DER BETRIEB 23 - page 22

IV. Bestimmung des praktischen Anwendungskreises
von RIS/FBS fu¨r Accounting-Tools
Der Gesetzestext des § 319a HGB und auch die internationalen
Regelungen enthalten zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe,
die durch eine Auslegung zu konkretisieren sind
36
. Die Rspr. be-
kam bisher noch keine Mo¨glichkeit, das „gefa¨hrliche [. . .] Aus-
legungspotential“
37
durch entsprechende Urteile einzugrenzen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, im Folgenden
detaillierter zu analysieren, was i. S. des Gesetzgebers und der
internationalen Regulierer unter einer „Entwicklung, Einrich-
tung und Einfu¨hrung von Rechnungslegungsinformationssyste-
men“, einer „untergeordneten Bedeutung“, der „Entwicklung
und Design von Finanzinformationssystemen“ sowie der „we-
sentlichen Bedeutung fu¨r den Jahresabschluss“ zu verstehen ist.
Der deutsche Gesetzgeber hat an keiner Stelle pra¨zisiert, was un-
ter einem RIS i. S. des Gesetzeswortlauts zu verstehen ist
38
. Das
HGB-Kommentarschrifttum, soweit es sich u¨berhaupt mit die-
ser Frage befasst, legt nahe, dass der Begriff des Rechnungs-
legungsinformationssystems „weit zu verstehen“ ist und darunter
auch kleinere Teilsysteme verstanden werden
39
: „Unter einem
Rechnungslegungsinformationssystem sind alle manuellen und
automatisierten Verfahren zu verstehen, mit denen die Ge-
scha¨ftsvorfa¨lle und sonstige buchfu¨hrungs- und berichtspflichti-
gen Sachverhalte des Unternehmens erfasst, verarbeitet und so-
wohl fu¨r unternehmensinterne, als auch fu¨r Zwecke der externen
Rechnungslegung aufbereitet werden. Dies umfasst Buchfu¨h-
rungssysteme einschließlich Nebenbu¨chern (z. B. Lohnbuchhal-
tung, Anlagebuchhaltung usw
40
.) und das interne Rechnungs-
wesen (Kostenrechnung, Unternehmensplanung, Budgetierung,
Cash Management, Lager- und Produktionssteuerung, Manage-
ment-Informationssystem usw.)“
41
. Ob es fu¨r das Vorliegen eines
Rechnungslegungsinformationssystems nach dieser Interpretati-
on ausreichend ist, dass mit dem (Teil-)System eine Information
generiert wird, die als Ziffer oder Text Eingang in den Jahres-
abschluss findet, ist eher fraglich.
Accounting-Tools sind „elektronische Hilfsprogramme“, die
den Unternehmen insbesondere dabei helfen, besondere fachli-
che Anforderungen der nationalen und internationalen Accoun-
ting-Standards zu erfu¨llen. Legt man die obige Definition der
RIS zugrunde, schaffen Accounting-Tools ha¨ufig eine Vorberei-
tung, die Ergebnisse werden von (unzweifelhaften) RIS im Re-
gelfall noch einmal aufgenommen (teilweise detailliert, teilweise
in aggregierter Form), verarbeitet und dann aufbereitet. Accoun-
ting-Tools sind damit ha¨ufig Subsysteme zu den RIS. Ob Ac-
counting-Tools damit gleichzeitig Bestandteil des RIS oder
selbst RIS sind, wa¨re noch zu kla¨ren. Oben wurde bereits die
Einbeziehung von Nebenbuchhaltungen, z. B. Anlagenbuchhal-
tung erwa¨hnt. Behandelt man die Abbildung von speziellen Ac-
counting-Themen analog zu den Nebenbu¨chern, mu¨ssten Ac-
counting-Tools selbst auch RIS sein. Fu¨r eine weitere Auslegung
von RIS spricht, dass Tools immer u¨bergangsfreier in ERP-Sys-
teme integriert werden. Dies spra¨che fu¨r die grundsa¨tzliche Ein-
beziehung von Accounting-Tools in die Definition von RIS.
Allerdings ist bei der Beurteilung, ob es sich bei einem Ac-
counting-Tool um ein RIS handelt, zumindest nach deutschem
Recht nicht allein darauf abzustellen, ob das Tool in der Lage ist,
eine Zahl zu generieren, die Eingang in den Jahresabschluss fin-
det. Es ist nicht isoliert auf das Ergebnis der Berechnung abzu-
stellen, sondern maßgeblich darauf, in welcher Art und Weise
dieser Wert ermittelt wird. Als unscha¨dlich wurde es bereits bis-
her angesehen, wenn der Abschlusspru¨fer sog. methodische
Hinweise dazu gibt, wie ganz bestimmte, in den Jahresabschluss
einfließende Daten zutreffend und ordnungsgema¨ß ermittelt
werden ko¨nnen (z. B. unter Anwendung der handelsrechtlichen
Vorschriften des HGB und auch der Anwendung von IFRS),
wenn und soweit sich der Abschlusspru¨fer auf die methodischen
Anleitungen beschra¨nkt.
