gabe der einschla¨gigen Rspr. des EuGH
36
sowie des BFH
37
un-
ter Zugrundelegung der funktionalen Betrachtungsweise aus der
Perspektive des u¨bertragenden Rechtstra¨gers zu beurteilen. Was
die U¨ bertragung des Teilbetriebs anbelangt, fordert die Finanz-
verwaltung in Rdn. 15.07 UmwStE 2011
38
, dass sa¨mtliche funk-
tional wesentlichen Betriebsgrundlagen sowie die nach wirt-
schaftlichen Grundsa¨tzen zuordenbaren Wirtschaftsgu¨ter – im
Rahmen der Auf- oder Abspaltung bzw. Einbringung – u¨bertra-
gen werden
39
. Die Begru¨ndung wirtschaftlichen Eigentums rei-
che aus, die bloße Nutzungsu¨berlassung indes nicht. Betriebsver-
mo¨gen der u¨bertragenden Ko¨rperschaft, das weder zu den funk-
tional wesentlichen Betriebsgrundlagen noch zu den nach wirt-
schaftlichen Grundsa¨tzen zuordenbaren Wirtschaftsgu¨tern ge-
ho¨rt, ko¨nne jedem der Teilbetriebe zugeordnet werden
(Rdn. 15.09 UmwStE 2011
40
).
d) Einheitliche Auslegung nach europa¨ischem Begriffsversta¨ndnis
unter Beru¨cksichtigung des Grundsatzes der Meistbegu¨nstigung
Nach einer ebenfalls weit verbreiteten – vermittelnden – Auffas-
sung soll nunmehr im Grundsatz der europa¨ische Teilbetriebs-
begriff gelten, da der Gesetzgeber einheitliche Regelungen fu¨r
inla¨ndische und grenzu¨berschreitende Umwandlungen habe
schaffen wollen
41
. Es habe eine richtlinienkonforme Auslegung
zu erfolgen
42
. Lediglich in den Fa¨llen, in denen sich das nationa-
le Begriffsversta¨ndnis als gu¨nstiger erweist (z. B. U¨ bertragung
nur der wesentlichen Betriebsgrundlagen, Erfassung von Teil-
betrieben im Aufbau), soll es dem Stpfl. freistehen, sich auf den
innerstaatlichen Teilbetriebsbegriff zu berufen
43
.
e) Gespaltene Auslegung
Nach a. A. ist zumindest in den von der Fusionsrichtlinie erfassten
Fa¨llen auf den europa¨ischen Teilbetriebsbegriff abzustellen. Dies
soll jedoch nicht fu¨r Vorga¨nge gelten, die nicht in den Anwen-
dungsbereich der Fusionsrichtlinie fallen. Dementsprechend er-
folge eine gespaltene Auslegung
44
, d. h. das Tatbestandsmerkmal
des Teilbetriebs werde zum „doppelsinnigen Begriff“
45
. Weder aus
den Normen des UmwStG noch aus der Gesetzesbegru¨ndung
zum SEStEG ergebe sich, dass der Gesetzgeber den Teilbetriebs-
begriff generell in Anlehnung an die Fusionsrichtlinie ausgelegt
wissen wolle
46
. Eine „U¨ berumsetzung“ der Fusionsrichtlinie i. S.
der EuGH-Entscheidungen in den Rs.
Leur-Bloem
47
und
Andersen og Jensen
48
sei nicht beabsichtigt gewesen.
2. Eigene Auffassung: Gespaltene Auslegung
a) Grundsatz: Ru¨ckgriff auf den nationalen Teilbetriebsbegriff
In Anwendung der klassischen Auslegungskriterien ergibt sich
kein eindeutiges Votum zugunsten des nationalen oder europa¨-
ischen Teilbetriebsversta¨ndnisses. Unter den Gesetzeswortlaut
der betreffenden umwandlungssteuerrechtlichen Normen lassen
sich beide Teilbetriebsbegriffe subsumieren. Auch logisch-syste-
matische Gesichtspunkte ermo¨glichen ebenso wenig wie teleolo-
gische Kriterien eine abstrakte Entscheidung zugunsten des natio-
nalen oder europa¨ischen Teilbetriebsbegriffs. Gerade in teleologi-
scher Hinsicht ist zu beachten, dass beide Definitionen betriebs-
wirtschaftlich erwu¨nschte Umwandlungen begu¨nstigen, zugleich
aber gewisse Mindestanforderungen an das dabei zu
u¨bertragende Vermo¨gen aufstellen sollen. Keiner der beiden Be-
griffe erscheint offensichtlich gu¨nstiger oder zielgenauer. Entspre-
chendes gilt letztlich fu¨r die Entstehungsgeschichte der Normen:
Zwar wollte der Gesetzgeber mit dem UmwStG i. d. F. des
SEStEG eine Europa¨isierung des UmwSt-Rechts bewirken
49
.
