zu zahlendes Entgelt die Abwicklung u¨bernahm. Teil dieser
Dienstleistung war es, Personen zu finden – im internen Sprach-
gebrauch „Strohgescha¨ftsfu¨hrer“ genannt –, auf die die Gescha¨fts-
anteile zum Kaufpreis von einem Euro u¨bertragen wurden und die
das Amt des Gescha¨ftsfu¨hrers u¨bernahmen. Diese vera¨ußerten die
Anteile nach wenigen Wochen an im europa¨ischen Ausland le-
bende Personen weiter, die sich – teilweise nach Umfirmierung
der Gesellschaft, die der weiteren Verschleierung diente – wiede-
rum als Gescha¨ftsfu¨hrer einsetzen ließen. Auch diese Personen
wa¨hlte der Firmenbestatter aus und wies sie an, wie sie sich bei
den notariell beurkundeten Anteilsu¨bertragungen und Gescha¨fts-
fu¨hrerbestellungen zu verhalten hatten. Bei etwaigen Nachfragen
von Gla¨ubigern bereitete der Firmenbestatter – i. d. R. hinhalten-
de – Schreiben vor, die von den neuen Gescha¨ftsfu¨hrern unter-
schrieben werden mussten; z. T. leisteten sie auch Blankounter-
schriften, die fu¨r solche Zwecke verwendet wurden. Fu¨r ihre Be-
reitschaft, als „Strohgescha¨ftsfu¨hrer“ zu agieren, erhielten die aus-
gewa¨hlten Personen, bei denen es sich regelma¨ßig um Rentner
oder Empfa¨nger von Arbeitslosengeld II handelte, einmalige Zah-
lungen i. H. von 500 oder 1.000 €. Sie waren sa¨mtlich nicht in der
Lage, ein Speditionsunternehmen zu fu¨hren und hatten daran
auch kein Interesse.
Vernichtung von Gescha¨ftsunterlagen, um sie dem Zugriff der
Gla¨ubiger und eines etwaigen Insolvenzverwalters dauerhaft zu
entziehen
12
I
Im Vorfeld der Anteilsu¨bertragungen vernichteten und/oder
versteckten die Angeklagten teilweise Gescha¨ftsunterlagen, teil-
weise wurden diese auch an den Firmenbestatter u¨bergeben, oh-
ne dass sie allerdings den neuen Gescha¨ftsfu¨hrern zum Zwecke
der Fortfu¨hrung der Gesellschaft zur Verfu¨gung gestellt wurden;
sie sollten vielmehr dem Zugriff der Gla¨ubiger und eines etwai-
gen Insolvenzverwalters dauerhaft entzogen werden. Ein Teil
der Unterlagen wurde aus diesem Grund – neben denen anderer
Gesellschaften – ungeordnet auf Paletten an einen der „Stroh-
gescha¨ftsfu¨hrer“ in Griechenland versandt.
Weiterfu¨hrung der Gescha¨fte der bestatteten Firmen durch
Nachfolgeunternehmen
13
I
Die Gescha¨fte der auf diese Weise u¨bertragenen Gesellschaf-
ten fu¨hrte ein ebenfalls von dem Angeklagten M. beherrschtes
Nachfolgeunternehmen weiter, das – jedenfalls soweit erforderlich
– die Fahrzeuge und das Personal und teilweise auch die Bu¨roaus-
stattung und die -ra¨umlichkeiten u¨bernahm. Mit der Liquidation
dieser Unternehmenswerte waren die Angeklagten jeweils noch
nach den Anteilsu¨bertragungen befasst. Ebenso wurden die in be-
tru¨gerischer Absicht eingesetzten Tankkarten der Unternehmen
noch nach der Anteilsu¨bertragung auf Weisung des Angeklagten
M. verwendet, um Benzinvorra¨te fu¨r die Nachfolgeunternehmen
in illegalen Tanklagern anzulegen bzw. weiter aufzufu¨llen. In eini-
gen Fa¨llen hoben die von dem Angeklagten M. eingesetzten fru¨-
heren Gescha¨ftsfu¨hrer – auch der Angeklagte B. – nach der offi-
ziellen Vera¨ußerung der Gesellschaft noch die auf demGescha¨fts-
konto befindlichen bzw. dort noch eingehenden Guthabenbetra¨ge
ab und gaben das Geld an ihn weiter.
14
I
Nach diesem Muster verfuhr der Angeklagte M. bei der A.
