Aufkla¨rungspflichtverletzung fu¨r den Erwerb der Fondsbetei-
ligung durch den Kla¨ger bejaht hat.
Darlegungs- und Beweislast der Bank fu¨r die Behauptung, dass
Beteiligung auch bei geho¨riger Aufkla¨rung u¨ber die Ru¨ckver-
gu¨tung erworben worden wa¨re
18
I
a)
Zutreffend hat das Berufungsgericht dabei angenommen,
dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast fu¨r ihre Be-
hauptung tra¨gt, der Kla¨ger ha¨tte die Beteiligung auch bei geho¨ri-
ger Aufkla¨rung u¨ber die Ru¨ckvergu¨tung erworben.
19
I
aa)
Nach sta¨ndiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige,
der vertragliche oder vorvertragliche Aufkla¨rungspflichten ver-
letzt hat, beweispflichtig dafu¨r, dass der Schaden auch eingetre-
ten wa¨re, wenn er sich pflichtgema¨ß verhalten ha¨tte, der Gescha¨-
digte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen ha¨tte. Die-
se sog. „Vermutung aufkla¨rungsrichtigen Verhaltens“ gilt fu¨r alle
Aufkla¨rungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, ins-
besondere auch dann, wenn Ru¨ckvergu¨tungen pflichtwidrig
nicht offengelegt wurden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich
um eine Beweiserleichterung i. S. eines Anscheinsbeweises, son-
dern um eine zur Beweislastumkehr fu¨hrende widerlegliche Ver-
mutung
7
.
20
I
bb)
Soweit die Revision entgegen der Annahme des Beru-
fungsgerichts geltend macht, beim Kla¨ger habe auch bei ord-
nungsgema¨ßer Aufkla¨rung ein Entscheidungskonflikt bestan-
den, weswegen die Beweislastumkehr nicht eingreife, kann sie
damit keinen Erfolg haben. Der Senat hat seine fru¨here Recht-
sprechung, nach der die Beweislastumkehr zulasten der beraten-
den Bank davon abhing, dass fu¨r den Anleger vernu¨nftigerweise
nur eine Mo¨glichkeit aufkla¨rungsrichtigen Verhaltens bestand,
die geho¨rige Aufkla¨rung beim Anleger also keinen Entschei-
dungskonflikt ausgelo¨st ha¨tte, mit Urteil vom 8. 5. 2012 – XI
ZR 262/10
8
aufgegeben. Die Beweislastumkehr greift daher be-
reits bei – wie hier – feststehender Aufkla¨rungspflichtverletzung
ein.
Kein Nachweis der Bank fu¨r die Behauptung des Erwerbs der
Beteiligung auch bei geho¨riger Aufkla¨rung
21
I
b)
Rechts- und verfahrensfehlerfrei hat das Berufungsgericht
weiterhin den der Beklagten obliegenden Nachweis, dass der
Kla¨ger die Beteiligung auch bei geho¨riger Aufkla¨rung u¨ber die
Ru¨ckvergu¨tung erworben ha¨tte, im Ergebnis der vom LG durch-
gefu¨hrten Beweisaufnahme als nicht gefu¨hrt angesehen.
22
I
aa)
Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Beru¨ck-
sichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Er-
gebnisses der Beweisaufnahme nach freier U¨ berzeugung zu ent-
scheiden, ob eine tatsa¨chliche Behauptung fu¨r wahr oder fu¨r
nicht wahr zu erachten ist. Die dabei vorzunehmende Beweis-
wu¨rdigung ist grundsa¨tzlich Sache des Tatrichters, an dessen
Feststellungen das Revisionsgericht gem. § 559 Abs. 2 ZPO ge-
bunden ist. Im Revisionsverfahren ist somit lediglich zu u¨berpru¨-
fen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Be-
weisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinander-
gesetzt hat, seine Wu¨rdigung also alle Umsta¨nde vollsta¨ndig be-
ru¨cksichtigt hat, rechtlich mo¨glich ist und nicht gegen Denk-
und Erfahrungssa¨tze versto¨ßt
9
.
23
I
bb)
Hier hat der Kla¨ger angegeben, er habe erkannt gehabt,
dass sich im Hinblick auf die Vereinnahmung von Ru¨ckver-
gu¨tungen die Frage stelle, inwieweit eine Bank bei der Anlage-
beratung im eigenen Interesse handele, weshalb er bei einer Auf-
kla¨rung u¨ber die von der Beklagten vereinnahmte Provision sei-
nen Anlageentschluss grundsa¨tzlich infrage gestellt ha¨tte. Ange-
sichts dessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass
das Berufungsgericht geschlussfolgert hat, der Kla¨ger ha¨tte bei
geho¨riger Aufkla¨rung u¨ber die Ru¨ckvergu¨tung die Fondsbetei-
ligung nicht gezeichnet.
