DER BETRIEB 23 - page 19

Rspr. war
7
, schaffte das „Allweiler“-Urteil des BGH aus dem
Jahre 1997 einen wichtigen Meilenstein in diesem Themenfeld
8
.
Der BGH stellte hierin – wie bereits die beiden Vorinstanzen
9
klar, dass Beratung und Abschlusspru¨fung grds. als vereinbar an-
zusehen sind. In Erga¨nzung dazu stellt der BGH Kriterien auf,
nach denen die Trennlinie zwischen „nicht zula¨ssiger Mitwir-
kung bei der Erstellung der zu pru¨fenden Unterlagen“
10
und (zu-
la¨ssiger) pru¨fungsbegleitender Beratung i. S. der (damaligen)
Gesetzesnormen
11
zu ziehen ist. Der BGH formuliert, dass ein
Einfließen von Ergebnissen einer „Beratungsta¨tigkeit“ in den im
Anschluss zu pru¨fenden Jahresabschluss per se noch keinen Aus-
schlussgrund repra¨sentiere
12
. Als entscheidend fu¨r die Unabha¨n-
gigkeit des beratenden Abschlusspru¨fers kann auf Basis des „All-
weiler“-Urteils herausgestellt werden, dass es vor allem auf das
„Verbleiben der
Entscheidungsfreiheit
u¨ber den einschla¨gigen
Rechnungslegungssachverhalt beim
Mandanten
“ ankommt
13
.
„Zu einer unzula¨ssigen Mitwirkung des Beraters kommt es im
Regelfall erst dann, wenn seine Beratung u¨ber die Darstellung
von Alternativen i. S. der Entscheidungshilfe hinausgeht, insbe-
sondere er selbst anstelle des Mandanten – ganz oder teilweise –
eine unternehmerische Entscheidung trifft“
14
. In einem weiteren
Fall „HypoVereinsbank“
15
wurde besta¨tigt, dass es fu¨r eine Pru¨-
ferunabha¨ngigkeit entscheidend auf das Verbleiben von Ent-
scheidungskompetenz beim gepru¨ften Unternehmen ankommt.
Somit verbietet das Gesetz nicht die pru¨fungsbegleitende Bera-
tung im Zusammenhang mit der Einfu¨hrung von Accounting-
Tools, soweit jegliche unternehmerische Entscheidung u¨ber die
Implementierung und die Logiken bei den Unternehmen ver-
bleibt.
3. Unternehmen im o¨ffentlichen Interesse nach dem HGB
Im Zuge des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG) wurde durch
den Gesetzgeber speziell fu¨r Abschlusspru¨fungen von kapital-
marktorientierten Unternehmen i. S. des § 319a HGB neben
den geltenden Regelungen ein Selbstpru¨fungsverbot erlassen
und damit „ein neuer Grundgedanke in die Unabha¨ngigkeits-
regelungen eingefu¨hrt“
16
. Die unwiderlegbare Befangenheits-
vermutung durch den Gesetzgeber im Fall einer nicht unbe-
deutenden Mitwirkung an der Entwicklung, Einrichtung und
Einfu¨hrung von Rechnungslegungsinformationssystemen ist
eine Auspra¨gung des beschriebenen generellen Selbstpru¨fungs-
verbots
17
.
In diesen besonderen Fa¨llen der Unternehmen o¨ffentlichen
Interesses ist ein Abschlusspru¨fer
„u¨ber die in § 319 Abs. 2 und 3 genannten Gru¨nde hinaus auch
dann von der Abschlusspru¨fung eines Unternehmens ausgeschlossen,
wenn er [. . .] u¨ber die Pru¨fungsta¨tigkeit hinaus in dem zu pru¨fenden
Gescha¨ftsjahr an der Entwicklung, Einrichtung und Einfu¨hrung von
Rechnungslegungsinformationssystemen mitgewirkt hat, sofern die-
se Ta¨tigkeit nicht von untergeordneter Bedeutung ist“
18
.
Soweit ein System wesentliche Informationen liefert, die in
den Jahresabschluss eingehen, kann derjenige, der das System im
Wesentlichen entwickelt, eingerichtet oder eingefu¨hrt hat, wohl
nicht unbefangenen pru¨fen
19
. Ob ein Accounting-Tool wesentli-
che Informationen fu¨r einen Abschluss liefert, muss individuell
analysiert werden. Deckt aber ein Accounting-Tool ein komple-
xes Themengebiet ab, wie z. B. Tax Accounting, Pensions, Busi-
ness Combinations, Impairments, Leasing, Financial Instru-
ments, Cashflow-Rechnungen oder Anhangsangaben ist davon
auszugehen, dass wesentliche Informationen aus dem Tool fu¨r
den Abschluss geliefert werden.
4. Sarbanes-Oxley Act und Finanzberichterstattungs-
systeme
Infolge des Enron-Zusammenbruchs wurde der Sarbanes Oxley
Act (SOA) am 30. 7. 2002 herausgegeben
20
. Auf Basis des SOA
vero¨ffentlichte die US-amerikanische Bo¨rsenaufsichtsbeho¨rde
SEC am 22. 1. 2003 eine Verordnung („Final Rule“) zur Unab-
ha¨ngigkeit des Abschlusspru¨fers. Exemplarisch nennt die SEC
darin neben anderen mit der Abschlusspru¨fung unvereinbaren
Ta¨tigkeiten die „Financial information systems design and im-
plementation“. Ob der Begriff der „Financial information sys-
tems“ identisch zu den RIS zu verstehen ist, wird in den wei-
teren Abschnitten noch analysiert.
