zung der Bestimmungen einer Richtlinie in nationales Recht be-
schlossen hat, rein innerstaatliche Sachverhalte und Sachverhal-
te, die unter die Richtlinie fallen, gleich zu behandeln, und des-
halb seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften an das Gemein-
schaftsrecht angepasst hat. Eine derartige Anpassung des natio-
nalen Rechts an eine Bestimmung der Fusionsrichtlinie ist im
Hinblick auf den Teilbetriebsbegriff jedoch nicht erfolgt
56
. Eine
u¨berschießende Richtlinienumsetzung liegt nur vor, wenn der
nationale Gesetzgeber einen Unionsrechtsakt (durch Bezugnah-
me oder Schaffung einer inhaltsgleichen Regelung) auf nicht
harmonisierte Bereiche erstreckt
57
. Der Begriff des Teilbetriebs
i. S. des UmwStG entstammt nicht origina¨r dem Gemein-
schaftsrecht, sondern hat eine langja¨hrige Tradition im deut-
schen Ertragsteuerrecht, die in die Zeit vor Erlass der Fusions-
richtlinie und erst recht vor der Reformierung des UmwSt-
Rechts durch das SEStEG zuru¨ckreicht
58
. Ebenso wenig entha¨lt
das deutsche UmwSt-Recht eine der Fusionsrichtlinie entspre-
chende Definition des Teilbetriebs. Demnach ist keine „U¨ ber-
umsetzung“ zu verzeichnen. Es reicht nicht aus, dass der Gesetz-
geber mit dem SEStEG nicht zuletzt auf die A¨ nderung der Fu-
sionsrichtlinie reagieren
59
und dafu¨r Sorge tragen wollte, dass
ku¨nftig europaweit die gleichen steuerlichen Grundsa¨tze fu¨r in-
la¨ndische und fu¨r alle grenzu¨berschreitenden Umstrukturierun-
gen von Unternehmen anzuwenden sind
60
.
c) Keine unzula¨ssige Inla¨nderdiskriminierung
Die aus dem Vorstehenden resultierende gespaltene Auslegung
fu¨hrt, sofern sich das nationale Begriffsversta¨ndnis als strenger er-
weist, auch nicht zu einer unzula¨ssigen Inla¨nderdiskrimierung.
Wenngleich eine solche Ungleichbehandlung dem Gedanken
des Binnenmarkts (Art. 26 AEUV) grds. zuwider laufen du¨rfte,
scheidet ein Verstoß gegen das Europarecht aus, da sowohl die
Diskriminierungsverbote der Grundfreiheiten als auch das all-
gemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV nach
st. Rspr. des EuGH keine Anwendung auf rein innerstaatliche
Sachverhalte finden. Gleiches gilt fu¨r den allgemeinen Gleich-
heitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Zwar soll dieser nach teilweise ver-
tretener Ansicht auch dann anzuwenden sein, wenn grenzu¨ber-
schreitende Sachverhalte aufgrund nationaler Regelungen, die
zwingende Vorgaben des Gemeinschaftsrechts umsetzen, besser
gestellt werden
61
. Dies ist jedoch nach vorzugswu¨rdiger Auffas-
sung vor dem Hintergrund der Beteiligung unterschiedlicher Ge-
setzgeber bzw. des Vorliegens unterschiedlicher Sachverhalte ab-
zulehnen
62
. So ist die Inla¨nderdiskriminierung nach der Rspr.
des BFH
63
nicht auf die deutsche Hoheitsgewalt zuru¨ckzufu¨hren,
sondern auf die Gemeinschaftsrechtsordnung und die Maßnahme
eines vom nationalen Gesetzgeber abweichenden Hoheitstra¨gers.
Sie ist das Ergebnis des noch unvollkommenen Binnenmarkts un-
ter Anwendung von Normen unterschiedlicher Normsetzer.
3. Insbesondere: Kritische Wu¨rdigung der Verwaltungsauf-
fassung
Vor dem Hintergrund des zuvor gefundenen Ergebnisses ist der
umfassende Ru¨ckgriff der Finanzverwaltung auf den Teilbetriebs-
begriff der Fusionsrichtlinie in sa¨mtlichen Spaltungs- und Ein-
bringungskonstellationen abzulehnen. Ungeachtet dessen kann
der Verwaltungsauffassung aber auch in den fusionsrichtlinien-
relevanten Fa¨llen nicht uneingeschra¨nkt gefolgt werden. Dies gilt
zum einen fu¨r den Ru¨ckgriff auf den Begriff der funktional wesent-
lichen Betriebsgrundlagen
64
und dessen Einbeziehung in den eu-
ropa¨ischen Teilbetriebsbegriff
65
. Das Erfordernis der U¨ bertragung
sa¨mtlicher funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen entstammt
dem nationalen Begriffsversta¨ndnis und la¨sst sich der Fusions-
richtlinie in ihrer Auslegung durch den EuGH nicht entnehmen.
Hingegen du¨rfte der Begriff der nach wirtschaftlichen Zusam-
menha¨ngen zuordenbaren Wirtschaftsgu¨ter
66
– darunter lassen
sich letztlich auch die wesentlichen Betriebsgrundlagen subsumie-
ren – zwar auf die Rspr. des EuGH
67
zuru¨ckzufu¨hren sein, wonach
alle zum Teilbetrieb geho¨renden aktiven und passiven Wirt-
schaftsgu¨ter u¨bertragen werden mu¨ssen
68
. Allerdings erscheint es
imHinblick auf die besondere Betonung des Kriteriums der Funk-
tionsfa¨higkeit durch den EuGH in der Rs.
