DER BETRIEB 23 - page 21

Hiernach ko¨nnen einzelne Kriterien eine Hilfestellung bei
der individuellen Beurteilung bieten. Ein Kriterium bei der Be-
urteilung, ob es sich um eine Ta¨tigkeit von nicht untergeord-
neter Bedeutung handelt, wa¨re, in welchem Umfang Ermessens-
und Beurteilungsspielra¨ume durch den Wirtschaftspru¨fer ge-
schlossen werden. Werden etwa Ermessens- und Beurteilungs-
spielra¨ume durch das von der WPG eingefu¨hrte Accounting-
Tool vorgegeben, kann ohnehin eine untergeordnete Bedeutung
nicht gegeben sein. Insbesondere wird durch solche Vorgaben
die Entscheidungskompetenz des aufstellungspflichtigen Ge-
scha¨ftsfu¨hrungsorgans unzula¨ssig eingegrenzt.
Demgegenu¨ber wa¨re es zweifelsfrei unscha¨dlich, wenn der
Abschlusspru¨fer einem Mandanten eine strukturierte Ein-
gabehilfe erarbeitet, deren inhaltliches Befu¨llen und Berech-
nungslogik in der Verantwortung des Gescha¨ftsfu¨hrungsorgans
liegt und wenn sa¨mtliche Felder, die eine Wertung voraussetzen,
offen sind, d. h. durch die Wertentscheidung des Gescha¨fts-
fu¨hrungsorgans zu befu¨llen sind. Allerdings du¨rften auch keine
Logiken beru¨cksichtigt sein. Von einer untergeordneten Bedeu-
tung wa¨re grds. auch auszugehen, wenn aufgrund der geringen
Komplexita¨t eines Systems u¨berhaupt kein Risiko dafu¨r besteht,
dass Daten in fehlerhafter Weise verarbeitet werden
24
. Schließ-
lich besteht in diesem Fall keine Gefahr, „dass der Abschluss-
pru¨fer das Informationssystem nicht pru¨ft, da er kein Interesse
daran haben kann, Schwa¨chen bei einem von ihm selbst einge-
fu¨hrten System festzustellen“
25
. Untergeordnet du¨rfte die Ta¨tig-
keit im Hinblick auf die zu pru¨fende Rechnungslegung dann
sein, wenn der System-Output fu¨r den Jahresabschluss und da-
mit die Abschlusspru¨fung nicht wesentlich ist. Dies bildet die
Bru¨cke zu den internationalen Vorgaben, in denen auf diese
Wesentlichkeit abgestellt wird
26
. Auf die Wesentlichkeit der be-
einflussten Posten in einen Abschluss abzustellen, ist ungleich
schwerer. Insbesondere kann der Einfluss zwischen den Jahren
variieren. In einem Jahr ist z. B. das Leasingvermo¨gen sehr hoch,
im Folgenden Jahr fa¨llt es aus gescha¨ftspolitischen Gru¨nden ge-
ringer aus. Die Unabha¨ngigkeitsregelungen ko¨nnen sich daher
nicht an dem Betrag in einem Jahr orientieren. Infolge dessen
sollte auf eine Risikobetrachtung abgestellt werden. Bestimmte
Abschlussposten unterliegen bei der Abschlusserstellung immer
einer besonderen Aufmerksamkeit. Wenn Accounting-Tools
diese Posten generieren, wa¨re der Output wesentlich. Sichtlich
ist die Wesentlichkeitshu¨rde im Bereich der Accounting-Tools
eine sehr leicht zu u¨bertretende Grenze. Insofern sollte im Zwei-
fel angenommen werden, dass es sich um eine Accounting-Tool
handelt.
7. Verbot der gewerblichen Ta¨tigkeit fu¨r Leistungen im
Zusammenhang mit Accounting-Tools
Gem. § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO du¨rfen Wirtschaftspru¨fer keine
gewerbliche Ta¨tigkeit ausu¨ben. Beim Verkauf und der Wartung
von Software handelt es sich um eine gewerbliche Ta¨tigkeit. Die
Dienstleistungen zur Einfu¨hrung einer Software sind hingegen
keine gewerblichen Ta¨tigkeiten.
Einer WPG ist es in engen Grenzen erlaubt, gewerbliche Ta¨-
tigkeiten von untergeordneter Bedeutung anzubieten und es du¨r-
fen Seminarveranstaltungen durchgefu¨hrt werden, soweit ein
„gewisser Umfang“ nicht u¨berschritten wird
27
. Dass die Durch-
fu¨hrung von Seminarveranstaltungen mit dem Verkauf von Soft-
ware gleichzusetzen ist, ist eher zweifelhaft. Durch den Verkauf
von Software und der Wartung ist bereits eine „Nachhaltigkeit“
gegeben. Daher fallen die Vergabe von Lizenzen und die War-
tung von Software in das o. g. Verbot.
