Dr. Thomas Schanz, Stuttgart
Der Wirkungsgrad betrieblicher Nebenleistungen
(Teil 1)
– Dargestellt am Beispiel der betrieblichen Altersversorgung –
u
DB0581768
I. Einleitung
Nach einer Studie von TNS Infratest Sozialforschung
1
gewa¨hren
rund 51% der deutschen Unternehmen ihren Mitarbeitern eine
betriebliche Versorgungszusage
2
. La¨sst man Unternehmen mit
weniger als 20 Mitarbeitern unberu¨cksichtigt, so steigt die Zahl
auf 95% fu¨r die alten Bundesla¨nder
3
. Gru¨nde fu¨r die Gewa¨hrung
einer betrieblichen Versorgungszusage existieren viele: Neben
dem fru¨her dominierenden Fu¨rsorgegedanken u¨berwiegt heute
eher die Steigerung der Arbeitgeberattraktivita¨t fu¨r die bestehen-
de Belegschaft (Mitarbeiterbindung) und fu¨r Neueinstellungen
(Mitarbeitergewinnung). Mitursa¨chlich sind auch Optimie-
rungsu¨berlegungen in Bezug auf die Gesamtvergu¨tung der Mit-
arbeiter, sofern mit der Gewa¨hrung betrieblicher Versorgungs-
leistungen im Vergleich zu einer Gehaltserho¨hung ein wesent-
lich ho¨herer Wirkungsgrad verbunden ist. So wird z. B. in einem
Memorandum der aba Arbeitsgemeinschaft fu¨r betriebliche Al-
tersversorgung e.V. festgestellt, dass eine unternehmensbezogene
betriebliche Altersversorgung „dem Arbeitnehmer ein deutliches
„Mehr“ als bei einer reinen Barvergu¨tung zur Verfu¨gung“ stellt
4
.
Ziel dieser Untersuchung ist es daher, den Wirkungsgrad be-
trieblicher Versorgungszusagen zu ermitteln und die maßgeben-
den Bestimmungsgru¨nde herauszuarbeiten. Die Analyse erfolgt
zuerst in Bezug auf unternehmensfinanzierte Versorgungszusa-
gen. Ausgehend von einem Standardmodell (Abschn. III. 1. und
III. 2.) werden weiter die Auswirkungen von mitarbeiterindivi-
duellen Parametern bzw. unternehmensbezogenen Planparame-
tern ermittelt (Abschn. IV.). Erga¨nzend wird anhand verschie-
dener Musterfa¨lle in einem Inflationsmodell untersucht, welche
Auswirkungen mit der Beru¨cksichtigung inflatorischer Effekte
verbunden sind. Dabei werden Leistungszusagen und beitrags-
orientierte Leistungszusagen getrennt betrachtet. Erga¨nzend
wird im Rahmen eines Exkurses dargestellt, inwieweit die Ana-
lyseergebnisse des Standardmodells auch auf mitarbeiterfinan-
zierte Versorgungszusagen u¨bertragen werden ko¨nnen
(Abschn. V.). Dies insbesondere vor dem Hintergrund verein-
zelter Vero¨ffentlichungen, die die Vorteilhaftigkeit betrieblicher
Entgeltumwandlungsmodelle in Frage stellen.
Bevor die Werthaltigkeit und davon abgeleitet der Wirkungs-
grad betrieblicher Versorgungszusagen dargestellt wird, soll in
Abschn. II. der dazu notwendige Bewertungsansatz erla¨utert
werden.
