliktischer Grundlage gleichermaßen
7
. Nicht beizutreten
vermag der Senat jedoch der Ansicht des Berufungsgerichts, der
Besta¨tigungsvermerk vom 29. 6. 2004 ko¨nne keine Vertrauens-
grundlage fu¨r die in der zweiten Jahresha¨lfte 2005 getroffenen
Entscheidungen u¨ber den Umtausch der Inhaberschuldver-
schreibungen sein, da sich das Testat lediglich auf das am
31. 12. 2003 abgelaufene Gescha¨ftsjahr bezogen und allenfalls
noch eine Prognose fu¨r das Jahr 2004 zugelassen habe.
Zur Bedeutung des 2004 erteilten Besta¨tigungsvermerks fu¨r
spa¨ter gefasste Erwerbsentscheidungen der Anleger
16
I
aa)
Der Senat hat in seinem Urteil vom 15. 12. 2005 – III
ZR 424/04
8
zwar im Hinblick auf eine etwaige „Aktualisie-
rungspflicht“ ausgefu¨hrt, der Besta¨tigungsvermerk eines Wirt-
schaftspru¨fers sei in seiner Reichweite begrenzt, weil er auf einen
bestimmten Stichtag bezogen sei. Vertrauensbegru¨ndende Aus-
sagen u¨ber die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens
in der Zukunft ko¨nne das Testat des Wirtschaftspru¨fers – fu¨r
den durchschnittlichen Anlageinteressenten erkennbar – nicht
enthalten. Jedoch hat der Senat in dieser Entscheidung auch
hervorgehoben, es lasse sich nicht sagen, dass die in dem Pro-
spekt wiedergegebenen Aussagen des dort beklagten Wirt-
schaftspru¨fungsunternehmens wegen des Bezugs auf einen be-
reits abgelaufenen Stichtag fu¨r die Anleger zum Zeitpunkt des
Erwerbs der Anlage bedeutungslos gewesen seien
9
.
17
I
Hiernach ist in der vorliegenden Fallgestaltung nicht davon
auszugehen, dass der im Jahr 2004 erteilte Besta¨tigungsvermerk
zum Stichtag des Jahresabschlusses fu¨r 2003 keine Bedeutung
mehr fu¨r die 2005 gefassten Erwerbsentschlu¨sse der Kla¨ger ge-
habt haben konnte. Diese sahen sich nicht in ihren Erwartungen
geta¨uscht, wie sich einzelne Faktoren nach dem Stichtag ent-
wickelten und die Wirtschaftslage der WBG L beeinflussten.
Nur insoweit konnte das Testat wegen seiner auf den Pru¨fungs-
zeitraum begrenzten Aussagekraft kein Vertrauen verschaffen.
Vielmehr geht es um – nach dem Vortrag der Kla¨ger fehlerhafte
– Feststellungen der Beklagten zu Tatsachen, die vor dem Pru¨-
fungsstichtag lagen und die Gegenstand der Pru¨fung sowie des
Besta¨tigungsvermerks waren. Die tatsa¨chliche Vermutung, dass
es dem Anleger fu¨r seine Entscheidung auf die Richtigkeit aller
wesentlichen Prospektangaben ankommt, erfasst solche Feststel-
lungen in einem vero¨ffentlichten Wirtschaftspru¨fertestat grund-
sa¨tzlich auch dann, wenn es sich auf einen abgelaufenen Stichtag
bezieht. Ein solcher Besta¨tigungsvermerk begru¨ndet zumindest
das Vertrauen, dass die Anlage in dem besta¨tigten Umfang zu
dem maßgeblichen Zeitpunkt keine Ma¨ngel aufwies, die zur
Verweigerung oder Einschra¨nkung des Testats ha¨tten fu¨hren
mu¨ssen. Auch wenn bis zur Anlageentscheidung mit der zwi-
schenzeitlichen Erstellung eines neuen Testats zu rechnen gewe-
sen sein mag, wirkt dieses Vertrauen insoweit fort, als der Anle-
ger nur mit einer seither eingetretenen Vera¨nderung der Verha¨lt-
nisse rechnen muss, nicht aber damit, dass zu dem fu¨r den im
Prospekt wiedergegebenen Besta¨tigungsvermerk maßgeblichen
Pru¨fungszeitpunkt strukturelle Ma¨ngel der Anlage bestanden,
die sich noch auswirken. Erst wenn, was hier aber nicht der Fall
ist, zwischen dem Pru¨fungsstichtag und dem Anlageentschluss
eine so lange Zeit verstrichen ist, dass mit wesentlichen, auch die
Grundlagen des Unternehmens erfassenden A¨ nderungen der
Verha¨ltnisse gerechnet werden muss, kann die durch Lebens-
erfahrung begru¨ndete Vermutung der Ursa¨chlichkeit des unrich-
tigen Besta¨tigungsvermerks fu¨r die Anlageentscheidung nicht
mehr eingreifen.