Verja¨hrung des Schadensersatzanspruchs des Anlegers
24
I
5.
Das Berufungsurteil kann jedoch keinen Bestand haben,
soweit es die Verja¨hrung des Klageanspruchs nach §§ 195, 199
Abs. 1 BGB verneint hat. Wie die Revision zu Recht geltend
macht, war der Schadensersatzanspruch des Kla¨gers, soweit er
auf die Verletzung von Beratungspflichten der Beklagten u¨ber
Ru¨ckvergu¨tungen gestu¨tzt wird, entgegen der Ansicht des Revi-
sionsgerichts bei Klageerhebung Mitte 2008 bereits verja¨hrt.
Entstehen des Schadensersatzanspruchs bereits mit Zeichnung
der Fondsbeteiligung
25
I
a)
Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon aus-
gegangen, dass der Schadensersatzanspruch des Kla¨gers bereits
mit Zeichnung der Fondsbeteiligung am 15. 9. 2003 i. S. von
§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden ist. Nach sta¨ndiger Recht-
sprechung des BGH ist der Anleger, der aufgrund einer Verlet-
zung der Aufkla¨rungspflicht oder einer fehlerhaften Beratung
eine fu¨r ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, bei der ge-
botenen wertenden Betrachtung bereits durch den Erwerb der
Kapitalanlage gescha¨digt, weil der ohne die erforderliche Aufkla¨-
rung gefasste Anlageentschluss von den Ma¨ngeln der fehlerhaf-
ten Aufkla¨rung beeinflusst ist
10
. Es kommt hingegen nicht da-
rauf an, ob und wann die Kapitalanlage ggf. spa¨ter im Wert ge-
fallen ist
11
.
Ausreichende Kenntnis sa¨mtlicher anspruchsbegru¨ndender Um-
sta¨nde i. S. des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Zeichnung der Betei-
ligung
26
I
b)
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber angenom-
men, der Kla¨ger habe nicht bereits bei Zeichnung der Betei-
ligung an V 3 im Jahr 2003 ausreichende Kenntnis sa¨mtlicher
anspruchsbegru¨ndender Umsta¨nde i. S. des § 199 Abs. 1 Nr. 2
BGB gehabt, weil er die genaue Ho¨he der an die Beklagte ge-
flossenen Ru¨ckvergu¨tung nicht gekannt habe.
Vorliegen der erforderlichen Kenntnis bei Mo¨glichkeit der Erhe-
bung einer Feststellungsklage
27
I
aa)
Die erforderliche Kenntnis von den den Anspruch be-
gru¨ndenden Umsta¨nden liegt im Allgemeinen vor, wenn dem
Gescha¨digten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es
auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend,
wenn auch nicht risikolos, mo¨glich ist. Weder ist notwendig,
dass der Gescha¨digte alle Einzelumsta¨nde kennt, die fu¨r die Be-
urteilung mo¨glicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits
hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen
Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos fu¨hren zu ko¨nnen. Auch
7 Senat vom 8. 5. 2012, a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 28 ff., m. w. N.
8 A.a.O. (Fn. 2), Rdn. 33 ff.
9 Senatsurteil vom 29. 6. 2010 – XI ZR 104/08, BGHZ 186 S. 96 = DB0362273,
Rdn. 38 und vom 18. 12. 2007 – XI ZR 76/06, DB0282220 = WM 2008 S. 292,
Rdn. 20.
10 Senat vom 8. 3. 2005 – XI ZR 170/04, BGHZ 162 S. 306 (309 f.) = DB 2005
S. 1326 und vom 12. 5. 2009 – XI ZR 586/07, DB 2009 S. 1529 = WM 2009
S. 1274, Rdn. 22; BGH vom 8. 7. 2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186 S. 152 =
DB 2010 S. 1989, Rdn. 24, m. w. N.
11 BGH-Urteil vom 19. 7. 2004 – II ZR 354/02, DB 2004 S. 1988 = WM 2004
S. 1823 und vom 8. 7. 2010, a.a.O. (Fn. 10), Rdn. 24; vom 12. 5. 2009,
a.a.O. (Fn. 10), Rdn. 22.
DER BETRIEB | Nr. 19 | 10. 5. 2013
Wirtschaftsrecht
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