Kapitalanlage
Zur Verja¨hrung des Schadensersatzanspruchs
eines Anlegers gegen Bank wegen Verletzung der
Aufkla¨rungspflicht u¨ber Ru¨ckvergu¨tungen
Pflicht der Bank zur Aufkla¨rung u¨ber Ru¨ckvergu¨tungen – Kausa-
lita¨t zwischen Pflichtverletzung und Anlegerentscheidung –
Verja¨hrung des Schadensersatzanspruchs – Zum Zeitpunkt der
Kenntnis sa¨mtlicher anspruchsbegru¨ndender Umsta¨nde i. S.
des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
Weiß ein Anleger, dass die ihn beratende Bank fu¨r den Ver-
trieb der empfohlenen Kapitalanlage eine Ru¨ckvergu¨tung er-
ha¨lt, deren Ho¨he ihm die Bank vor seiner Anlageentschei-
dung nicht mitgeteilt hat, so ha¨ngt der Beginn der Verja¨h-
rungsfrist seines Schadensersatzanspruchs wegen ver-
schwiegener Ru¨ckvergu¨tung nicht von der Kenntnis der ge-
nauen Ho¨he der Ru¨ckvergu¨tung ab.
BGH-Urteil vom 26. 2. 2013 – XI ZR 498/11
u
DB0583823
Der Kla¨ger nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen Aufkla¨-
rungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an
dem Filmfonds V. 3 in Anspruch.
Der Kla¨ger zeichnete nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter
der Beklagten am 15. 9. 2003 eine Beteiligung an demFilmfonds (imFol-
genden: V 3) im Nennwert von 100.000 € zzgl. Agio i. H. von 5.000 €.
Davon erbrachte er 65.000 € aus eigenen Mitteln und weitere 40.000 €
durch ein Darlehen der Beklagten. Nach dem Inhalt des Verkaufspro-
spekts sollten 8,9% der Zeichnungssumme sowie das Agio zur Eigenkapi-
talvermittlung durch die V. AG (im Folgenden: V. AG) verwendet wer-
den. Die V. AG durfte laut Prospekt ihre Rechte und Pflichten aus der
Vertriebsvereinbarung auf Dritte u¨bertragen. Die Beklagte erhielt eine
Vertriebsprovision i. H. von 8,25% der Zeichnungssumme. Dies wurde
dem Kla¨ger im Beratungsgespra¨ch nicht offengelegt.
Der Kla¨ger begehrt unter Berufung auf mehrere Beratungsfehler, darun-
ter auch die unterbliebene Aufkla¨rung u¨ber die von der Beklagten bezo-
gene Vertriebsprovision, die Erstattung des eingesetzten Kapitals, der
aufgewendeten Kreditzinsen und von Steuernachzahlungen i. H. von
insgesamt 79.852 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen U¨ bertragung der
Beteiligung. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass der Beklagten
aus dem Darlehen keine Anspru¨che zustehen, sowie die Feststellung des
Annahmeverzuges der Beklagten mit der U¨ bertragung der Beteiligung.
Das LG Frankfurt/M. hatte der Klage u¨berwiegend stattgegeben. Die
hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten war weitgehend erfolglos
geblieben. Die Revision der Beklagten war erfolgreich. Sie fu¨hrte zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zuru¨ckverweisung der Sache
an das Berufungsgericht.
AUS DEN GRU¨ NDEN
Verletzung der Pflicht der Bank zur Aufkla¨rung u¨ber die ihr zu-
fließende Provision
1 . . . 11
I
I.
. . .
II. 1.
Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht
davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre aus dem – nicht mehr
im Streit stehenden – Beratungsvertrag nach den Grundsa¨tzen
des Bond-Urteils
1
folgende Pflicht, den Kla¨ger u¨ber die ihr zu-
fließende Provision i. H. von 8,25% des Zeichnungskapitals auf-
zukla¨ren, schuldhaft verletzt hat.