Auch Auftragsgestaltungen, in denen eine Software im Zu-
sammenhang mit einem Dienstleistungsvertrag oder als Prototyp
mit einem Fertigstellungsgrad von z. B. 95% und einer Adjustie-
rung des Mandanten von 5% angeboten und letztlich auch ver-
gu¨tet wird, ist sachlich nicht anders zu beurteilen, als unter den
bisherigen Analysen. Gerade im Bereich der Unabha¨ngigkeit ist
i. d. R. nicht auf eine besondere vertragliche Gestaltung abzu-
stellen, sondern darauf, was sachlich erreicht wird. Sollte die ver-
tragliche Regelung schlussendlich auf die U¨ berlassung eines RIS
hinauslaufen, die eine WPG abgibt (auch kostenfrei), sind alle
genannten Aspekte zu beru¨cksichtigen.
8. Konsequenzen aus der Nichtbeachtung
Liegt ein Befangenheitsgrund des § 319a Abs. 1 HGB vor, ist
unwiderlegbar zu vermuten, dass der betreffende Abschluss-
pru¨fer die Abschlusspru¨fung nicht durchfu¨hren darf; von wei-
teren Untersuchungen oder Wu¨rdigungen des Einzelfalls kann
abgesehen werden
28
. Ferner sind Schutzmaßnahmen, wie sie
z. B. die Empfehlungen der EU-Kommission zur Unabha¨ngig-
keit der Abschlusspru¨fer enthalten, unbeachtlich
29
. Bei der Ana-
lyse einer mo¨glicherweise vorliegenden Befangenheit kommt es
nicht darauf an, inwiefern „tatsa¨chlich Befangenheit vorliegt oder
sich der Pru¨fer selbst fu¨r befangen ha¨lt, sondern, ob aus Sicht
eines vernu¨nftigen und versta¨ndigen Dritten objektive Tatbe-
sta¨nde vorliegen, welche die Besorgnis der Befangenheit begru¨n-
den“
30
.
Stellt sich im Nachhinein heraus, dass ein Abschlusspru¨fer an
der Entwicklung, Einrichtung und Einfu¨hrung eines RIS mit-
gewirkt hat, ist er bereits bei der Bestellung von der Abschluss-
pru¨fung ausgeschlossen. Nach § 318 Abs. 3 HGB ist durch die
gesetzlichen Vertreter, den Aufsichtsrat oder die Gesellschafter
31
ein Ersetzungsantrag zu stellen. Hierdurch wird sichergestellt,
dass zeitnah eine Neubestellung eines anderen Abschlusspru¨fers
erfolgt
32
. Das Ersetzungsverfahren gilt auch fu¨r Fa¨lle einer nach-
tra¨glichen Befangenheit
33
. Die Mo¨glichkeit eines Ersetzungs-
antrags endet mit der Erteilung des Besta¨tigungsvermerks. Das
Pru¨fungsergebnis wird in diesem Fall – trotz der bekanntgewor-
denen Befangenheit – bestandskra¨ftig; ein anderer Pru¨fer wa¨re
im Fall einer erforderlichen Nachtragspru¨fung zu bestellen
34
.
Der Jahresabschluss ist gem. § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG bei einem
Verstoß des Abschlusspru¨fers gegen die Unabha¨ngigkeitsvor-
schriften des § 319a HGB (ebenso wie gegen die Vorschriften
des § 319 HGB) nicht nichtig: „Risiken aus dem Bereich des
Abschlusspru¨fers sollen nicht auf die Spha¨re der Gesellschaft
durchschlagen“
35
. Praktisch bedeutsam ist diese Vorschrift vor-
wiegend in jenen (seltenen) Fa¨llen, in denen die Befangenheit
den beteiligten Parteien erst im Anschluss an die Durchfu¨hrung
des Pru¨fungsauftrags bekannt wird.
24 Vgl.
Fo¨rschle/Schmidt
, a.a.O. (Fn. 4), § 319a Rdn. 26.
25
Fo¨rschle/Schmidt
, a.a.O. (Fn. 4), § 319a Rdn. 26.
26 Vgl.
Fo¨rschle/Schmidt
, a.a.O. (Fn. 4), § 319a Rdn. 26.
27 Vgl.
Naumann
, in: IDW, WP Handbuch 2006, 13. Aufl. 2006, Band I, A,
Tz. 50.
28 Vgl.
Gelhausen/Heinz
, WPg 2005 S. 697.
29 Vgl.
Gelhausen/Heinz
, WPg 2005 S. 697.
30
Fo¨rschle/Schmidt
, a.a.O. (Fn. 4), Vor §§ 319, 319a Rdn. 4. Auch in der Regie-
rungsbegru¨ndung wird in diesem Zusammenhang wie zuvor in der BGH-
Rechtsprechung auf den Maßstab eines vernu¨nftigen und versta¨ndigen Drit-
ten abgestellt. Vgl. Begru¨ndung zum BilReG-RegE, BT-Drucks. 15/3419
S. 38.
31 Bei AG und KGaA ist ein Quorum von mindestens 5% zu erreichen.
32 Vgl.
Gelhausen/Heinz
, WPg 2005 S. 697.
33 Vgl.
Gelhausen/Heinz
, WPg 2005 S. 702.
34 Vgl.
Gelhausen/Heinz
, WPg 2005 S. 697.
35 Vgl.
Gelhausen/Heinz
, WPg 2005 S. 695.
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013
Betriebswirtschaft
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