WP/StB/CPA Dr. Ru¨diger Loitz, Du¨sseldorf
Das Unabha¨ngigkeitserfordernis bei der Entwick-
lung, Einrichtung und Einfu¨hrung von Rech-
nungslegungsinformations- und Finanzbericht-
erstattungssystemen
u
DB0585694
I. Einleitung
Mit der Verpflichtung zur Bilanzierung nach IFRS ab 2005
1
,
dem sta¨ndigen Wandel der IFRS und der Umsetzung des
BilMoG
2
hat die Rechnungslegung der Unternehmen einen er-
heblichen Komplexita¨tsgrad erreicht. Bereits bei der Umstellung
auf IFRS sorgten die Unternehmen in umfassenden Projekten
dafu¨r, ihre Rechnungswesensysteme auf die daraus resultierenden
Anforderungen einzustellen. Einzelplatzsysteme und Konsoli-
dierungssysteme wurden neu verknu¨pft, Kontenrahmen erwei-
tert, lokale Kontenrahmen zunehmend standardisiert, „Ledger“
fu¨r die unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards (lokal,
IFRS, US-GAAP, Steuern) mit der Zielsetzung eingefu¨hrt,
mo¨glichst automatisiert von der Erfassung der Daten (der Buch-
haltung) bis zur Erstellung eines Multi-GAAP-Abschlusses zu
kommen.
In den Prozessabla¨ufen entstanden aufgrund der fachlichen
Anforderungen der Rechnungslegungsstandards ha¨ufig Lu¨cken.
Die meisten Standardsysteme sind bis heute nicht in der Lage,
die Komplexita¨t vieler Besonderheiten von Accounting Stan-
dards (z. B. Leasing, latente Steuern, Pensionen) und Steuerge-
setzen (z. B. die E-Bilanz) aufzufangen.
Die Unternehmen realisieren IT-Anwendungen, sog.
„Accounting Tools“, neben ihren Buchhaltungssystemen, die
eine Erleichterung und eine Automatisierung der Rechenopera-
tionen und Datensammlungen gewa¨hrleisten. Ha¨ufig ko¨nnen
die Unternehmen nur mit diesen elektronischen Unterstu¨tzun-
gen dem Druck nach zeitnahen Informationen bei der Abschluss-
erstellung standhalten. Sie stellen eines der Instrumente dar, die
einen „Fast Close“ gewa¨hrleisten ko¨nnen.
Die Einordnung von Leistungen des Abschlusspru¨fers im
Hinblick auf Accounting Tools wird vor dem Hintergrund vor-
zunehmen sein, dass sowohl Gesetzgeber als auch Standardsetter
die Anforderungen an Anwender nationaler und internationaler
Rechnungslegungsstandards sta¨ndig erho¨hen. Der Einsatz von
„Accounting Tools“ zur Erga¨nzung bestehender Standard-ERP-
(Enterprise Ressource Planning) und Konsolidierungssysteme
wird zunehmend unverzichtbar. Die Wirtschaftspru¨fungsgesell-
schaften (im Folgenden kurz: „WPG“) eignen sich idealerweise
zur Generierung derartiger Systeme
3
. Sie ko¨nnen das spezielle
Accounting-Know-How vorhalten und dies gleichzeitig mit
einer IT- und Prozesskomponente ausstatten. Die „Ideallo¨sung“
dieses Themas wird allerdings konterkariert durch die bestehen-
den Unabha¨ngigkeitsregelungen der Abschlusspru¨fer, die es
nicht einfach zulassen, dass die WPGs Dienstleistungen in die-
sem Bereich erbringen. Die nachfolgende Analyse soll das The-
ma systematisieren, Problemstellungen aufzeigen, Lo¨sungsansa¨t-
ze bieten und damit ein wenig mehr Sonnenlicht in „das Dunk-
le“ der „Accounting Tools“ bringen.
II. Leistungsumfang von WPGs bei der Einfu¨hrung von
Accounting Tools
Auch wenn einzelne Wirtschaftspru¨fer und kleine bis mittlere
WPGs in Einzelfa¨llen mit ihren Leistungen Mandanten bei der
Entwicklung von elektronischen Hilfen, die einen Beitrag zur
Vorbereitung des Jahresabschlusses leisten, unterstu¨tzen, sind es
vor allem die großen WPGs, die in diesem Bereich systematisch
und dauerhaft ta¨tig sind.
Das Leistungsspektrum umfasst dabei drei wesentliche Be-
standteile:
a) U¨ bergabe einer Software (unabha¨ngig von der Technologie:
von Excel bis zu komplexen Systemen),
b) Dienstleistungen, um die Software in der Umgebung des
Mandanten zu implementieren (von technischen Leistungen
wie z. B. die Einrichtung von Schnittstellen bis zu Schulun-
gen, Projektmanagement),
c) Wartung der Software (in unterschiedlichsten Formen, wie
z. B. von dem regelma¨ßigen Update von Excel-Dateien bis
zum Aufspielen einer neuen Version einer komplexen Web-
Application),
III. Problemstellungen fu¨r WPGs bei der Einfu¨hrung
von Accounting Tools
1. U¨ bersicht und Fragestellungen
Entwickelt eine WPG eine Software, fu¨hrt diese ein und sie be-
trifft den Abschluss, den sie gleichzeitig pru¨ft, dann liegt hier
die Schlussfolgerung nah, dass der Abschlusspru¨fer Prozesse
pru¨ft, die er gerade durch die Einfu¨hrung des Accounting-Tools
selbst gestaltet hat. Das Accounting-Tool wa¨re damit unmittel-
bar Gegenstand der Pru¨fung, da es Bestandteil der Pru¨fung ist
und hiernach der Pru¨fung nach § 317 Abs. 1 HGB
4
unterliegt.
Davon ist auch jede andere Variante der Entwicklung betrof-
fen, die faktisch einer Entwicklung derartiger Systeme entspricht,
WP/StB/CPA Dr. Ru¨diger Loitz
ist Partner der Capital Markets &
Accounting Advisory Services in Du¨sseldorf und leitet das Global
Accounting Tools Centre von PricewaterhouseCoopers. Die in dem
Beitrag vertretene Auffassung spiegelt seine perso¨nliche Meinung
wider.
1 Vgl. Verordnung (EG) Nr.1606/2002 vom 19. 7. 2002, ABlEG Nr. L 243/1 vom
11. 9. 2002.
2 Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25. 5. 2009, BGBl. I
2009 S. 1102, in Kraft getreten am 29. 5. 2009.
3 Natu¨rlich kommen auch einzelne WP hierfu¨r in Betracht. In der Regel han-
delt es sich allerdings aufgrund der Komplexita¨t der Systeme eher um WPGs.
4 Vgl. ferner
Fo¨rschle/Schmidt
, in: Ellrott et al., Beck’scher Bilanz-Kommentar,
7. Aufl. 2010, § 319a Rdn. 24.
DER BETRIEB | Nr. 23 | 7. 6. 2013
Betriebswirtschaft
1249