Diese Erwa¨gung betrifft jedoch in erster Linie den sachlichen
und perso¨nlichen Anwendungsbereich des UmwSt-Rechts (§ 1
UmwStG), nicht hingegen den Begriff des Teilbetriebs, der im
Anwendungsbereich des UmwStG 1995 – außerhalb des § 23
(Einbringung in der EU)
50
– nach nationalem Begriffsversta¨ndnis
ausgelegt wurde. Vor diesem Hintergrund sollte aus Gru¨nden der
Kontinuita¨t des Rechts und der Rechtssicherheit imGrundsatz an
der klassischen ertragsteuerlichen Definition des Teilbetriebs i. S.
der Rspr. des BFH festgehalten werden.
b) Europarechtskonforme Auslegung im Anwendungsbereich der
Fusionsrichtlinie
Besonderheiten ergeben sich indes durch den Einfluss der Fusi-
onsrichtlinie. Nach allgemeinen Grundsa¨tzen ist im Fall einer
Kollision von nationalem Recht und Europarecht die nationale
Vorschrift unanwendbar, d. h. es besteht im Grundsatz ein An-
wendungsvorrang des Europarechts
51
. Daher ist das nationale
Recht gemeinschaftsrechtskonform – insbesondere richtlini-
enkonform – auszulegen
52
. Eine richtlinienkonforme Auslegung
kommt jedoch nur insoweit in Betracht, wie der Anwendungs-
bereich der Richtlinie reicht, d. h. ein Konkurrenzverha¨ltnis
zwischen nationalem Recht und Europarecht besteht
53
. Gem.
Art. 1 Fusionsrichtlinie gilt diese nur fu¨r Fusionen, Spaltungen,
Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und
den Austausch von Anteilen, wenn daran Gesellschaften aus
zwei oder mehr Mitgliedstaaten i. S. des Art. 3 Fusionsrichtlinie
beteiligt sind, sowie fu¨r Verlegungen des Sitzes einer SE oder
einer SCE von einem Mitgliedstaat in den anderen. In rein na-
tionalen Umwandlungsvorga¨ngen (und grenzu¨berschreitenden
Umstrukturierungen ohne Beteiligung von KapGes.) gelangt die
Fusionsrichtlinie nicht zur Anwendung. Vor diesem Hinter-
grund hat bei nicht grenzu¨berschreitenden Sachverhalten auch
keine richtlinienkonforme Auslegung zu erfolgen.
Dem steht die Rspr. des EuGH in den Rs.
Leur-Bloem
54
und
Andersen og Jensen
55
nicht entgegen. Danach ist der EuGH nach
Art. 267 AEUV fu¨r die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu-
sta¨ndig, wenn dieses den fraglichen Sachverhalt zwar nicht un-
mittelbar regelt, aber der nationale Gesetzgeber bei der Umset-
36 EuGH vom 15. 1. 2002, a.a.O. (Fn. 13).
37 BFH vom 7. 4. 2010, a.a.O. (Fn. 6).
38 BMF vom 11. 11. 2011, a.a.O. (Fn. 35).
39 Kritisch
Frotscher
, UmwStE 2011, 2012, zu Rdn. 15.02 und 15. 7.
40 BMF vom 11. 11. 2011, a.a.O. (Fn. 35).
41
Schumacher
, a.a.O. (Fn. 13), § 15 Rdn. 125;
Herlinghaus
, a.a.O. (Fn. 24),
§ 20 Rdn. 59;
Asmus
, in: Haritz/Menner, UmwStG, 3. Aufl. 2010, § 15
Rdn. 61–63;
Beutel
, a.a.O. (Fn. 15), Rdn. 15. 4.
42
Schumacher
, a.a.O. (Fn. 13), § 15 Rdn. 125.
43
Schumacher/Bier
, a.a.O. (Fn. 20), S. 271;
Herlinghaus
, a.a.O. (Fn. 2), S. 159
(175);
Menner
, a.a.O. (Fn. 16), § 20 Rdn. 100;
Beutel
, a.a.O. (Fn. 15),
Rdn. 15. 5.
44
Schießl
, in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 15 UmwStG Rdn. 25;
Fo¨rster/
Wendland
, BB 2007 S. 631 (632); wohl auch
Klingberg
, in: Blu¨mich, EStG/
KStG/GewStG, § 15 UmwStG Rdn. 53.
45
Blumers
, DB 2001 S. 2204 (2206).
46
Schmitt
, DStR 2011 S. 1108 (1110);
Ho¨rtnagl
, in: Schmitt/Ho¨rtnagl/Stratz,
UmwStG/UmwG, 5. Aufl. 2009, § 15 UmwStG Rdn. 59;
Widmann
, a.a.O.
(Fn. 18), § 20 UmwStG Rdn. R 5.
47 EuGH vom 17. 7. 1997, a.a.O. (Fn. 33).
48 EuGH vom 15. 1. 2002, a.a.O. (Fn. 13).
49 Vgl. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/3369 S. 1.
50 Vgl.
Widmann
, a.a.O. (Fn. 18), § 23 UmwStG Rdn. 18 f.;
Menner
, a.a.O.
(Fn. 16), § 20 Rdn. 102;
Herzig
, DB 2000 S. 2236 (2242); a. A. BMF-Schrei-
ben vom 25. 3. 1998 – IV B 7 – S 1978 – 21/98 IV B 2 – S 1909 – 33/98,
BStBl. I 1998 S. 268, Rdn. 23. 1.
51 BVerfG-Beschluss vom 8. 4. 1987 – 2 BvR 687/85, DB 1987 S. 2339 = NJW
1988 S. 1459 (1462);
Jarass
, NJW 1990 S. 2420 (2421).
52 BFH-Urteil vom 21. 3. 1996 – XI R 36/95, BStBl. II 1996 S. 399 = DB 1996
S. 1452; vom 23. 10. 2003 – V R 48/01, BStBl. II 2004 S. 196 = DB 2004
S. 170 (Ls.).
53 EuGH-Urteil vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96, ICI, EuGHE 1998 S. I-04695,
Rdn. 34.
54 EuGH vom 17. 7. 1997, a.a.O. (Fn. 33).
55 EuGH vom 15. 1. 2002, a.a.O. (Fn. 13).
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Steuerrecht
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