In Anbetracht des umfangreichen Spektrums unerlaubter Ta¨-
tigkeiten des SOA wird nach Auffassung von Vertretern des
Schrifttums „eine Beratung neben der externen Pru¨fung nahezu
unmo¨glich“
21
. Zugleich werden die Inhalte des SOA teilweise
als deckungsgleich im Vergleich zu den deutschen Regelungen
beschrieben
22
.
5. IESBA Code of Ethics und Finanzberichterstattungs-
systeme
Der IESBA Code of Ethics repra¨sentiert auf einem gewissen
Abstraktionsniveau international geltende Anforderungen an die
Unabha¨ngigkeit des Abschlusspru¨fers. Die oben dargestellten
nationalen Regeln zur Unabha¨ngigkeit werden hierdurch nicht
abgelo¨st. Vielmehr sind die IESBA-Regeln als generelle Vor-
gaben anzusehen, wie vor allem international ta¨tige WPGs bei
der Betreuung von global ta¨tigen Mandaten mo¨glichst einheitli-
che Unabha¨ngigkeitsstandards innerhalb ihres Netzwerks ge-
wa¨hrleisten. Das heißt, dass bei der Pru¨fung der Unabha¨ngig-
keitsregeln im Hinblick auf den einzelnen Auftrag auch das
7 Vgl. BayObLG, Beschluss vom 17. 9. 1987 – BReg. 3 Z 76/87, DB 1987
S. 2400.
8 Vgl. BGH-Urteil vom 21. 4. 1997 – II ZR 317/95, BGHZ 135 S. 244 f. = DB
1997 S. 1394 sowie hierzu
Ro¨hricht
, WPg 1998 S. 153 ff.;
Lo¨cke
, GmbHR
1997 S. 1052;
Schmidtmeier
, DB 1998 S. 1625-1630;
Hommelhoff
, ZGR 1997
S. 551;
Do¨rner
, FS Stehle, 1997, S. 81;
Ebke
, WPK-Mitt. 1998 S. 76;
Heni
, DStR
1997 S. 1210;
Lanfermann
, FS Sieben, 1998, S. 425;
Neumann
, ZIP 1998
S. 1338;
Thiele
, DB 1997 S. 1396.
9 Vgl. LG Konstanz, Urteil vom 13. 1. 1995 – 1 HO 87/93, WPK-Mitt. 1995
S. 102; OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. 11. 1995 – 9 U 24/95, DB 1995
S. 2514. Zum Urteil des OLG Karlsruhe vgl.
Moxter
, BB 1996 S. 683 f.;
Schul-
ze-Osterloh
, EWiR 1996 S. 129 f.
10 BGH vom 21. 4. 1997, a.a.O. (Fn. 8).
11 Die Fragestellung erwuchs aus dem (damaligen) § 319 Abs. 2 Nr. 5 HGB.
12 § 319 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 HGB.
13 Vgl. BGH-Urteil vom 25. 11. 2002 – II ZR 49/01, DB 2003 S. 383 (385),
Fn. 10, unter Verweis auf BGH vom 21. 4. 1997, a.a.O. (Fn. 8); ferner: BGH-
Urteil vom 30. 4. 1992 – III ZR 151/91, BGHZ 118 S. 142 = DB 1992 S. 1466.
14 BGH vom 21. 4. 1997, a.a.O. (Fn. 8).
15 Vgl. BGH-Urteil vom 25. 11. 2002 – II ZR 49/01 (HypoVereinsbank), DB 2003
S. 383 ff. sowie dazu
Ebke
, FS Ro¨hricht, 2005, S. 835 ff.;
Ebke
, FS Immenga,
2004, S. 521;
Habersack
, NZG 2003 S. 659;
Gelhausen/Kuss
, NZG 2003
S. 424-427;
Hellberg
, GmbHR 2003 S. 408;
Kiethe
, NZG 2003 S. 937;
Lanfer-
mann/Lanfermann
, DStR 2003 S. 905;
Lutter
, JZ 2003 S. 563;
Marx
, DB 2003
S. 431-436;
Mu¨ller
, WPg 2003 S. 741;
Schu¨ppen
, WPg 2003 S. 750; zum Sach-
verhalt vgl.
Hoffmann
, DB 2000 S. 485.
16 Begru¨ndung zum BilReG-RegE, BT-Drucks. 15/3419 S. 40. Vgl. zu § 319a
HGB ju¨ngst auch
Petersen/Zwirner
, WPg 2009 S. 769-779.
17 Vgl.
Habersack/Schu¨rnbrand
, in: Staub, HGB-Großkommentar, 5. Aufl.,
§ 319a Tz. 19; Vgl. Begru¨ndung zum BilReG-RegE, Teil B zu § 319a Abs. 1
HGB-E, BT-Drucks. 15/3419 S. 41;
Herkendell
, Regulierung der Abschlusspru¨-
fung, 2007, S. 191;
Peemo¨ller/Oehler
, BB 2004 S. 544.
18 § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB.
19 Vgl.
Habersack/Schu¨rnbrand
, a.a.O. (Fn. 17), § 319a Tz. 19.
20 Vgl. dazu unter vielen:
Lenz
, BB 2002 S. 2270 ff.;
Lanfermann/Maul
, DB
2002 S. 1725 ff.;
Schwarz/Holland
, ZIP 2002 S. 1661 ff.;
Ferlings/Lanfer-
mann
, DB 2002 S. 2117 ff.;
Lanfermann/Maul
, DB 2003 S. 349 (354 f.).
21
Von der Crone/Roth
, AJP 2003 S. 138.
22 So bei
Herkendell
, a.a.O. (Fn. 17), S. 191.
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013
Betriebswirtschaft
1251
1...,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 20,21,22,23,24,25,26,27,28,29,...96
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