II. Bewertungsansatz zur Ermittlung des Wirkungs-
grads
Fu¨r die Ermittlung des Wirkungsgrads sind verschiedene Be-
wertungsansa¨tze denkbar. So wa¨re es z. B. mo¨glich, bei einer be-
trieblichen Versorgungszusage, die lediglich ein Alterskapital
vorsieht, die Nettoverzinsung zu ermitteln und diese mit einer
alternativen privaten Vermo¨gensanlage zu vergleichen. Dieses
Verfahren ist jedoch dann ungeeignet, wenn zusa¨tzlich Risiko-
leistungen (Berufsunfa¨higkeits- bzw. Todesfallabsicherung) ein-
geschlossen werden. In der Praxis wird ha¨ufig nicht nur die
Werthaltigkeit betrieblicher Versorgungszusagen, sondern auch
die weiterer betrieblicher Nebenleistungen (wie z. B. Firmenwa-
gen, Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall oder eine Unfallver-
sicherung) bewertet. Damit ist ein Bewertungsansatz notwendig,
welcher fu¨r unterschiedliche Nebenleistungen eine einheitliche
Vorgehensweise ermo¨glicht. Zusa¨tzlich mu¨ssen die unterschied-
lichen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen
abbildbar sowie versorgungsplanspezifische Besonderheiten in
den Bewertungsansatz integrierbar sein. Diese Voraussetzungen
werden vom nachfolgend beschriebenen leistungsbezogenen Be-
wertungsansatz erfu¨llt. Dieser Bewertungsansatz rechnet die mit
einer bestimmten Nebenleistung verbundene Vermo¨genserho¨-
hung in eine gleichwertige absolute Gehaltserho¨hung fu¨r den ge-
samten Aktivita¨tszeitraum um. Aus dem Vergleich der beiden
Aufwandsgro¨ßen „Aufwand fu¨r betriebliche Altersversorgung“
und „Aufwand fu¨r Gehaltszahlung“ la¨sst sich dann einfach der
Wirkungsgrad der betrieblichen Versorgungszusage ermitteln.
Fu¨r die Ermittlung der wertgleichen Gehaltszahlung sind im
Fall einer betrieblichen Versorgungszusage die nachfolgend be-
schriebenen vier Berechnungsschritte notwendig, welche am En-
de dieses Abschnitts durch ein Berechnungsbeispiel veranschau-
licht werden.
Berechnungsschritt 1: Ermittlung der Vermo¨genserho¨hung
Zuna¨chst ist zu ermitteln, inwieweit sich fu¨r den Mitarbeiter
durch die betrachtete Nebenleistung eine Vermo¨genserho¨hung
ergibt. Da viele Nebenleistungen zum Zeitpunkt der Auszah-
lung steuer- und sozialversicherungspflichtig sind, sind diese
Zusatzbelastungen zwingend zu beru¨cksichtigen. Maßgebend ist
somit nicht die Brutto-, sondern die Nettoleistung, welche alle
Belastungsfaktoren einbezieht. Die Vermo¨genserho¨hung la¨sst
sich durch das zusa¨tzliche Nettoeinkommen bei Inanspruchnah-
me der Nebenleistung darstellen.
>
Beispiel:
Fu¨r die zugesagte betriebliche Bruttorente wird bei Renten-
beginn auf der Basis der Mitarbeiterdaten die individuelle
Steuer- und Sozialabgabenbelastung ermittelt, die mit der
Auszahlung der Rente verbunden ist. Die daraus resultierende
betriebliche Nettorente stellt das zusa¨tzliche verfu¨gbare Ein-
Dr. Thomas Schanz
ist Mitglied der Gescha¨ftsleitung der Kern Mauch
& Kollegen GmbH in Stuttgart. Der Verf. bedankt sich bei Frau Dipl.-
Math. Claudia Schmidt fu¨r die kritische Durchsicht des Manuskripts.
1 Vgl. tns infratest, Situation und Entwicklung der betrieblichen Altersversor-
gung in Privatwirtschaft und o¨ffentlichem Dienst 2001–2007, Endbericht,
S. 19 ff.; Der Bericht ist online abrufbar unter:
Downloads/DE/PDF-Publikationen/forschungsbericht-f384.pdf?__blob=pub-
lication. F.ile (Abruf: 2. 5. 2013).
2 Der angegebene Prozentsatz beinhaltet nicht nur arbeitgeber-, sondern
auch mitarbeiterfinanzierte Versorgungszusagen.
3 tns infratest, a.a.O (Fn. 1), S. 34.
4 Vgl. aba, Dialog pro Betriebsrente, 2011, S. 11.
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Betriebswirtschaft
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