Keine Begrenzung der Haftung durch mit Wirkung zum 1. 6.
2012 außer Kraft getretenen § 44 Bo¨rsG und § 13 VerkProspG
18
I
bb)
Aus den aufgrund des Gesetzes zur Novellierung des Finanz-
anlagenvermittler- und Vermo¨gensanlagenrechts vom 6. 12. 2011
10
mit
Wirkung zum 1. 6. 2012 außer Kraft getretenen § 44 Bo¨rsG und § 13
VerkProspG folgt nichts anderes. Zwar begrenzte § 44 Abs. 1 Satz 1
Bo¨rsG, den auch § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG unter Maßgaben in
Bezug nahm, die Haftung der Prospektverantwortlichen auf Erwerbs-
gescha¨fte, die nach Vero¨ffentlichung des Prospekts und innerhalb von
sechs Monaten nach erstmaliger Einfu¨hrung der Wertpapiere abge-
schlossen wurden (s. jetzt § 21 Abs. 1 Satz 1 WpPG und § 21 Abs. 1
Satz 1 VermAnlG). Diese Befristung gilt jedoch jedenfalls fu¨r Scha-
densersatzanspru¨che wegen vorsa¨tzlicher unerlaubter Handlungen
nicht
11
. Diesen Vorschriften, die allein auf eine Ru¨ckabwicklung des Er-
werbsgescha¨fts gerichtet sind
12
, la¨sst sich entgegen der Ansicht des Be-
rufungsgerichts nichts dafu¨r entnehmen, dass der Gesetzgeber – ent-
gegen den tatsa¨chlichen Verha¨ltnissen (s. o. aa)) – generell und damit
auch fu¨r auf Vorsatz beruhende deliktische Schadensersatzanspru¨che
von einem auf kurze Dauer begrenzten Vertrauen in die Richtigkeit von
Emissionsprospekten ausgegangen ist. Dies ergibt sich bereits daraus,
dass nach § 47 Abs. 2 Bo¨rsG (s. jetzt § 21 Abs. 5 Satz 2 VermAnlG
und § 25 Abs. 2 WpPG) „weitergehende“ Anspru¨che, die nach den
Vorschriften des bu¨rgerlichen Rechts aufgrund von Vertra¨gen oder vor-
sa¨tzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden konnten, unbe-
ru¨hrt blieben
13
.
7 Vgl. BGH-Urteil vom 16. 11. 1993 – XI ZR 214/92, DB 1994 S. 1079 = NJW
1994 S. 512 (514).
8 A.a.O. (Fn. 2), Rdn. 26
9 A.a.O. (Fn. 2), Rdn. 22.
10 BGBl. I S. 2481.
11 § 47 Abs. 2 Bo¨rsG; s. jetzt § 21 Abs. 5 Satz 2 VermAnlG und § 25 Abs. 2
WpPG; diese Sichtweise liegt auch dem Urteil des VI. Zivilsenats vom 8. 1.
2013 – VI ZR 386/11, DB 2013 S. 690, zur Vero¨ffentlichung vorgesehen, zu-
grunde.
12 Vgl. dazu BGH-Urteil vom 18. 9. 2012 – XI ZR 344/11, DB 2012 S. 2622 =
WM 2012 S. 2147, Rdn. 1, 18; Regierungsbegru¨ndung des Entwurfs eines Ge-
setzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland, BT-
Drucks. 13/8933 S. 78.
13 Vgl. im U¨ brigen auch Regierungsbegru¨ndung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermo¨gensanlagen-
rechts, BT-Drucks. 17/6051 S. 36.
Frachtrecht
Nachforschungspflichten des Frachtfu¨hrers im
Verlustfall
HGB § 435
Es ist Sache des Frachtfu¨hrers, unmittelbar nach Bekanntwerden
eines Verlustfalls konkrete Nachforschungen anzustellen und
diese zu dokumentieren, um sie in einem nachfolgenden Rechts-
streit belegen zu ko¨nnen. Substanziierter Vortrag zu den durch-
gefu¨hrten Recherchen ist vor allem deshalb von besonderer Be-
deutung, weil allein zeitnahe Nachfragen sowohl bei den eigenen
Mitarbeitern als auch je nach den Umsta¨nden des Einzelfalls bei
anderen Empfa¨ngern von Sendungen die realistische Mo¨glich-
keit bieten, ein außer Kontrolle geratenes Paket doch noch auf-
zufinden.
BGH-Urteil vom 19. 7. 2012 – I ZR 104/11
u
DB0572861
Redaktioneller Hinweis:
Der Volltext ist abrufbar unter DB0572849.
DER BETRIEB | Nr. 17 | 26. 4. 2013
Wirtschaftsrecht
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