Spedition GmbH, deren nomineller Gescha¨ftsfu¨hrer bis zur An-
teilsvera¨ußerung im Oktober 2002 sein Vater gewesen war, bei
der R. GmbH (Gescha¨ftsfu¨hrer vor der Anteilsvera¨ußerung im
September 2004: zuna¨chst die Lebensgefa¨hrtin des Angeklagten
und sodann der gesondert Verfolgte T.), bei der S L. GmbH
(Gescha¨ftsfu¨hrer vor der Anteilsvera¨ußerung im November
2005: der Angeklagte B., der mit dem Angeklagten M. arbeits-
teilig zusammenwirkte) und bei der I GmbH (Gescha¨ftsfu¨hrer
vor der Anteilsvera¨ußerung im Juni 2005: der Angeklagte P.),
die von vornherein in erster Linie dazu bestimmt war, Diesel-
treibstoff betru¨gerisch zu erlangen und ansonsten keine nen-
nenswerte Gescha¨ftsta¨tigkeit entfaltete. In gleicher Weise agierte
der Angeklagte B. bei der von ihm auch als eingetragener Ge-
scha¨ftsfu¨hrer geleiteten & GmbH, deren Speditionsgescha¨fte die
R. GmbH weiter fu¨hrte.
Verwirklichung des Tatbestands des § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB
15
I
b) aa)
Das LG hat mit Blick auf die teilweise Vernichtung
und letztlich vollsta¨ndige Entziehung der gesamten Gescha¨fts-
unterlagen – rechtlich unbedenklich – den Tatbestand des § 283
Abs. 1 Nr. 6 StGB als erfu¨llt angesehen: Es handelte sich inso-
weit um Handelsbu¨cher und sonstige Unterlagen, zu deren Auf-
bewahrung die durchweg in der wirtschaftlichen Krise befindli-
chen Gesellschaften verpflichtet waren; durch ihre Unterdru¨-
ckung wurde auch die U¨ bersicht u¨ber ihren Vermo¨gensstand er-
schwert.
Verschleierung der wirklichen gescha¨ftlichen Verha¨ltnisse i. S.
von § 283 Abs. 1 Nr. 8
16
I
bb)
Auch die Annahme der Strafkammer, in der U¨ bertra-
gung der Unternehmen auf einen zur Fortfu¨hrung des Gescha¨fts
ungeeigneten und unwilligen Strohmann liege eine Verschleie-
rung der wirklichen gescha¨ftlichen Verha¨ltnisse i. S. von § 283
Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB, ha¨lt im Ergebnis sachlich-rechtlicher
Pru¨fung stand. Mit dem Merkmal der „gescha¨ftlichen Verha¨lt-
nisse“ sind u¨ber die Vermo¨gensverha¨ltnisse im engeren Sinn hi-
naus die Umsta¨nde angesprochen, die fu¨r die Beurteilung der
Kreditwu¨rdigkeit des in der Krise befindlichen Schuldners er-
heblich sind. Da der Tatbestand mit Blick auf die Gla¨ubigerinte-
ressen auszulegen ist, geht es bei der Tathandlung des Verschlei-
erns zwar in erster Linie um die unrichtige Darstellung der Ver-
mo¨gensverha¨ltnisse
2
. Zu den gescha¨ftlichen Verha¨ltnissen za¨h-
len aber auch grundlegende unternehmerische Gesichtspunkte,
namentlich Investitionsvorhaben, Planungsmaßnahmen und die
zuku¨nftige Entwicklung des Unternehmens
3
. Insbesondere u¨ber
Letztere wurden die Gla¨ubiger vorliegend geta¨uscht, weil durch
den Wechsel des Gesellschafters/Gescha¨ftsfu¨hrers ohne die Ab-
sicht, das Unternehmen fortzufu¨hren, verschleiert wurde, dass
die Gesellschaften tatsa¨chlich von den Angeklagten liquidiert
wurden und mangels jeglicher weiterer unternehmerischer Ta¨-
tigkeit bereits feststand, dass sie die entstandenen Verbindlich-
keiten auf keinen Fall wu¨rden begleichen ko¨nnen und dies auch
nicht wollten. Dadurch sowie durch die durchgefu¨hrten weiteren
Vera¨ußerungen und die damit verbundenen Sitzverlegungen ins
Ausland konnten Gla¨ubiger davon abgehalten werden, in Ver-
mo¨gensgegensta¨nde der Gesellschaften zu vollstrecken
4
. Ange-
sichts des alleinigen Ziels der Gla¨ubigerbenachteiligung waren
diese Handlungen auch erkennbar grob wirtschaftswidrig.
Bankrotthandlungen mu¨ssen dem Angeklagten auch als ta¨ter-
schaftliches Handeln zurechenbar sein
17
I
c)
Allerdings hat sich das LG nicht mit der Frage befasst,
ob die insoweit maßgeblichen Bankrotthandlungen den Ange-
2 BGH-Beschluss vom 24. 3. 2009 – 5 StR 353/08, NStZ 2009 S. 635 (636),
m. w. N.
3
Ku¨mmel
, wistra 2012 S. 165 (168);
Tiedemann
, in: Leipziger Komm-StGB,
12. Aufl., § 283 Rdn. 173.
4 Vgl. dazu BGH vom 24. 3. 2009, a.a.O. (Fn. 2).
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013