Deutlich wird dies an dem Beispiel, wenn eine neugegru¨ndete
Gesellschaft den Abschlusspru¨fer bittet, eine fu¨r den Unterneh-
mensgegenstand zugeschnittene Gliederung von Jahresabschluss
und GuV vorzuschlagen oder, wenn sie um Ausku¨nfte bittet,
wie ein Anlagenspiegel gefertigt werden ko¨nnte, und wie dies
mittels einer Excel-Tabelle aussehen ko¨nnte, damit den gesetzli-
chen Anforderungen bzw. Rechnungslegungsstandards entspro-
chen wird.
Weiter kommt es darauf an, wie sehr ein bestimmter Bereich,
der Eingang in den Jahresabschluss findet, durch objektive Kri-
terien vorgegeben ist. So gibt z. B. ein Leasingstandard vor, in
welcher Weise Leasingvertra¨ge in Jahresabschlu¨ssen abzubilden
und die entsprechenden Posten zu berechnen sind. Wenn daher
der Abschlusspru¨fer diese gesetzlichen Kriterien in eine Check-
liste u¨berfu¨hrt, anhand derer der Anwender eigensta¨ndig eine
Umsetzung der Vorgaben vornimmt, lo¨st dies keine Gefa¨hrdung
der Unabha¨ngigkeit des Abschlusspru¨fers aus.
Anders ist die Definition von FBS international einzuscha¨t-
zen. Unter den obigen Erla¨uterungen des IESBA Code of Et-
hics handelt es sich grds. um FBS, sobald eine Information ge-
neriert wird, die der Abschlusspru¨fung unterliegt
42
. Damit wer-
den grundsa¨tzlich alle Tools, die in den genannten speziellen
Gebieten der Rechnungslegung eine Gesellschaft unterstu¨tzen
in den Anwendungsbereich der Finanzberichterstattungssysteme
einbezogen. Hierdurch wird deutlich, dass nicht nur Konsolidie-
rungs- oder ERP-Systeme als FBS zu bezeichnen sind, sondern
eben auch alle Spezialwerkzeuge, die einzelne oder mehrere
Teile des Abschlusses mit Leben fu¨llen, und zwar unabha¨ngig,
ob sie auf der technischen Plattform von Excel oder im Web
basieren.
Zusammenfassend liegt der Unterschied von nationalen und
internationalen Unabha¨ngigkeitsregelungen bei der Definition
von den einzubeziehenden Systemen (RIS oder FBS) darin, dass
national bei der Definition von RIS auch die Komplexita¨t der
Verarbeitung einzubeziehen ist.
V. Mo¨glichkeiten und Grenzen fu¨r die Ta¨tigkeit des
Abschlusspru¨fers bei einer Einfu¨hrung von Accounting-
Tools
Projektbegleitende Pru¨fungen sind, soweit die nachfolgenden
Hinweise beachtet werden, im Rahmen der Einfu¨hrung von neu-
36 Vgl.
Gelhausen/Heinz
, WPg 2005 S. 697; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hoch-
schullehrer Rechtswissenschaft, BB 2004 S. 548.
37 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2004
S. 548.
38 Ebenso
Petersen/Zwirner
, WPg 2009 S. 773.
39
Ebke
, a.a.O. (Fn. 6), § 319a Rdn. 22.
40 Vgl.
Petersen/Zwirner/Boecker
, in: Ku¨ting/Weber, Handbuch der Rechnungs-
legung – Einzelabschluss, 5. Aufl., § 319a Tz. 28.
41
Fo¨rschle/Schmidt
, a.a.O. (Fn. 4), § 319a Rdn. 21; a¨hnlich
Ebke
, a.a.O.
(Fn. 6), § 319a Rdn. 22.
42 Im Einklang damit scheint auch in ISA 315 (z. B. ISA 315.18) ein weit gefass-
ter Begriff des rechnungslegungsbezogenen Informationssystems zugrunde
gelegt zu werden, da dies alle Arten von Gescha¨ftsvorfa¨llen und Gescha¨fts-
prozessen erfasst, die fu¨r den Abschluss bedeutsam sind, also Verfahren, in
Form manueller und IT-gestu¨tzter Systeme, durch die Gescha¨ftsvorfa¨lle aus-
gelo¨st, aufgezeichnet, verarbeitet, erforderlichenfalls korrigiert, in das
Hauptbuch u¨bertragen und im Abschluss abgebildet werden.
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Betriebswirtschaft
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