Zur Pflicht der Bank zur Aufkla¨rung u¨ber die von ihr vereinnahmte
Ru¨ckvergu¨tung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen
12
I
a)
Nach der sta¨ndigen Rechtsprechung des Senats ist eine
Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, u¨ber die von
ihr vereinnahmte Ru¨ckvergu¨tung aus offen ausgewiesenen Ver-
triebsprovisionen ungefragt aufzukla¨ren. Aufkla¨rungspflichtige
Ru¨ckvergu¨tungen in diesem Sinne sind – regelma¨ßig umsatz-
abha¨ngige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten In-
nenprovisionen nicht aus dem Anlagevermo¨gen, sondern aus of-
fen ausgewiesenen Provisionen wie z. B. Ausgabeaufschla¨gen
und Verwaltungsvergu¨tungen gezahlt werden, deren Ru¨ckfluss
an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter
dem Ru¨cken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger
zwar keine Fehlvorstellung u¨ber die Werthaltigkeit der Anlage
entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beraten-
den Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erken-
nen
2
.
Keine ordnungsgema¨ße Aufkla¨rung des Anlegers u¨ber die Ru¨ck-
vergu¨tungen durch die U¨ bergabe des Fondsprospekts
13
I
b)
Bei den von der Beklagten empfangenen Provisionen
handelte es sich, wie der Senat fu¨r die Parallelfonds V 3 und V 4
bereits mehrfach entschieden hat, um aufkla¨rungspflichtige
Ru¨ckvergu¨tungen i. S. der Senatsrechtsprechung
3
. Wie der Se-
nat in diesem Zusammenhang ebenfalls schon mehrfach ent-
schieden hat, konnte eine ordnungsgema¨ße Aufkla¨rung des Kla¨-
gers u¨ber diese Ru¨ckvergu¨tungen durch die U¨ bergabe des streit-
gegensta¨ndlichen Fondsprospekts nicht erfolgen, weil die Be-
klagte in diesem nicht als Empfa¨ngerin der dort ausgewiesenen
Provisionen genannt ist
4
.
Keine ordnungsgema¨ße Aufkla¨rung im Beratungsgespra¨ch
mangels Offenlegung der Ho¨he der Ru¨ckvergu¨tung
14
I
2.
Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen,
dass eine ordnungsgema¨ße Aufkla¨rung des Kla¨gers u¨ber diese
Ru¨ckvergu¨tung durch die Beklagte nicht im Beratungsgespra¨ch
erfolgt ist.
15
I
Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungs-
gerichts hat sich der Kla¨ger zwar „gedacht“, dass die Beklagte
einen Teil des Agios erha¨lt; die Ho¨he der Provision der Beklag-
ten war ihm jedoch nicht bekannt. Daru¨ber ist bei der Anlage-
beratung nicht gesprochen worden. Nach der Senatsrechtspre-
chung muss von der anlageberatenden Bank aber auch die Ho¨he
der Ru¨ckvergu¨tung ungefragt offengelegt werden
5
.
Verschulden der Bank
16
I
3.
Schließlich hat das Berufungsgericht rechts- und verfah-
rensfehlerfrei ein Verschulden der Beklagten angenommen
6
.
Kausalita¨t der Aufkla¨rungspflichtverletzung fu¨r den Erwerb der
Fondsbeteiligung
17
I
4.
Das Berufungsurteil ha¨lt revisionsrechtlicher Nachpru¨fung
auch insofern stand, als das Berufungsgericht die Kausalita¨t der
1 Senatsurteil vom 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123 S. 126 (128) = DB
1993 S. 1869.
2 Vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. 3. 2011 – XI ZR 191/10, DB0417412 = WM
2011 S. 925, Rdn. 20 und Urteil vom 8. 5. 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193
S. 159 = DB0483135, Rdn. 17.
3 Vgl. nur Senat vom 9. 3. 2011, a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 26 und vom 8. 5. 2012,
a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 18.
4 Senat vom 9. 3. 2011, a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 27 und vom 8. 5. 2012, a.a.O.
(Fn. 2), Rdn. 22, m. w. N.
5 Senat vom 9. 3. 2011, a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 27 und Urteil vom 19. 12. 2006 –
XI ZR 56/05, BGHZ 170 S. 226 = DB 2007 S. 683, Rdn. 24 und vom 8. 5.
2012, a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 22.
6 Vgl. nur Senatsbeschluss vom 29. 6. 2010 – XI ZR 308/09, DB 2010 S. 1586
= WM 2010 S. 1694, Rdn. 5 ff. und vom 19. 7. 2011 – XI ZR 191/10,
DB0426717 = WM 2011 S. 1506, Rdn. 10 ff. sowie vom 8. 5. 2012, a.a.O.
(Fn. 2), Rdn. 25, jew. m. w. N.
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
1...,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57 59,60,61,62,63,64,65,66,67,68,...84