KURS MAGAZIN 09/2013 - page 31

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9 / 2013
KURS
PFLEGEFALL DEUTSCHLAND
Falsches Bild gezeichnet
Erhebliche Kritik an einemTest der StiftungWaren-
test zum
Pflege-Bahr
äußerten Branchenvertreter
Mitte Juni auf einemWorkshop des Analysehauses
KVpro.de in Berlin. „Verbraucherschützer und die
StiftungWarentest gehen mit demThema fahrlässig
um“, sagte Stephan Schinnenburg vom Softwarehaus
Morgen & Morgen.
S
o hat die Stiftung Warentest laut Schinnenburg bei der
Auswahl hoher Altersgruppen ein falsches Bild der Ab-
sicherung gemalt. Vollkommen unsinnig sei es, wenn
die Verbraucherzentrale Hamburg behaupte, mit 15 Euro
Rücklage pro Monate, könne man das Risiko von Pflege-
bedürftigkeit ausreichend absichern. Für Menschen um die
30 sei die staatlich unterstützte Pflegeversicherung bereits
fast ein Vollkaskoschutz. Wer zu Beispiel im Alter von 20
Jahren eine geförderte Pflegeversicherung zu den Mindest-
bedingungen abschließt, kann eine monatliche Leistung von
fast 2000 Euro in Pflegestufe III absichern. Das ist mehr
als das Dreifache der gesetzlich definierten Mindestleistung
von 600 Euro.
Dabei gibt es am Markt aber große Unterschiede, wie Mor-
gen & Morgen ermittelt hat. Bei einer Beitragsspanne von
monatlich 15,04 Euro und 15,40 Euro unterschieden sich
die Pflegemonatsgelder bei den 20-Jährigen am stärksten.
Sie liegen in Pflegestufe III zwischen 1980 Euro beim besten
und 840 Euro beim schlechtesten Anbieter.
Kalkulation auf Sicherheit ausgelegt
Auf keinen Fall sei Pflege-Bahr ein „Sammelbecken schlech-
ter Risiken“, urteiltWiltrud Pekarek,Mitglied der Vorstände
der Hallesche Krankenversicherung. Daher würden auch
künftig die Prämien nicht explodieren. „Die Kalkulation von
Pflege-Bahr ist imGegenteil auf Sicherheit ausgelegt“, betont
Pekarek. Wie gut die Kalkulation tatsächlich ist, wird sich
jedoch aufgrund der fünfjährigen Wartezeit erst aufgrund
erster Schadenfälle nach rund sechs bis sieben Jahre zeigen.
Andreas Trautner, Experter für Kranken- und Pflegeproduk-
te von der DeutschenMakler Akademie verweist darauf, dass
Makler ein Haftungsproblem hätten, wenn sie nicht grund-
sätzlich in jedem Beratungsgespräch über die Pflegeversiche-
rung und speziell über Pflege-Bahr informieren würden. Der
Aufwand für eine Provision von 30 bis 40 Euro sei zudem
schon deshalb vertretbar, weil der Pflege-Bahr ein „Türöff-
ner“ sei. Pflege-Bahr sei ein typisches Aufbauprodukt.
Nach Einschätzung von Produktanalytiker Schinnenburg hat
der Pflege-Bahr, der immer als Tagegeld verkauft wird, die
Pflegerentenversicherung noch nicht „ausgebootet.“ Zwar
sei die Pflegerente im Vergleich zum Pflegetagegeld doppelt
so teuer, doch Vorteile der Pflegerente seien Beitragsbefrei-
ung- und -rückgewähr sowie der eigene Prüfungsmaßstab
für Demenz und Leistungen auch bei Auslandsaufenthalt.
„Zudem sind sich die Produkte hinsichtlich der Kalkulation
insoweit ähnlich, als dass bei steigendem Schadenbedarf bei
den Pflegerenten die Überschüsse gekürzt und beim Pflege-
tagegeld die Beiträge angehoben werden“, so Schinnenburg.
Laut einer Auswertung der HUK-Coburg wird der Pflege-
bahr derzeit vor allem von Menschen abgeschlossen, die
in ihrem persönlichen Umfeld durch Eltern oder Bekannte
bereits von Pflegebedürftigkeit betroffen sind. So liegt das
Durchschnittsalter von Pflege-Bahr-Kunden bei der HUK-
Coburg derzeit bei rund 51,5 Jahren; bei Kunden, die über
den Kooperationspartner Barmer-GEK kommen bei 52 Jah-
ren und bei der Pax Familienkrankenversicherung sogar bei
55,5 Jahren. Insgesamt hatte die HUK-Coburg-Gruppe bis
Ende Mai rund 7000 Policen abgeschlossen.
Auch die klassische Variante legt zu
Im Markt dürfte das Durchschnittsalter sogar niedriger lie-
gen. So haben laut PKV-Verband fast 40 Prozent jüngere
Menschen im Alter zwischen 25 und 35 Jahre eine solche
Police gekauft. Jeden Tag würden sich derzeit 1000 Men-
schen für den Pflege-Bahr entscheiden, so der PKV-Verband.
Auch die Zahl der Anbieter steigt ständig. Jüngst ist die
R+V mit einem Produkt auf den Markt gekommen. Pflege-
Bahr soll bereits die Marke von 150.000 verkauften Policen
überschritten haben. Gleichzeitig gewinnt die klassische Pfle-
gezusatz-Versicherung. 2012 konnte die Zahl der Verträge
in der PKV um 16,3 Prozent oder 306.300 auf knapp 2,2
Millionen gesteigert werden.
Uwe Schmidt-Kasparek
Übt Kritik an Stiftung Warentest: Stephan Schinnenburg
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