Andersen og Jensen
69
ge-
rechtfertigt, nur solche Wirtschaftsgu¨ter in die Betrachtung ein-
zubeziehen, die fu¨r die Funktionsfa¨higkeit des Teilbetriebs von
Bedeutung sind
70
. Dies spricht dafu¨r, dass es nicht der U¨ bertra-
gung sa¨mtlicher nach wirtschaftlichen Zusammenha¨ngen zuor-
denbarer – aber jederzeit wiederbeschaffbarer – Wirtschaftsgu¨ter
bedarf. Daru¨ber hinaus ist nicht versta¨ndlich, warum die Finanz-
verwaltung die bloße Nutzungsu¨berlassung unter Hinweis auf das
BFH-Urteil vom 7. 4. 2010
71
nicht ausreichen lassen will
72
. Nach
vorzugswu¨rdiger Auffassung setzt die Fusionsrichtlinie eben keine
U¨ bertragung des (wirtschaftlichen) Eigentums an den funktional
bedeutsamenWirtschaftsgu¨tern des Teilbetriebs voraus
73
. Zudem
ist die Praxistauglichkeit der Verwaltungsverlautbarung kritisch zu
beurteilen. So stellt sich insbesondere die Frage, wie der wirt-
schaftliche Zusammenhang, nach dem die Zuordnung von Wirt-
schaftsgu¨tern erfolgen soll, zu bestimmen ist
74
. Mit dieser Abgren-
zungsproblematik einher geht die Frage, welche Wirtschaftsgu¨ter
u¨berhaupt noch frei zugeordnet werden ko¨nnen
75
. Rechtssichere
Gestaltungen sind auf der Grundlage der Verwaltungsverlaut-
barung schwerlich mo¨glich. Die Praxis wird sich daher mit Antra¨-
gen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO)
oder der Verwendung von sog. Catch-all-Klauseln bzw. Auffang-
klauseln in den U¨ bertragungsvertra¨gen helfen mu¨ssen
76
.
4. Maßgebender Beurteilungszeitpunkt
Ungeachtet der Begriffsbestimmung als solcher ist zu kla¨ren, zu
welchem Zeitpunkt die Merkmale des Teilbetriebsbegriffs vor-
liegen mu¨ssen. In Betracht kommen der steuerliche U¨ bertra-
56 Ebenso
Schmitt
, a.a.O. (Fn. 11), § 20 UmwStG Rdn. 83;
Widmann
, a.a.O.
(Fn. 18), § 20 UmwStG Rdn. R5.
57
Karpenstein
, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europa¨ischen Union,
Bd. II, Art. 267 AEUV Rdn. 21.
58 Vgl.
Tho¨mmes
, a.a.O. (Fn. 11), S. 583.
59 Vgl. Gesetzesbegru¨ndung, BT-Drucks. 16/2710 S. 1.
60 Vgl. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/2710 S. 25; Bericht des Finanzausschus-
ses, BT-Drucks. 16/3369 S. 1. A¨ hnlich
Schmitt
, a.a.O. (Fn. 11), § 20 UmwStG
Rdn. 83.
61
Riese/Noll
, NVwZ 2007 S. 516 (520);
Bullinger
, IStR 2005 S. 370 (375);
Oster-
loh
, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rdn. 71.
62
Streinz
, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 18 AEUV Rdn. 67;
Gundel
,
DVBl 2007 S. 269; a¨hnlich
Starck
, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG,
6. Aufl. 2010, Art. 3 Abs. 1 Rdn. 233.
63 BFH-Urteil vom 15. 7. 2005 – I R 21/04, BStBl. II 2005 S. 716 = DB 2005
S. 2115; vom 18. 9. 2003 – I R 13/08, BFH/NV 2009 S. 1613; vom 11. 1.
2012 – I R 25/10, DB 2012 S. 838 = BFH/NV 2012 S. 871.
64 BMF vom 11. 11. 2011, a.a.O. (Fn. 35), Rdn. 15. 2.
65
Frotscher
, a.a.O. (Fn. 39), zu Rdn. 15. 2.
66 BMF vom 11. 11. 2011, a.a.O. (Fn. 35), Rdn. 15. 2.
67 EuGH vom 15. 1. 2002, a.a.O. (Fn. 13).
68
Patt
, a.a.O. (Fn. 11), § 20 UmwStG Rdn. 93;
Schumacher/Bier
, a.a.O.
(Fn. 20), S. 272.
69 EuGH vom 15. 1. 2002, a.a.O. (Fn. 13).
70 Gl. A.
Schumacher/Bier
, a.a.O. (Fn. 20), S. 272.
71 BFH vom 7. 4. 2010, a.a.O. (Fn. 6).
72 BMF vom 11. 11. 2011, a.a.O. (Fn. 35), Rdn. 15. 7.
73
Tho¨mmes
, a.a.O. (Fn. 11), S. 583 (598);
Schmitt
, a.a.O. (Fn. 11), § 20
UmwStG Rdn. 99;
Menner
, a.a.O. (Rdn. 16), § 20 Rdn. 96; a. A.
Schießl
,
a.a.O. (Fn. 44), § 20 UmwStG Rdn. 63.
74 Vgl.
Schumacher/Bier
, a.a.O. (Fn. 20), S. 272;
Ho¨tzel/Kaeser
, in: FGS/BDI,
Der UmwStE 2011, 2012, S. 325.
75
Schell/Krohn
, DB 2012 S. 1119 (1121);
Ro¨dder/Rogall
, Ubg 2012 S. 753
(756).
76
Ho¨tzel/Kaeser
, a.a.O. (Fn. 74), S. 325;
Beutel
, a.a.O. (Fn. 15), Rdn. 15. 7.
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Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
1...,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21 23,24,25,26,27,28,29,30,31,32,...84